Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Änderungskündigung zum Zwecke der Kostensenkung in einer Betriebsabteilung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Durch den Abschluß einer Betriebsvereinbarung zur „Reorganisation” einer Betriebsabteilung ist das dringende betriebliche Erfordernis für den Ausspruch von Änderungskündigungen nicht bindend festgelegt.

2. Allein das dringende Bedürfnis, eine unselbständige Betriebsabteilung wegen hoher Kostenbelastung zu sanieren, begründet noch kein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Änderungskündigung zum Zwecke der Lohn- und Gehaltssenkung, denn entscheidend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des gesamten Betriebes. Dies gilt auch dann, wenn durch Änderungskündigungen die Auslagerung auf ein Drittunternehmen verhindert werden soll.

 

Normenkette

KSchG §§ 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 24.01.1997; Aktenzeichen 36 Ca 28236/96)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.11.1998; Aktenzeichen 2 AZR 91/98)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. Januar 1997 – 36 Ca 28236/93 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung, die die Beklagte auf dringende betriebliche Erfordernisse stützt.

Der am 16. November 1951 geborene Kläger war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 7. August 1978 als Schriftsetzer beschäftigt. Er war in der Kostenstelle Anzeigensatz und zumindest manchmal auch in der Kostenstelle Korrektorat/Montage tätig. Der Kläger erhielt zuletzt einen Stundenlohn in Höhe von 27,08 DM brutto zuzüglich einer Zulage in Höhe von 2,38 DM brutto. Daneben erhielt der Kläger auf der Grundlage der bei der Beklagten geltenden Betriebsvereinbarungen Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit sowie auf der Grundlage eines Firmentarifvertrages vom 22./28. Oktober 1993 (FTV-Bl. 132 bis 134 d.A.) ein Urlaubsgeld und eine Jahresleistung. Gemäß § 2 FTV sind die Gehälter und Löhne jeweils mit dem 1. Juli eines Jahres um 2 % anzuheben; die Vergütungserhöhung entfällt, wenn das Entgelt höher als das Entgelt einer als Bezugsgröße bestimmten tariflichen Regelung ist.

Im März 1995 unterbreitete die Firma … GmbH der Beklagten ein Angebot, zukünftig den Anzeigensatz einschließlich des Korrektorats und der Montage wahrzunehmen. Auf Initiative des Betriebsrates nahm die Geschäftsleitung der Beklagten von einer Auslagerung des Anzeigensatzes Abstand. In diesem Zusammenhang schloß die Beklagte mit dem Betriebsrat am 14. Mai 1996 eine Betriebsvereinbarung „Reorganisation Anzeigensatz” (Bl. 17 bis 33 d.A.) ab. Die Bereiche Anzeigensatz und Korrektorat/Montage wurden danach zu einem Bereich zusammengefaßt. Die Beklagte verpflichtete sich gegenüber dem Betriebsrat, den hauseigenen Anzeigensatz unter bestimmten Voraussetzungen für fünf Jahre zu erhalten und Investitionen vorzunehmen. Die Betriebsvereinbarung sah ferner einen Abbau von Arbeitsplätzen und eine Änderung der Arbeitsbedingungen der im Anzeigensatz weiterhin tätigen Arbeitnehmer vor. Hierzu wurden unter anderem folgende Vereinbarungen getroffen:

„…

2.

Im Bereich Anzeigensatz – heute Kostenstelle 3000 – sind zur Zeit 20 statistische Vollzeit-Arbeitnehmer/innen beschäftigt, wobei die Positionen der PrePress-Leitung und der Sekretärin nicht mitberücksichtigt sind (vgl. Anlage 1).

Sechs Arbeitsplätze in der Abteilung Anzeigensatz entfallen betriebsbedingt spätestens zum 31. Dezember 1996 (vgl. Anlage 3).

3.

Der Verlag verpflichtet sich gegenüber dem Betriebsrat, für den Satz des Tagesspiegels in den nächsten fünf Jahren – beginnend mit dem 1. Juli 1996 – einen reorganisierten hauseigenen Anzeigensatz inklusive Anzeigenkorrektorat zu erhalten, soweit dieser im wesentlichen zu marktüblichen Konditionen arbeitet. Die Differenz zwischen den Gesamtkosten des hauseigenen Anzeigensatzes inklusive Anzeigenkorrektorat und dem Basismarktpreis von DM 1,7 Mio., der mit jährlich 2,1 % zu inflationieren ist, darf nach Abschluß der Reorganisation im Geschäftsjahr 2000 nicht mehr als 10 % betragen, wobei nachweisbar anfallende Gemeinkosten in einer Kostenvergleichsrechnung auch dem Fremdanbieter zuzuordnen sind; dagegen laufen entgangene Mieteinnahmen. Im Geschäftsjahr 1997 darf die Differenz eine Obergrenze von 40 %, 1998 von 30 % und 1999 von 20 % nicht überschreiten.

Die Beteiligten stimmen überein, daß die vorgenannte Verpflichtung für den Anzeigensatz inklusive Anzeigenkorrektorat in den nächsten fünf Jahren die Erhaltung von 12 Vollzeitstellen inklusive Abteilungsleitung, Anzeigenkorrektorinnen/-korrektoren und Reproarbeitnehmerinnen – und arbeitnehmern betrifft; dies allerdings nur unter der Voraussetzung, daß ein entsprechendes Satzvolumen zur Beschäftigung am Markt akquiriert werden kann. Dem Betriebsrat werden halbjährlich statistische Unterlagen über das akquirierte Satzvolumen vorgelegt.

Entsteht bis 1. Januar 2000 eine Differenz zwischen Ist-Beschäftigtenzahl und Zielwert, so bezie...

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