Entscheidungsstichwort (Thema)
Schmerzensgeldanspruch wegen „Mobbings” (10.000 EUR) Berufung der Klägerin gegen klageabweisendes erstinstanzlichen Urteil zurückgewiesen
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Arbeitgeber hat im Rahmen seiner vertraglichen Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Bei der Frage, was die vertragliche Rücksichtnahmepflicht im Einzelnen gebietet, ist insbesondere auf die in den Grundrechten zum Ausdruck gekommenen Wertentscheidungen des Grundgesetzes abzustellen. Danach dürfen der Arbeitgeber und seine Repräsentanten das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers nicht verletzen.
2. Mobbing ist kein Rechtsbegriff. Zur Feststellung von Verletzungen des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers durch Belästigungen ist – ausgehend von der Definition des Begriffs der Belästigung in § 3 Abs. 3 AGG – festzustellen, dass unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterung, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
3. Die Verletzung von Rechten des Arbeitnehmers muss aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung unter sorgsamer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Nicht jedes den Arbeitnehmer belastende Verhalten des Arbeitgebers hat Angriffsqualität und ist schon eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht. Nicht jede unberechtigte Kritik, überzogene Abmahnung oder unwirksame Kündigung stellt gleichzeitig eine Persönlichkeitsrechtverletzung dar und führt zu einer Verletzung der Rücksichtnahmepflicht.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, § 253 Abs. 2, §§ 278, 280, 823 Abs. 1, § 831; AGG § 3 Abs. 3, § 1
Verfahrensgang
ArbG Arnsberg (Urteil vom 24.03.2009; Aktenzeichen 3 Ca 565/08 O) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 24.03.2009 – 3 Ca 565/08 O – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schmerzensgeld.
Sie ist seit dem 01.06.1991 bei der Beklagten als Verkaufsstellenverwalterin in H1 gegen ein Bruttomonatsgehalt von 2.600,00 EUR tätig und am 18.10.1953 geboren.
Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag vom 01.06.1991 (Bl. 174, 175 d.A.) zugrunde.
Wegen der Aufgaben einer Verkaufsstellenverwalterin wird auf den Vortrag der Beklagten mit Schriftsatz vom 30.07.2008 (Bl. 140, 141 d.A.) nebst Anlage (Bl. 176, 178 d.A.) Bezug genommen.
In den Jahren 1995, 1999, 2001 bis zum 29.07.2008 wies die Klägerin Arbeitsunfähigkeitszeiten jeweils über sechs Wochen jährlich auf. Wegen der einzelnen Krankheitsperioden wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 30.07.2008 (Bl. 151 bis 154 d.A.) verwiesen. Die Krankheitsdiagnosen der Jahre 2001 bis 2007 ergeben sich aus von der Klägerin vorgelegten Auskünften der BKK Achenbach Buschhütten und der DAK (Bl. 112 bis 114 d.A.).
Bis Oktober 2001 verlief das Arbeitsverhältnis konfliktlos.
Im November 2001 erteilte die Beklagte der Klägerin vier Abmahnungen, gegen die sie sich mit anwaltlichem Schreiben vom 18.12.2001 (Bl. 25 bis 27 d.A.) zur Wehr setzte. Mit Schreiben vom 28.12.2001 (Bl. 28 d.A.) erklärte die Verkaufsleiterin des Verkaufsbüros E2, dem die Filiale H1 zugeordnet war, die Abmahnungen wurden ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aus der Personalakte entfernt.
Im Jahre 2002 wurden der Klägerin Abmahnungen unter dem 14.05.2002 (Bl. 183 bis 185 d.A.), unter dem 20.06.2002 (Bl. 179 d.A.) und am 13.08.2002 (Bl. 188, 189 d.A.) erteilt. Der Abmahnung vom 20.06.2002 lag der Vorwurf der verspäteten Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für eine Arbeitsunfähigkeit ab dem 15.06.2002 zugrunde, die erst am 26.06.2002 (Bl. 180 d.A.) bei der Beklagten einging.
Die Klägerin wendete sich gegen alle drei Abmahnungen mit Klagen. Die Parteien einigten sich in Prozessvergleichen vom 17.09.2002 (Bl. 180, 182, 186, 187 d.A.) auf Entfernung der Abmahnung vom 14.05.2002 mit dem 31.12.2002 und der Abmahnung vom 20.06.2002 mit dem 30.11.2002 aus der Personalakte der Klägerin. Die Beklagte verpflichtete sich jeweils, ab dem Entfernungszeitpunkt aus dem zugrunde liegenden Vorfall keine weitere Rechte herzuleiten.
Mit Urteil vom 17.12.2002 verurteilte das Arbeitsgericht Arnsberg die Beklagte in dem Verfahren 3 Ca 1267/02 O, die Abmahnung vom 13.08.2002 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen. Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 17.12.2002 hatte der Kammervorsitzende in der Erörterung der Sach- und Rechtslage auf formelle Bedenken hinsichtlich der Abmahnung hingewiesen.
Ab dem 02.09.2002 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Mit Schreiben vom 26.09.2002 (Bl. 34 d.A.) bat die Beklagte die Klägerin, bis zum 04.10.2002 folgende Fragen zu ihrer Gesundheit zu beantworten:
- Können wir in absehbarer Zeit mit Ihrer Arbeitsfähigkeit rechnen?
- Sind Sie gesundheitlich in der Lage, die Tätigkeit nach Ihre...