Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung eines Aufhebungsvertrages wegen widerrechtlicher Drohung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages ursächliche Drohung des Arbeitgebers mit fristloser Kündigung stellt sich als widerrechtlich i.S. von § 123 Abs. 1 BGB dar, wenn dem Arbeitgeber bewusst war, dass der Ausspruch einer Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden konnte (hier: wegen angeblicher wiederholter Versäumung von Arbeitszeit).

 

Normenkette

BGB § 123 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 08.06.2016; Aktenzeichen 1 Ca 1997/15)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 08.06.2016 - 1 Ca 1997/15 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses.

Der 1981 geborene Kläger, der verheiratet und einem Kind gegenüber zum Unterhalt verpflichtet ist, ist seit dem 03.07.2007 bei der Beklagten als Lagerist und Staplerfahrer beschäftigt. Er erzielte zuletzt ein durchschnittliches Bruttomonatsverdienst in Höhe von ca. 2.500,00 €. Die Beklagte beschäftigt etwa 200 Arbeitnehmer.

Wegen diverser Pflichtverletzungen wurde der Kläger am 09.03., zweimal am 18.03. sowie am 19.03.2015 schriftlich und am 25.03.2015 mündlich abgemahnt. Eine weitere "5. Abmahnung" erhielt der Kläger mit Schreiben vom 23.10.2015. Darin wird ihm vorgeworfen, er sei an dem besagten Tag weder zur Schicht erschienen, noch habe er sich vor Schichtbeginn krank gemeldet. Wegen der weiteren Einzelheiten der Abmahnung vom 23.10.2015 wird auf Aktenblatt 60 Bezug genommen.

Am 04.11.2015 wurde der Kläger zu einem Personalgespräch in das Büro des Geschäftsführers der Beklagten gebeten. Dieser teilte dem Kläger im Beisein des Betriebsratsmitglieds H mit, es sei beabsichtigt, ihn, den Kläger, zu entlassen. Er wurde vor die Wahl gestellt, entweder eine verhaltensbedingte Kündigung zu erhalten oder eine Aufhebungsvereinbarung zu akzeptieren. Nach dem Gespräch hatte der Kläger Gelegenheit, sich mit dem Betriebsratsmitglied H zu beraten. Noch am gleichen Tag unterzeichnete er den vorbereiteten Aufhebungsvertrag, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2015 zum Inhalt hat. Wegen der weiteren Einzelheiten des Aufhebungsvertrags wird auf Aktenblatt 33 bis 34 Bezug genommen.

Mit Anwaltsschreiben vom 11.11.2015 erklärte der Kläger die Anfechtung des Aufhebungsvertrags wegen widerrechtlicher Drohung.

Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, in dem Gespräch am 04.11.2015 habe ihm der Geschäftsführer der Beklagten sinngemäß mitgeteilt, er habe die Entscheidung getroffen, das Arbeitsverhältnis mit ihm zu beenden. Zur Begründung habe er angegeben, er würde nicht immer die Anweisungen seiner Vorgesetzten befolgen. Solche Unstimmigkeiten dulde er nicht in seinem Betrieb. Außerdem sei er mit der Arbeitsleistung unzufrieden. Er sei sodann aufgefordert worden, einen bereits vorgefertigten Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen. Sonst werde er ihn rausschmeißen, was zwangsläufig eine Sperrfrist bei der Agentur für Arbeit auslöse. Danach sei er aufgefordert worden, das Büro des Geschäftsführers der Beklagten zu verlassen. Den Aufhebungsvertrag habe dieser dem Betriebsratsmitglied H ausgehändigt und diesen aufgefordert, den Vertrag im Pausenraum mit ihm, dem Kläger, zu erörtern. Der Zeuge H habe ihm geraten, den Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen, da er den Geschäftsführer der Beklagten kenne und daher wisse, dass dieser mit der Kündigung ernst mache und er, der Kläger, danach erhebliche Probleme mit der Agentur für Arbeit haben werde. Weiter habe der Zeuge ausgeführt, dass es bei Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags keine Probleme mit der Agentur für Arbeit geben werde, da als Beendigungstatbestand eine "betriebsbedingte Kündigung" genannt werde. Er sei vom Zeugen unter Hinweis darauf, dass es der Geschäftsführer der Beklagten nur gut mit ihm meine, zur Unterzeichnung gedrängt worden. Schließlich habe er unter dem Druck der drohenden Sperrfrist unterschrieben. Die Beklagte habe sich der Hilfe des Betriebsratsmitglied H bedient, um sein Vertrauen auf die Richtigkeit des Aufhebungsvertrages zu erschleichen. Sie habe sehr wohl gewusst, dass ein Kündigungsgrund gar nicht gegeben gewesen sei. Nach dem 23.10.2015 habe es kein weiteres Fehlverhalten gegeben. Der Aufhebungsvertrag sei bewusst so abgefasst worden, um ihn durch die Formulierung "betriebsbedingte Kündigung" in Sicherheit zu wiegen und ihm zu suggerieren, er werde keine Sperrfrist erhalten, obwohl die Beklagte durchaus gewusst habe, dass schon wegen der Abkürzung der Kündigungsfrist eine Sperrfrist eintreten werde. Der Aufhebungsvertrag enthalte an verschiedenen Stellen Formulierungen, die in krassem Widerspruch zu dem von der Beklagten behaupteten Beendigungstatbestand stünden. Die sich daraus ergebende Sittenwidrigkeit mache den Aufhebungsvertrag ohnehin nichtig. Nachdem dieser von der Beklagten vorformuliert worden sei, ...

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