Entscheidungsstichwort (Thema)

Betroffenheit aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bei Verfallklausel ohne sachliche Beschränkung. Positive AGB-Kontrolle bei Verfallklauseln von Mindesturlaubsansprüchen. Keine Geltung von Verfallklauseln für Mindestlohn

 

Leitsatz (amtlich)

1. Urlaubsabgeltungsansprüche unterliegen tarif- oder einzelvertraglichen Ausschlussfristen auch dann, wenn die zugrundeliegenden Urlaubsansprüche - etwa aufgrund unzureichender Aufklärung durch den Arbeitgeber - urlaubsrechtlich nicht verfallen konnten.

2. Zur Wirksamkeit einer im Jahre 2013 vereinbarten einzelvertraglichen Ausschlussfrist für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die lediglich Ansprüche aus unerlaubter Handlung von ihrem Anwendungsbereich ausnimmt.

 

Normenkette

BGB § 202 Abs. 1, § 276 Abs. 3, §§ 309-310; BUrlG § 7 Abs. 3; RL 2003/88/EG Art. 7; MiLoG § 3 S. 1; BGB § 305 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 23.07.2019; Aktenzeichen 16 Ca 887/19)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 09.03.2021; Aktenzeichen 9 AZR 323/20)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 23.07.2019 - 16 Ca 887/19 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Abgeltung von Urlaubsansprüchen aus dem Jahr 2017.

Der Kläger war vom 01.12.2011 bis zum 31.10.2017 bei dem beklagten Logistikunternehmen als Niederlassungsleiter zu einem Bruttomonatsgehalt iHv zuletzt 5.900,-- EUR beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund außerordentlicher Kündigung des Klägers.

Dem Arbeitsverhältnis lag der Arbeitsvertrag vom 14.11.2013 (Bl. 13 ff. GA) zugrunde. Gemäß § 6 des Vertrages standen dem Kläger neben dem gesetzlichen Urlaub von 20 Arbeitstagen im Kalenderjahr weitere 10 Arbeitstage "vertraglicher" Urlaub zu. Weiter heißt es in dem Vertrag:

"§ 12 Verfall-/Ausschlussfristen

Die Vertragsparteien müssen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend machen und im Fall der Ablehnung durch die Gegenseite innerhalb von weiteren drei Monaten einklagen.

Andernfalls erlöschen sie. Für Ansprüche aus unerlaubter Handlung verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung."

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.10.2017 standen dem Kläger noch 25 nicht genommene Urlaubstage aus dem Jahr 2017 zu. Diese waren in seiner Gehaltsabrechnung nicht ausgewiesen. Mit Schreiben vom 21.12.2018 forderte der Kläger die Beklagte zur Abgeltung des Anspruchs auf (Bl. 190-193 GA). Mit Schreiben vom 02.01.2019 wies die Beklagte die Ansprüche als verfallen zurück (Bl. 19 f. GA).

Mit seiner am 18.02.2019 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen Klage verlangt der Kläger die Abgeltung des Urlaubs aus 2017 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 6.807,69 €. Er hat gemeint, der Anspruch sei nicht verfallen. Die Verfallklausel sei aus mehreren Gründen unwirksam. So nehme sie weder Ansprüche aus Haftung wegen Vorsatzes (§ 202 BGB) noch Ansprüche aus Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit (§ 309 Nr. 7 lit. a BGB) von ihrer Geltung aus. Die Herausnahme deliktischer Ansprüche genüge insoweit nicht. Ferner umfasse die Klausel unverzichtbare Ansprüche auf Mindestlohn. Schließlich unterlägen Urlaubsansprüche nicht arbeitsvertraglichen Verfallfristen; dies müsse nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch für Ansprüche auf Urlaubsabgeltung gelten, insbesondere wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt hatte, den Urlaub zu nehmen.

Die Beklagte hat sich demgegenüber auf den Verfall der Ansprüche gemäß § 12 des Arbeitsvertrages berufen und die Auffassung vertreten, die Klausel sei wirksam.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 23.07.2019, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch sei gemäß § 12 des Arbeitsvertrags verfallen. Die Verfallklausel sei nicht wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 7 lit. a BGB unwirksam, da dem eine angemessene Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 Hs. 1 BGB entgegenstünde. Auch sei die Klausel nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 u. 2 BGB deshalb intransparent, weil sie - insoweit unwirksam - Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn umfasse; dies sei bei einem sog. Altvertrag aus der Zeit vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes im Jahre 2014 hinzunehmen. Schließlich stehe einem Verfall von Urlaubsabgeltungsansprüchen nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des EuGH im laufenden Arbeitsverhältnis Urlaubsansprüche idR nicht verloren gehen, wenn der Arbeitnehmer nicht zuvor durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, den Urlaub zu nehmen. Anderenfalls ließe sich der Zweck von Verfallklauseln, Rechtsfrieden zu schaffen, nicht verwirklichen.

Gegen das am 09.08.2019 zugestellte Urte...

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