Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an den Zugang der schriftlichen Kündigungserklärung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine schriftliche Kündigungserklärung geht dem Arbeitnehmer nicht zu, wenn ihm die einzige Ausfertigung des Schriftstücks lediglich kurz zur Empfangsquittierung und anschließender Rückgabe an den Arbeitgeber angereicht wird.

 

Normenkette

BGB § 130 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mönchengladbach (Entscheidung vom 25.01.2018; Aktenzeichen 5 Ca 1998/17)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 25.01.2018 - Az. 5 Ca 1998/17 - abgeändert. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 31.07.2017 nicht aufgelöst ist.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
  3. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer schriftlichen Kündigung, deren Zugang streitig ist.

Der 31 Jahre alte Kläger war seit dem 01.05.2016 bei der Beklagten als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Sein monatliches Bruttogehalt betrug 3.400,00 €. Wegen der weiteren Arbeitsbedingungen wird auf den Anstellungsvertrag der Parteien vom 29.03.2016 (Blatt 6 ff. der Akte) Bezug genommen. Die Beklagte produziert und vertreibt industrielle Kühlartikel, insbesondere an Tankstellen und Gastronomiebetriebe.

Am 31.07.2017 - der Kläger war an diesem Tage arbeitsunfähig erkrankt - kam es zu einer Besprechung zwischen ihm und dem Geschäftsführer C. im Betrieb der Beklagten, in dessen Verlauf der Geschäftsführer dem Kläger mitteilte, er müsse ihm kündigen. Daraufhin zeigte der Geschäftsführer dem Kläger ein von ihm bereits unterzeichnetes Kündigungsschreiben und bat ihn, dieses als "zur Kenntnis genommen" zu quittieren. In der Folge reichte der Geschäftsführer dem Kläger das Schreiben unter im Einzelnen streitigen Umständen an; der Kläger unterzeichnete es mit dem handschriftlichen Zusatz "u.V." und reichte es wie gewünscht an den Geschäftsführer zurück. Der Kläger erhielt im Nachhinein lediglich eine nicht unterschriebene Kopie des Kündigungsschreibens.

Am 04.08.2017 schrieb der Kläger eine E-Mail an die Beklagte mit einem Anhang, in dem er mitteilte, dass die Kündigung "zur Kenntnis genommen wurde". Darin erklärte der Kläger, dass sich aufgrund seiner vorherigen Arbeitsunfähigkeit das Ende der Kündigungsfrist verschieben müsse. Am 23.08.2017 kontaktierte der Kläger die Beklagte per E-Mail und am 25.08.2017 telefonisch. Am 30.08.2017 schickte der Kläger erneut eine E-Mail mit dem Anhang, dass er "die Kündigung nicht akzeptiert".

Mit der vorliegenden, am 01.09.2017 zur Niederschrift der Rechtsantragsstelle beim Arbeitsgericht erhobenen Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Kündigung der Beklagten vom 31.07.2017 sei gemäß § 623 BGB unwirksam und daher nicht geeignet, das Arbeitsverhältnis der Parteien aufzulösen. Er hat zu den Geschehnissen am 31.07.2017 vorgetragen, der Geschäftsführer habe das Kündigungsschreiben zu keinem Zeitpunkt aus der Hand gegeben. Der Kläger selbst habe nie die Kontrolle über das Schriftstück erhalten. Er habe die Kündigung nur mit dem Hinweis "unter Vorbehalt" unterschrieben, um den fehlenden Zugang zu belegen. Er habe nicht genug Zeit gehabt, um die Kündigung zu lesen. Er hat überdies gemeint, die bloße Kenntnisnahme des Inhalts des Kündigungsschreibens reiche für dessen Zugang nicht aus, da ansonsten auch dessen Vorlesen genüge, um einen Zugang zu bewirken. Jedenfalls sei die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, da er bis zum 04.08.2017 arbeitsunfähig gewesen sei und danach seinen Jahresurlaub genommen habe. Er habe gedacht, dass ein Widerspruch die Klagefrist hemme.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 31.07.2017 nicht am 31.08.2017 enden wird,
  2. die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, die streitgegenständliche Kündigung gelte als wirksam, weil der Kläger die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG versäumt habe. Der Zugang des Kündigungsschreibens sei am 31.07.2017 bewirkt worden. Dazu hat sie behauptet, der Geschäftsführer C. habe die Kündigung für ein paar Momente aus der Hand gegeben und dadurch dem Kläger die alleinige Herrschaftsgewalt überlassen. Den bewirkten Zugang habe - so die Auffassung der Beklagten - der Kläger durch seine Unterzeichnung des Kündigungsschreibens auch tatsächlich anerkannt. An der dadurch eintretenden Beweislastumkehr ändere nichts, dass der Kläger nur "unter Vorbehalt" unterschrieben habe.

Das Arbeitsgericht hat eine Beweisaufnahme durch Vernehmung beider Parteien durchgeführt und die Klage sodann mit Urteil vom 25.01.2018 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei unbegründet, weil die streitgegenständliche Kündigung wirksam sei. Der Kläger habe die Kündigungsschutzklage erst nach Ablauf der Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG erhoben, denn die Kündi...

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