Entscheidungsstichwort (Thema)

Schmerzensgeld. Schadensersatz. Mobbing. Darlegungslast des Arbeitnehmers. Anforderungen an Darlegungslast. Abmahnung. mehrere Abmahnungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Rahmen seiner vertraglichen Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB hat der Arbeitgeber auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Bei der Frage, was die vertragliche Rücksichtnahmepflicht im Einzelnen gebietet, ist insbesondere auf die in den Grundrechten zum Ausdruck gekommenen Wertentscheidungen des Grundgesetzes abzustellen. Danach dürfen der Arbeitgeber und seine Repräsentanten das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers nicht verletzen. Im Fall der Verletzung hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Beseitigung der fortwährenden Beeinträchtigung und auf Unterlassung weiterer Verletzungshandlungen.

2. Da „Mobbing” als eigenständige Anspruchsgrundlage, vergleichbar einer Rechtsnorm, ausscheidet, erübrigt sich im Ergebnis eine allgemeingültige Definition des Begriffs. Es muss jeweils geprüft werden, ob der in Anspruch Genommene in den genannten Einzelfällen arbeitsrechtliche Pflichten, ein absolutes Recht des Arbeitnehmers i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB, ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB verletzt oder eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i.S.v. § 826 BGB begangen hat. Zur Feststellung von Verletzungen des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers durch Belästigungen ist ausgehend von der Definition des Begriffs der Belästigung in § 3 Abs. 3 AGG festzustellen, dass unerwünschte Verhaltensweisen - unabhängig von den Gründen nach § 1 AGG - bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterung, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

3. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Mobbinghandlung trägt nach allgemeinen Grundsätzen des Zivilprozesses der betroffene Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen vorzutragen, aus denen er das Vorliegen von Mobbing ableitet. Eine Beweiserleichterung oder eine Beweislastumkehr greift nicht ein. Die im Verfahren vor den Arbeitsgerichten oftmals bestehende Beweisnot der Opfer muss durch die sorgfältige Anwendung der prozessualen Mittel der Parteianhörung (§ 141 ZPO) und der Parteivernehmung (§§ 445, 448 ZPO) ausgeglichen werden. Daher ist das Opfer als Partei anzuhören und seine Glaubwürdigkeit zu überprüfen.

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, § 253 Abs. 2, § 280 Abs. 1, §§ 823, 826; AGG § 3 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Urteil vom 04.06.2009; Aktenzeichen 52 Ca 76 b/09)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn (52 Ca 76 b/09) vom 04.06.2009 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen Mobbings.

Der am …1972 geborene Kläger stand vom 01.08.06 bis 21.05.08 in einem Ausbildungsverhältnis zur Beklagten. Er sollte zum Mediengestalter ausgebildet werden. Das Ausbildungsverhältnis endete durch Eigenkündigung des Klägers.

Zwischen den Parteien waren bereits fünf arbeitsgerichtliche Verfahren anhängig: Arbeitsgericht Elmshorn 5 Ca 2227 b/07, 5 Ca 613 c/08, 51 Ca 719 d/08 (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein 6 Sa 220/08), 51 Ca 720 a/08, 52 Ca 1719 d/08. Zudem stritt der Kläger mit der Bundeswehr vor dem Verwaltungsgericht über die Rückzahlung von Lehrgangsfördergelder. Die Bundeswehr hatte sich bereit erklärt, Fortbildungslehrgänge für den Kläger mit etwa 10.000 EUR zu fördern. Die Beklagte hat diesen Betrag erhalten. Sie war in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren beigeladen. Während die Beklagte behauptet hat, die Fördermaßnahmen durchgeführt zu haben, haben der Kläger und die Bundeswehrverwaltung behauptet, die Bildungsmaßnahmen stünden noch aus.

Am 29. und 30.11.2007 sprachen der Kläger und der Geschäftsführer der Beklagten Herr E. über ein an den Berufsförderungsdienst der Bundeswehr zu richtendes Schreiben. Der Ablauf der Gespräche ist zwischen den Parteien streitig.

Der Kläger war vom 05. bis 17.12.2007 und sodann ab dem 19.12.2007 bis zur Beendigung des Ausbildungsverhältnisses arbeitsunfähig krank.

Eine sozialmedizinische Untersuchung der AOK vom 11.04.2008 gibt die Beschwerden des Klägers wie folgt an:

„… wird von Seiten des AG massiv gemobbt, seit Herbst gerichtliche Auseinandersetzung. Pat. wird vom AG schikaniert, lächerlich gemacht, teilw. bedroht. Symptome: Schlafstörungen, Grübeln, Bauchschmerzen”,

Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens wird auf die Anlage K 15 = Bl. 40 d.A. verwiesen.

Eine fachärztliche Stellungnahme vom 30.05.2008 (vgl. Anlage K 16 = Bl. 41 d.A.), angefordert von der Bundesagentur für Arbeit wegen der Eigenkündigung des Klägers, beschreibt die Gründe der Auflösung des Ausbildungsverhältnisses wie folgt:

„Durch ungünstige Konstellation ist ein Arbeitsklima entstanden, welches zu massivem Mobbing geführt hatte. Entsprechende psychis...

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