Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten für die Klage einer Telefonsexdienstleisterin

 

Leitsatz (amtlich)

Die für ein Arbeitsverhältnis typische persönliche Abhängigkeit einer als Freiberuflerin geführten Telefonsexdienstleisterin kann sich aus ihrer Eingliederung in eine fremde betriebliche Arbeitsstruktur ergeben. Das ist dann der Fall, wenn sie durch eine einseitige Steuerung und Kontrolle der Betriebsabläufe in einer Weise ihrer Selbstständigkeit beraubt wird, die über die mögliche Einflussnahme bei einem freien Dienstvertrags hinausgeht.

 

Normenkette

ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a), Buchst. d)

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 30.10.2019; Aktenzeichen 13 Ca 7318/19)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 30.10.2019 - 13 Ca 7318/19 - abgeändert.

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beklagten.

 

Gründe

I.

Die Beklagte zu 1 bietet Dienstleistungen für Unterhaltungsangebote im Internet an und betreibt in K eine telefonische Sex-Hotline. Bei dem Beklagten zu 2 handelt es sich um den gerichtlich bestellten Notgeschäftsführer der Beklagten zu 1. Gesellschafterin der Beklagten zu 1 ist eine Erbengemeinschaft, der auch der Beklagte zu 3, ein Steuerberater, angehört. Das Unternehmen ist in demselben Gebäude ansässig wie die C GmbH, die laut Handelsregister ua. die Vermietung von Büros und Infrastruktur, die Website-Gestaltung sowie den Verkauf und der Vertrieb von Unterhaltungsmedien zum Unternehmensgegenstand hat. Geschäftsführerin der C GmbH sowie der Beklagten zu 1 war die inzwischen verstorbene Ehefrau des Beklagten zu 3.

Die Beklagte zu 1 beschäftigt mehrere Verwaltungsangestellte und arbeitet mit zahlreichen weiteren Telefonistinnen zusammen, die ihre sexuellen Dienstleistungen im Schichtbetrieb an 365 Tagen im Jahr und 24 Stunden am Tag anbieten. Die Telefonistinnen werden von der Beklagten zu 1 als freiberufliche Mitarbeiterinnen geführt.

Die Klägerin war in der Zeit vom 31.03.2016 bis zum 16.12.2018 als Telefonistin tätig. Nach eigenen Angaben erzielte sie dabei eine monatliche Vergütung zwischen 500 EUR und 1.500 EUR.

Bei Aufnahme ihrer Tätigkeit schloss die Klägerin - ebenso wie die anderen Telefonistinnen - mit der C GmbH einen Miet- und Servicevertrag über die Nutzung der Räumlichkeiten und der Telefonanlage im Gebäude. Für ihre Tätigkeit wurde der Klägerin von der C GmbH ein ca. sechs bis acht Quadratmeter großer Raum mit Tisch, Stuhl, Computer und drei Telefonen zur Verfügung gestellt. Das dafür vereinbarte Entgelt iHv. 50 EUR inkl. MwSt. zahlte die Klägerin monatlich in bar an die GmbH, wobei die Übergabe an eine Mitarbeiterin erfolgte, die sowohl bei der Beklagten zu 1 als auch bei der C GmbH beschäftigt war.

Für ihre Tätigkeit wählte die Klägerin - ebenso wie die anderen Telefonistinnen - einen Alias-Namen und Fotos aus einem von der Beklagten zu 1 vorgehaltenen Pool, die sie für ihr Profil auf der Internetseite der Beklagte zu 1 nutzte. Zudem teilte die Beklagte zu 1 der Klägerin eine E-Mail-Adresse sowie drei Telefonnummern zu. Einen außerdienstlichen IT-Zugriff hatte die Klägerin nicht. Außerdienstliche private Kontakte zu Kunden der Hotline wurden von der Beklagten zu 1 unter Androhung einer Strafzahlung von 10.000 EUR untersagt.

Die Beklagte zu 1 empfahl der Klägerin, dreimal sechs Stunden in der Woche zu arbeiten, um so Stammkunden aufbauen zu können. Inwieweit darüber hinaus verbindliche Vorgaben zu Mindestarbeitszeiten bestanden, ist zwischen den Parteien streitig. Im Vorplanungszeitraum einer Schicht konnte die Klägerin über das IT-System Raumwünsche äußern, wobei die verbindliche Koordination der Räume über die Beklagte zu 1 erfolgte.

Schichtpläne wurden von der Beklagten zu 1 elektronisch über einen sog. "FileMaker" mit einem Vorlauf von einigen Wochen erstellt. Vor der Erstellung der Dienstpläne trugen die Telefonistinnen sich für die von ihnen gewünschten Schichten in einen elektronischen Kalender ein. Wenn keine Eintragung erfolgte, erhielt die Telefonistin eine automatisch generierte Erinnerung. Wenn die Klägerin im Vorplanungszeitraum keine Zeitwünsche in den Dienstplan eingetragen hatte, sperrte der FileMaker die weitere IT-Nutzung, so dass die Dienstleistung am aktuellen Tag ohne Mitwirkung der Beklagten zu 1 nicht möglich war. Alternativ konnte die Klägerin Zeitwünsche in den Kalender eintragen und gleichzeitig in einem Benachrichtigungsfeld der Verwaltung schreiben, dass der Eintrag nur aus Freischaltungsgründen erfolge, tatsächlich aber nicht gewünscht sei. Nach dem Erstellen der Dienstpläne war die Schichteinteilung verbindlich. Wenn die Klägerin eine zugesagte Schicht nicht wahrnahm oder ihre Tätigkeit verspätet aufnahm, verhängte die Beklagte zu 1 Strafzahlungen. Zur Vermeidung solcher Strafen durfte die Klägerin Schichten ersetzen bzw. mit den Kolleginnen tauschen.

Die Arbeit der Klägerin wurde durch eine ...

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