Entscheidungsstichwort (Thema)

Anhörung des Betriebsrats zur Änderungskündigung gegenüber einem U-Bahn-Nachtreiniger. Unwirksame personenbedingte Kündigung wegen eines kundenseitig ausgesprochenen Hausverbotes bei rechtskräftig festgestellter Unwirksamkeit einer auf das zugrundeliegende Fehlverhalten gestützten verhaltensbedingten Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Beabsichtigt der Arbeitgeber eine Änderungskündigung, so hat er dem Betriebsrat sowohl die Gründe für die Änderung der Arbeitsbedingungen als auch das Änderungsangebot mitzuteilen. Sollen nicht nur Zeit und Ort der Tätigkeit, sondern auch die Eingruppierung geändert werden sollen, reicht es nicht aus, wenn der Arbeitsgeber den Betriebsrat ausschließlich über die Gründe für die Änderung der Tätigkeit informiert und eine zusätzliche Anhörung zur geänderten Eingruppierung lediglich angekündigt.

2. Spricht ein Mitarbeiter eines Kunden ein Hausverbot gegen einen Arbeitnehmer wegen eines angeblichen Fehlverhaltens aus, nachdem eine auf dieses Verhalten bezogene verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitgebers durch das Arbeitsgericht rechtskräftig für unwirksam erklärt wurde, liegt kein personenbedingter Grund vor, auf den der Arbeitgeber sich zur Begründung einer Änderungskündigung mit dem Ziel der Änderung des Arbeitsortes stützen kann. Mit der Berufung auf das - nicht von der Unternehmensleitung bestätigte und damit unverbindliche - Einsatz- und Hausverbot bei dem Kunden setzt sich der Arbeitgeber in Widerspruch zu seiner Entscheidung, das Urteil des Arbeitsgerichts im Kündigungsschutzprozess nicht durch die Berufungsinstanz überprüfen zu lassen.

 

Normenkette

BetrVG § 102 Abs. 1; KSchG §§ 2, 1 Abs. 2; BetrVG § 102 Abs. 1 Sätze 1, 3; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 1; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 2; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 05.04.2016; Aktenzeichen 14 Ca 368/15)

 

Tenor

Das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 05.04.2016 (14 Ca 368/15) wird abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der hilfsweisen Änderungskündigung der Beklagten vom 29.07.2015 rechtsunwirksam ist.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Änderungskündigung, mit welcher die Beklagte sowohl den Einsatzort als auch die Vergütung des Klägers verändern möchte.

Der am ...1964 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem 04.08.1991 auf der Grundlage eines "Einstellungsvertrags" vom gleichen Tag (Anl. K1, Bl. 6 - 10 d.A.) als U-Bahn-Nachtreiniger mit einem durchschnittlichen monatlichen Bruttoeinkommen von € 2.450,- bei der Beklagten beschäftigt. Am Ende der ersten Seite erhält der Vertrag folgende Regelung:

"Art und Ort der Beschäftigung behalten wir uns vor, da beides von der jeweiligen Bedarfslage abhängig ist. Es besteht grundsätzlich kein Anspruch auf einen bestimmten Arbeitsplatz."

Im weiteren Verlauf des Arbeitsvertrags wird auf die Tarifverträge zwischen der Beklagten und der ÖTV Bezug genommen. Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der H. AG und beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer i.S.v. § 23 I 4 KSchG. Es besteht ein Betriebsrat.

Am 30.05.2015 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Sie warf dem Kläger vor, während seines Nachtdienstes am 21.05.2015 an der U-Bahn-Haltestelle G. einen Mitarbeiter der H.-AG, welcher die Reinigungsarbeiten beaufsichtigte, bedroht zu haben. Im Verfahren 14 Ca 95/14 stellte das Arbeitsgericht am 08.07.2015 die Unwirksamkeit dieser Kündigung fest. In seinen Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht den als Zeugen vernommenen Mitarbeiter der H.-AG mit ausführlicher Begründung als nicht glaubwürdig bewertet.

Auch auf der Grundlage der Vernehmung weiterer Zeugen sah sich das Arbeitsgericht nicht in der Lage, die von der Beklagten behauptete Bedrohung des Mitarbeiters der H. durch den Kläger festzustellen. Die Beklagte hat gegen dieses Urteil keine Berufung eingelegt.

Mit Schreiben an die Beklagte vom 23.07.2015 (Anl. B5, Bl. 61f d.A.) untersagte die H. AG der Beklagten den Einsatz des Klägers im Rahmen der Beauftragung der Beklagten durch die H. AG und sprach gegenüber dem Kläger ein Hausverbot aus, mit dem sie ihm das Betreten der von ihr betriebenen Anlagen und Fahrzeuge im Rahmen der Beauftragung der Beklagten untersagte. Als Grund für das Hausverbot berief sich die H. AG auf ihre Fürsorgepflicht gegenüber ihrem Mitarbeiter, der ihr glaubhaft und nachvollziehbar eine Bedrohung durch den Kläger geschildert habe, so dass mit einem tätlichen Angriff des Klägers auf diesen oder andere Mitarbeiter der H. zu rechnen sei, von denen sich der Kläger ungerecht behandelt fühle.

Mit Datum vom 23.07.2015 (Anl. B6, Bl. 63-66 d.A.) unterrichte die Beklagte ihren Betriebsrat über eine beabsichtigte Versetzung des Klägers als Reinigungskraft in die Unternehmenszentrale, W.-Straße, mit Arbeitszeiten von Montag...

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