Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Bestimmtheitsgrundsatz im Beschlussverfahren. Erforderlichkeit eines Laptops für die mobile Betriebsratsarbeit. Anforderungen an Haupt- und Hilfsantrag im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren. Auswahlrecht des Arbeitgebers für erforderliche Sachmittel des Betriebsrats. Reichweite und Inhalt des Grundsatzes "Ne ultra petitum" (§ 308 Abs. 1 ZPO). Heilung eines Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 ZPO in der Beschwerdeinstanz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nachdem § 30 BetrVG durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz vom 14.06.2021 erheblich erweitert wurde und die Möglichkeit der Betriebsratssitzung durch Telefon- oder Videokonferenz unabhängig von einer pandemischen Lage zulässt, kann die Verweigerung eines Laptops für mobile Betriebsratsarbeit seitens des Arbeitgebers regelmäßig nicht mit der pauschalen Begründung verweigert werden, der Betriebsrat müsse seine Betriebsratstätigkeit an der Betriebsstätte erbringen (im Anschluss an LAG Hessen, Beschluss vom 14. März 2022 - 16 TaBV 143/21 -, Rn. 34, juris).

2. Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren kann der Betriebsrat zulässigerweise die Zurverfügungstellung eines spezifizierten Laptops oder alternativ eines entsprechenden Geräts nur beantragen, wenn er die einander ausschließenden Begehren als Haupt- und Hilfsantrag im Eventualverhältnis miteinander verbindet. Anderenfalls ist der Antrag nicht hinreichend bestimmt.

3. Der Betriebsrat kann bei der Zurverfügungstellung von Sachmitteln nicht das Laptop-Modell eines bestimmten Herstellers, sondern nur eine Ausstattung im Rahmen des Erforderlichen beanspruchen. Es ist dann Sache des Arbeitgebers, darüber zu entscheiden, welches Fabrikat er dem Betriebsrat zur Verfügung stellt.

4. Gleichwohl ist das Arbeitsgericht nicht befugt, von einem solchen Antrag abzuweichen und dem Betriebsrat einen Anspruch auf ein Laptop zuzuerkennen, das nur bestimmte Merkmale des vom Betriebsrat gewünschten Geräts aufweist. Denn damit würde es ihm entgegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO etwas anderes zusprechen, als er beantragt hat.

5. Ein Verstoß des Gerichts gegen § 308 Abs. 1 ZPO kann in der Beschwerdeinstanz geheilt werden, wenn der Betriebsrat beantragt, die Beschwerde des Arbeitgebers gegen die Entscheidung des Gerichts zurückzuweisen und damit zum Ausdruck bringt, dass er sich die Ausführungen des Arbeitsgerichts wenigstens hilfsweise zu eigen macht.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der in § 2 Abs. 1 BetrVG normierte Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit ist der Maßstab dafür, wie die Betriebsparteien ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten wahrzunehmen und auszuüben haben. Sie müssen dabei auch auf die Interessen der anderen Betriebspartei Rücksicht nehmen.

2. Im Beschlussverfahren muss ein Antrag ebenso bestimmt sein wie im Urteilsverfahren. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist auf das Beschlussverfahren und die in ihm gestellten Anträge entsprechend anwendbar. Der jeweilige Streitgegenstand muss so konkret umschrieben werden, dass der Umfang der Rechtskraftwirkung für die Beteiligten nicht zweifelhaft ist. Der in Anspruch genommene Beteiligte muss bei einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung eindeutig erkennen können, was von ihm verlangt wird.

 

Normenkette

ZPO §§ 253, 308; BetrVG §§ 30, 40, 2 Abs. 1; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 04.11.2021; Aktenzeichen 14 BV 208/20)

 

Tenor

  • I.

    Die Beschwerden des Betriebsrats und der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 04.11.2021 - 14 BV 208/20 - werden zurückgewiesen.

  • II.

    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin, dem Antragsteller einen Laptop und einen Beamer zur Verfügung zu stellen.

Die Arbeitgeberin ist ein Textileinzelhandelsunternehmen mit circa 70 Filialen in Deutschland. Nach eigener Darstellung ist sie Teil eines der größten Modeunternehmen der Welt, das wiederum zu einer der größten Vertriebsgruppen der Welt gehört. In der Filiale auf der S in K sind derzeit circa 110 Arbeitnehmer beschäftigt.

Im Büro des aus sieben Mitgliedern bestehenden Betriebsrats befinden sich ein stationärer PC mit Internetanschluss, aber ohne Kamera, ein Multifunktionsgerät mit Drucker, Fax und Scanner sowie ein Festnetztelefon. Der Betriebsrat beschloss in seiner Sitzung am 01.07.2021 eine "Geschäftsordnung zur Betriebsratssitzung via Video-/Telefonkonferenz", wegen deren näheren Inhalts auf Blatt 77 der Akte Bezug genommen wird.

Der Betriebsrat begehrt die Zurverfügungstellung eines zusätzlichen Laptops. Nur mit Hilfe eines Laptops könne - so sein Vortrag - sichergestellt werden, dass bei der Teilnahme an Betriebsratssitzungen außerhalb des Betriebsratsbüros alle notwendigen, gespeicherten Informationen zur Verfügung stünden und Ergebnisse unmittelbar verarbeitet werden könnten. Die Betriebsratsvorsitzende und ihr Stellvertreter hielten sich häufig gleichzeitig im Betriebsratsbüro auf und seien gleichzeitig auf die Nutzung ...

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