Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff des Arbeitsverhältnisses. Sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für Vergütungsansprüche aufgrund von Telefonsexdienstleistungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Telefonsexdienstleistungen können sowohl in einem freien Dienstverhältnis als auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbracht werden.

2. Die für ein Arbeitsverhältnis typische persönliche Abhängigkeit einer als freiberufliche Mitarbeiterin geführten Telefonsexdienstleisterin kann sich aus ihrer Eingliederung in eine fremde betriebliche Arbeitsorganisation ergeben (so auch: Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 25.08.2020 - 9 Ta 217/19). Das ist dann der Fall, wenn diese durch einseitige Vorgaben und der Kontrolle der Betriebsabläufe in einer Weise fremdbestimmt wird, die über die mögliche Einflussnahme bei einem freien Dienstverhältnis hinausgeht. Der Umstand, dass der Telefonsexdienstleisterin keine konkreten Weisungen zum Inhalt der Telefongespräche gemacht wurden, spricht wegen §§ 1, 3 ProstG (analog) nicht gegen den Bestand eines Arbeitsverhältnisses.

 

Normenkette

BGB § 611a Abs. 1; GewO § 108; ProstG §§ 1, 3; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 30.10.2019; Aktenzeichen 13 Ca 2887/19)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 30.10.2019 (13 Ca 2887/19) teilweise abgeändert und der Tenor zur Klarstellung wie folgt gefasst:

    1. Es wird festgestellt, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1.) während der Tätigkeit der Klägerin in den Diensten der Beklagten zu 1.) vom 31.03.2016 bis zum 16.12.2018 ein Arbeitsverhältnis im Rechtssinne bestanden hat.
    2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1.) verpflichtet ist, der Klägerin jegliche Schäden zu erstatten, die ihr dadurch entstanden sind und noch entstehen werden, dass die Beklagte zu 1.) die Klägerin während ihrer Tätigkeit in deren Diensten im Zeitraum vom 31.03.2016 bis zum 16.12.2018 als freiberuflich Tätige, statt als Arbeitnehmerin, geführt und entlohnt hat.
    3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

  • II.

    Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 40 % und die Beklagte zu 1.) zu 60 %.

  • III.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in dem Berufungsverfahren über den Status der Klägerin als Arbeitnehmerin, über die Verpflichtung zur Erteilung von Abrechnungen sowie über die Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung. In dem aus diesem Verfahren abgetrennten Verfahren (Arbeitsgericht Köln, Az. 13 Ca 7318/19) streiten die Parteien in der Hauptsache im Wesentlichen über Zahlungsansprüche.

Die Beklagte zu 1) betreibt eine Gesprächshotline, über die sexuelle Dienstleistungen mittels Telefonie angeboten werden ("Sex-Hotline"). Ihr Geschäftsgebäude und zugleich gesellschaftsrechtlicher Sitz ist in der K straße in K .

Bei dem Beklagten zu 2) handelt es sich um den (Not-)Geschäftsführer der Beklagten zu 1).

Gesellschafterin der Beklagten zu 1) ist eine Erbengemeinschaft. Der Beklagte zu 3), der von Beruf Steuerberater ist, ist Miterbe dieser Erbengemeinschaft, nachdem seine Ehefrau - Frau M V - verstorben ist.

Die Beklagte zu 1) beschäftigt mehrere Verwaltungsangestellte und mindestens 50 zum Teil auch als Beraterinnen bezeichnete Telefonistinnen, die sexuelle Dienstleistungen fernmündlich praktizieren ("Telefonsex"). Diese Dienstleistungen werden im Schichtbetrieb rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr und 24 Stunden am Tag angeboten. Bei der Beklagten zu 1) rufen pro Monat ca. 200 Neukunden an. Das 40- bis 50-fache Aufkommen der Anrufe betrifft demgegenüber sog. Stammkunden. Die Neukunden werden im IT-System der Beklagten zu 1) in einen "Pool" aufgenommen, von wo aus die Gespräche von den Telefonistinnen angenommen werden können. Sofern ein Stammkunde durch das IT-System, in dem seine persönlichen Daten und "Vorlieben" gespeichert sind, bereits einer bestimmten Telefonistin zugeordnet ist, wird dieser unmittelbar an die entsprechende Telefonistin weitergeleitet.

Die Telefonistinnen und auch die Klägerin wurden und werden von der Beklagten zu 1) als freiberufliche Mitarbeiterinnen geführt.

Die Klägerin war in der Zeit vom 31.03.2016 bis zum 16.12.2018 bei der Beklagten zu 1) als Telefonistin tätig. Eine schriftliche Beschäftigungsvereinbarung wurde nicht vorgelegt. Die Klägerin nahm ihre Tätigkeit zunächst in Teilzeit mit 30 Stunden pro Woche auf. In der Folgezeit reduzierte sie ihre Arbeitszeit sukzessive. Der Hintergrund war, dass die Klägerin in ihrem Hauptarbeitsverhältnis ihre Arbeitszeit erhöhen konnte. Die Klägerin beendete das Vertragsverhältnis mit der Beklagten zu 1) zum 16.12.2018. Bezogen auf den Gesamtzeitraum erhielt sie nach eigenen Angaben eine monatliche Vergütung zwischen 500,- Euro und 1.500,- Euro.

Bei der Aufnahme ihrer Tätigkeit schloss die Klägerin zusätzlich mit der C GmbH einen Miet- und Servicevertrag über die Nutzung von Räumlichkeiten und einer Telefonanlage im Gebäude K straße in K . Die Firm...

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