Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses während einer vereinbarten Probezeit. Verstoß der Probezeitkündigung gegen das Maßregelungsverbot

 

Leitsatz (amtlich)

Einzelfall einer (offensichtlich) wirksamen Probezeitkündigung im Kleinbetrieb vor Ablauf der Wartefrist, die nach Auffassung der Klägerin diskriminierend gewesen sein soll, weil sie während einen bestehenden Erkrankung unter damit unter Verstoß gegen das Maßregelungsverbot ausgesprochen worden sein.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Krankmeldung eines Arbeitnehmers stellt keine Rechtsausübung i.S. von § 612a BGB dar, so dass eine Probezeitkündigung nach der Krankmeldung auch nicht gegen § 612a BGB verstoßen kann.

 

Normenkette

BGB § 612a; AGG §§ 1, 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 15 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Entscheidung vom 17.10.2019; Aktenzeichen 3 Ca 2286/19)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 17.10.2019 (3 Ca 2286/19) wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung während der vereinbarten Probezeit und vor Ablauf der Wartefrist im Kleinbetrieb sowie über einen Zahlungsanspruch.

Die Beklagte betreibt ein Zahnlabor (Dentaltechnik) mit deutlich weniger als zehn Arbeitnehmern.

Die Klägerin, geb. am . .19 , ist gelernte Zahntechnikerin und ist bei der Beklagten seit dem 01.05.2019 als Zahntechnikern beschäftigt. Ihr Bruttoeinkommen betrug 2.400,- Euro monatlich bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden. Zwischen den Parteien war ausweislich des unbefristet abgeschlossenen Arbeitsvertrags vom 19.03.2019, bezüglich dessen Inhalts auf Bl. 3-4 d.A. Bezug genommen wird, eine Probezeit von drei Monaten vereinbart.

Die Klägerin meldete sich am 02.07.2019 telefonisch krank. Am gleichen Tag teilte sie der Beklagten nach dem Arztbesuch telefonisch mit, dass sie bis zum 05.07.2019 krankgeschrieben sei.

Am 08.07.2019 (Montag) teilte sie der Beklagten mittels Nachricht auf dem Anrufbeantworter telefonisch mit, sie sei bis zum 12.07.2019 erkrankt. Sie legte der Beklagten noch am selben Tag eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Folgebescheinigung) vor.

Mit Schreiben vom 08.07.2019, der Klägerin zugegangen am 09.07.2019, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis "während der Probezeit ordentlich und fristgerecht zum 26.07.2019" (siehe Bl. 6 d.A.).

Mit ihrer am 29.07.2019 beim Arbeitsgericht als elektronisches Dokument eingegangenen und der Beklagten am 03.08.2019 zugestellten Klageschrift (Bl. 10 d.A.) hat sich die Klägerin gegen diese Kündigung gewehrt und Schadensersatz begehrt.

Sie hat die Ansicht vertreten, ihr sei gekündigt worden, weil sie ihr Recht wahrgenommen habe, krank zu werden und sich krank zu melden. Weil die Kündigung folglich gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstoße, sei nicht nur die Kündigung unwirksam, sondern auch Schadensersatz geschuldet. Weiterhin hat sich die Klägerin darauf berufen, auch im Kleinbetrieb sei ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme zu wahren. Sie hat etwaige Fehlleistungen bestritten und hat eine mangelnde Einarbeitung moniert.

Den Schadensersatzanspruch hat die Klägerin mit einer Diskriminierung und einer Persönlichkeitsverletzung begründet, weil sie sich krankgemeldet und damit ihre Rechte wahrgenommen habe. Es sei ein "immaterieller Schaden" entstanden, der mit drei Gehältern zu bemessen sei (Bl. 2 d.A. RS).

Schließlich hat die Klägerin erstmals im Schriftsatz vom 27.09.2019 behauptet, sie hätte einen GdB von 30 und hätte im Juli 2019 einen Antrag auf Gleichstellung gestellt. Dieser könne mit zu ihrer Kündigung beigetragen haben.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten und der Klägerin durch die Kündigung vom 08.07.2019, zugegangen am 09.07.2019, nicht beendet ist, sondern über den 26.07.2019 hinaus fortbesteht;
  2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endete, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;
  3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.200,- Euro Schadensersatz nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
  4. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1) zu den im Arbeitsvertrag vom 19.03.2019 geregelten Arbeitsbedingungen als Zahntechnikerin bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, für die Kündigung seien fachliche Gründe ausschlaggebend gewesen. Die Klägerin habe die von ihr verantworteten Arbeiten nicht fachgerecht vorgenommen und erhebliche Fehler gemacht. Die anderen Kollegen hätten wegen der Fehler der Klägerin nacharbeiten und Überstunden machen müssen, während die Klägerin "Dienst nach Vorschrift" gemacht ha...

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