Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit eines durch Einigungsstellenspruch zustande gekommenen Sozialplans. Befugnis eines Mitglieds der Einigungsstelle zur Anbringung eines Befangenheitsgesuchs

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nur die Betriebsparteien selbst, nicht jedoch ein anderes Mitglied der Einigungsstelle ist befugt, ein Befangenheitsgesuch gegen den Vorsitzenden anzubringen.

2. Die Grenze zur wirtschaftlichen Vertretbarkeit eines durch Einigungsstellenspruch zustande gekommenen Sozialplans ist regelmäßig überschritten, wenn die Erfüllung der Sozialplanverbindlichkeiten zu einer Illiquidität, zur bilanziellen Überschuldung oder einer nicht mehr vertretbaren Schmälerung des Eigenkapitals führen.

3. Wer den Sozialplan aus diesen Gründen anficht, muss die Überschreitung der Ermessensgrenzen dartun.

 

Normenkette

BetrVG § 76 Abs. 5 Sätze 3-4, § 112 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 Sätze 1, 2 Nr. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 20.06.2018; Aktenzeichen 1 BV 1/18)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 20.06.2018 - 1 BV 1/18 - abgeändert.

Der Antrag wird abgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines durch Einigungsstellenspruch zustande gekommenen Sozialplans.

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Automobilzulieferbranche. Sie gehört zum weltweit agierenden E-Konzern, in dem aktuell ca. 9.000 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Davon wurden ca. 640 Mitarbeiter (Stand: Januar 2018) für die Arbeitgeberin in ihrem Betrieb in Q tätig. Dort besteht der zu 2) beteiligte Betriebsrat.

Die Arbeitgeberin befindet sich seit langem in finanziellen Schwierigkeiten. Ihre Gesellschafterin bzw. andere Konzerngesellschaften fingen in den vergangenen Jahren liquiditätswirksame Verluste von mehr als 140 Millionen Euro auf. Der laufende Geschäftsbetrieb wurde bis zur Betriebsschließung am 30.04.2019 durch Zahlungen konzernangehöriger Unternehmen aufgrund von diesen erteilter schriftlicher Liquiditätszusagen sichergestellt.

Eine Liquiditätszusage vom 22.02.2017 über einen Höchstbetrag von 20 Millionen Euro für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 31.12.2018 wurde "für eine insolvenzvermeidende Sanierung" erteilt. Nr. 3 Satz 4 und 5 der Zusage lauten:

"Der vorgenannte Höchstbetrag stellt den voraussichtlichen Liquiditätsbedarf der Gesellschaft bis zum 31. Dezember 2018 dar. Er umfasst insbesondere aber ohne Einschränkung eine etwaig benötigte Liquidität für Leistungen unter einem noch mit dem Betriebsrat der Gesellschaft zu verhandelnden Sozialplan, einschließlich aus diesem Höchstbetrag an einzelne Mitarbeiter zu zahlende Abfindungen."

Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Zusage wird verwiesen auf die mit Antragsschriftsatz vom 18.01.2018 eingereichte Kopie (Bl. 74 ff. d. A.).

Am 23.04.2018 wurde u.a. der Arbeitgeberin "mit dem Ziel der Insolvenzvermeidung" eine weitere bis zum 30.06.2018 reichende Liquiditätszusage bis zu einem Höchstbetrag von 5 Millionen Euro erteilt, wobei etwaige Sozialpläne davon nicht erfasst seien sollten.

Schließlich kam es am 16.10.2018 konzernintern zur Abgabe einer dritten an die Arbeitgeberin gerichteten Liquiditätszusage "mit dem Ziel der Ermöglichung einer insolvenzvermeidenden Betriebsstilllegung". Sie erstreckte sich unter Berücksichtigung der mit der Liquiditätszusage vom 22.02.2017 gewährten 20 Millionen Euro auf einen neuen kumulierten Höchstbetrag von 50 Millionen Euro, um den Liquiditätsbedarf der Arbeitgeberin für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 31.12.2019 zu decken. Davon ausgenommen wurden "wie auch immer geartete Zahlungsansprüche aus einem Sozialplan".

Hinsichtlich des weiteren Inhalts der zwei zuletzt genannten Liquiditätszusagen wird verwiesen auf die mit arbeitgeberseitigem Schriftsatz vom 01.08.2019 eingereichten Kopien (Bl. 666 ff. d. A.).

Vor dem Hintergrund der schlechten finanziellen Situation traf die Arbeitgeberin in einem ersten Schritt die unternehmerische Entscheidung, die Arbeitsverhältnisse mit 227 Stammkräften zu beenden. Darüber unterrichtete sie den Betriebsrat am 27.03.2017. Die in der Folgezeit zwischen den Betriebspartnern geführten Gespräche blieben ergebnislos, so dass die Arbeitgeberin am 15.05.2017 die Verhandlungen für gescheitert erklärte.

Auf ihren Antrag wurde durch einen arbeitsgerichtlichen Beschluss vom 02.06.2017 eine Einigungsstelle "zwecks Abschlusses eines Interessensausgleichs und Sozialplans" eingerichtet.

In deren dritter Sitzung am 27.07.2017 kam es zum Scheitern der Verhandlungen über einen Interessenausgleich.

Anschließend sprach die Arbeitgeberin, beginnend im August 2017, zahlreichen Arbeitnehmern betriebsbedingte Kündigungen aus mit dem Ziel, den Personalbestand, wie geplant, zu reduzieren. Mit 72 davon betroffenen Mitarbeitern schloss sie im Januar 2018 Abfindungsvergleiche - und mit weiteren Beschäftigten im Februar 2018.

In der Einigungsstelle wurden in zwei weiteren Sitzungen am 16.11.2017 und 19./20.12.2017 Verhandlungen über d...

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