Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattung Freistellung des Betriebsrats von Anwaltskosten Erforderlichkeitordnungsgemäße Betriebsratsbeschlüsse Interessenkollision bei persönlicher Selbstbetroffenheit

 

Leitsatz (amtlich)

Ein von einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung betroffenes Betriebsratsmitglied ist nicht dann wegen Interessenkollision verhindert, an einer Betriebsratssitzung beratend und abstimmend teilzunehmen, wenn der Betriebsrat gegen die einseitige Einstellung eines Mitarbeiters nach den §§ 99, 101 BetrVG vorgehen will, der das Betriebsratsmitglied wegen der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung ersetzen soll.

Ebenso wenig liegt eine Verhinderung vor, wenn der Betriebsrat seine Freistellung von Anwaltskosten und deren Durchsetzung beschließt, die durch die ohne Mitbestimmung des Betriebsrats durchgeführte Einstellung eines Mitarbeiters entstanden sind, der als Ersatz für das noch zu kündigende Betriebsratsmitglied vorgesehen ist. Soweit vom Betriebsrat kollektivrechtliche Interessen durchgesetzt werden sollen, reicht eine bloße mittelbare Betroffenheit eines Betriebsratsmitglieds nicht aus, um dessen Verhinderung anzunehmen.

 

Normenkette

BetrVG § 25 Abs. 1 S. 2, § 26 Abs. 2, §§ 33, 40 Abs. 1, § 99 Abs. 1; ZPO § 81

 

Verfahrensgang

ArbG Paderborn (Beschluss vom 21.07.2005; Aktenzeichen 1 (2) BV 14/05)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 21.07.2005 – 1 (2) BV 14/05 – abgeändert.

Die Arbeitgeberin wird verpflichtet, den Betriebsrat von den Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.400,58 EUR gemäß Kostenrechnungen des Rechtsanwalts H4xx-U1xxxx K2xxxxx, P1xxxxxxx, vom 24.01.2005 freizustellen

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Betriebsrats auf Freistellung von Rechtsanwaltskosten aus zwei arbeitsgerichtlichen Verfahren.

Die Arbeitgeberin betreibt ein Bauunternehmen.

Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist der bei der Arbeitgeberin gewählte fünfköpfige Betriebsrat. Betriebsratsvorsitzender war der Diplom-Ingenieur U1xxxx M1xxx, der bei der Arbeitgeberin als Bauleiter tätig war.

Wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten durch den Bauleiter M1xxx beabsichtigte die Arbeitgeberin, das Arbeitsverhältnis mit Herrn M1xxx außerordentlich zu kündigen. Zu dieser außerordentlichen Kündigung erteilte der Betriebsrat keine Zustimmung. Die Arbeitgeberin leitete daraufhin beim Arbeitsgericht ein Zustimmungsersetzungsverfahren ein – 3 BV 29/04 Arbeitsgericht Paderborn –.

Bereits am 20.09.2004 stellte die Arbeitgeberin im Vorgriff auf die beabsichtigte Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Herrn M1xxx als Ersatz für diesen einen neuen Mitarbeiter, den Diplom-Ingenieur W1xxxxxxxxx ein, ohne zuvor den Betriebsrat anzuhören und dessen Zustimmung einzuholen. Mit Schreiben vom 11.10.2004 (Bl. 10 d.A. 1 (2) BV 50/04 Arbeitsgericht Paderborn) forderte der Betriebsrat die Arbeitgeberin auf, die Einstellung des neuen Bauleiters, Herrn W1xxxxxxxxx, rückgängig zu machen.

Daraufhin unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat mit Schreiben vom 19.10.2004 (Bl. 5 d.A. 1 BV 45/04 Arbeitsgericht Paderborn) über die Neueinstellung des Bauleiters W1xxxxxxxxx und bat um Zustimmung. Mit Schreiben vom 21.10.2004 (Bl. 6 d.A. 1 BV 45/04 Arbeitsgericht Paderborn) teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin mit, dass der Betriebsrat auf seiner Betriebsratssitzung vom 21.10.2004 die Zustimmung zur Einstellung eines neuen Bauleiters verweigert habe. Gleichzeitig forderte er die Arbeitgeberin erneut auf, die Neueinstellung rückgängig zu machen.

Die Arbeitgeberin leitete daraufhin am 26.10.2004 beim Arbeitsgericht ein Beschlussverfahren ein, mit der die Ersetzung der Zustimmung zu der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Einstellung des Mitarbeiters W1xxxxxxxxx sowie die Feststellung, dass dessen vorläufige Einstellung aus sachlichen Gründen gerechtfertigt war, geltend gemacht wurde – 1 BV 45/04 Arbeitsgericht Paderborn –.

Mit Schreiben vom 29.10.2004 (Bl. 4 d.A. 1 (2) BV 50/04 Arbeitsgericht Paderborn) teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin mit, dass der Betriebsrat am 03.11.2004 außerhalb des Firmengeländes eine Betriebsratssitzung durchführe. Zu dieser Sitzung lud der Betriebsratsvorsitzende, Herr M1xxx, mit Schreiben vom 29.10.2004 (Bl. 5 d.A. 1 (2) BV 50/04 Arbeitsgericht Paderborn) unter Mitteilung folgender Tagesordnungspunkte ein:

„….

  1. Protokoll der letzten Sitzung
  2. Diskussion über das Schreiben der Firmenleitung vom 19.10.2004.

    Betr. Nachträgliche Zustimmung zur Personellen Einzelmaßnahme, der Einstellung des Herrn S7xxxx W1xxxxxxxxx.

  3. Beschlussfassung über den Antrag der Firmenleitung vom 19.10.2004.
  4. Einleitung eines Beschlussverfahrens wegen Verstoßes § 99,100 BetrVG.
  5. Verschiedenes

…”

Auf der Betriebsratssitzung vom 03.11.2004, an der sämtliche gewählten fünf Betriebsratsmitglieder, unter ihnen der Betriebsratsvorsitzende M1xxx, teilnahmen (vgl. Anwesenheitsliste Bl. 6 d.A. 1 (2) BV 50/04 A...

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