Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfüllung des Mindestlohnanspruchs durch Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen. Werterhöhung des Beschwerdegegenstandes durch Verurteilung zur Zahlung von Verzugspauschalen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 BGB handelt es sich nicht um "Kosten" i.Sd. 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO. Sie ist daher bei Ermittlung des Wertes des Beschwerdegegenstandes nach § 64 Abs. 2 Buchst. b) ArbGG zu berücksichtigen.

2. "Nachtzuschläge", die für während der Nachtzeit i.S.d. § 2 Abs. 3 ArbZG geleistete Arbeit, die nicht Nachtarbeit i.S.d. § 2 Abs. 4 ArbZG ist, gezahlt werden, beruhen nicht auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung. Sie sind mindestlohnwirksam und können den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers nach § 1 Abs. 1 MiLoG erfüllen.

 

Normenkette

MiLoG §§ 1, 24; ArbZG § 2; BGB § 288 Abs. 5; MiLoG § 1 Abs. 1, § 24 Abs. 2; ArbZG § 2 Abs. 3-4; BGB § 288 Abs. 5 S. 1, § 362 Abs. 1, § 611 Abs. 1; ZPO § 4 Abs. 1 Hs. 2; ArbGG § 64 Abs. 2 Buchst. b)

 

Verfahrensgang

ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 06.04.2017; Aktenzeichen 2 Ca 2299/15)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 06.04.2017 - 2 Ca 2299/16 - teilweise abgeändert.
  2. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
  3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  4. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin auf Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen und die Zahlung einer Verzugspauschale.

Die Klägerin war seit 1973 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten und seit 01.01.2016 bei der Beklagten als Zeitungszustellerin bei einer täglichen Arbeitszeit von 1,156 Stunden (1 Stunde und 9 Minuten), die sie ausschließlich nachts in der Zeit vor 06:00 Uhr morgens erbrachte, beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ist mittlerweile beendet.

Zwischen der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten war die Zahlung eines Stücklohns pro zugestelltem Produkt in Höhe von 1,54 € brutto zuzüglich einer Revierzulage in Höhe von 12,00 € brutto monatlich vereinbart. Darüber hinaus wurden aufgrund betrieblicher Übung 19,9 % Nachtzuschläge auf die sich aus Stücklohn und Revierzulage ergebende Vergütung unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 ArbZG gezahlt.

Die Beklagte erteilte der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum von Februar 2016 bis Februar 2017 Abrechnungen, in denen im wesentlichen Stücklöhne, Beilagenstücklöhne, Stücklöhne für Fremdobjekte, die Revierzulage und ein "Ausgleich Mindestlohn Anw" ausgewiesen sind. Daraus errechnete die Beklagte für Februar 2016 einen Bruttobetrag in Höhe von 212,85 €, für März 2016 einen Bruttobetrag in Höhe von 229,67 €, für April 2016 einen Betrag in Höhe von 221,73 € brutto, für Mai 2016 einen Betrag in Höhe von 220,33 € brutto, für Juni 2016 einen Betrag in Höhe von 218,09 € brutto, für Juli 2016 einen Betrag in Höhe von 216,17 € brutto, für August 2016 einen Betrag in Höhe von 234,61 € brutto, für September 2016 einen Betrag in Höhe von 204,23 € brutto, für Oktober 2016 einen Betrag in Höhe von 247,40 € brutto, für November 2016 einen Betrag in Höhe von 405,37 € brutto inkl. 185,00 € Weihnachtsgeld, für Dezember 2016 einen Betrag in Höhe von 224,50 € brutto, für Januar 2017 einen Betrag in Höhe von 257,70 € brutto und für Februar 2017 einen Betrag in Höhe von 232,21 € brutto. Wegen der weiteren Einzelheiten der Abrechnungen wird auf Bl. 26 ff., 54 f., 85 ff. d.A. Bezug genommen. Die in den Abrechnungen ausgewiesenen Netto-Beträge hat die Beklagte an die Klägerin ausbezahlt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, durch die von der Beklagten abgerechneten und gezahlten Beträge sei ausschließlich der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns für Zeitungszusteller gemäß § 24 Abs. 2 MiLoG erfüllt worden. Darüber hinaus habe die Klägerin Anspruch auf Zahlung eines Nachtzuschlags in Höhe von 19,9 % des jeweiligen gesetzlichen Mindestlohns pro geleisteter Arbeitsstunde. Für Februar 2016 seien daher bei 25 Arbeitstagen 41,58 €, für März 2016 bei 27 Arbeitstagen 44,91 €, für April, Mai, Juni und Juli 2016 bei jeweils 26 Arbeitstagen jeweils 43,24 €, für August 2016 bei 27 Arbeitstagen 44,91 €, für September und Oktober bei 26 Arbeitstagen jeweils 43,24 €, für November und Dezember 2016 bei 25 Arbeitstagen jeweils 41,58 €, für Januar 2017 bei 26 Arbeitstagen 51,29 € und für Februar 2017 bei 24 Arbeitstagen 46,93 € von der Beklagten an die Klägerin zu zahlen.

Diese Beträge habe die Beklagte weder abgerechnet noch bezahlt, in den Abrechnungen seien sie nicht ausgewiesen.

Der Nachtzuschlag sei nicht auf die Zahlung des Mindestlohns anzurechnen. Der an die Klägerin gezahlte Nachtzuschlag erfülle den Zweck, die besonderen Erschwernisse der Nachtarbeit zu honorieren. Er verfolge damit den gleichen Zweck wie ein gesetzlich geschuldeter Nachtzuschlag iSd. § 6 Abs. 5 ArbZG, so dass ihm eine gesetzliche Zweckbestimmung zugrunde liege, die eine Anrechnung auf den Mindestlohn ausschließe.

Die Kläg...

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