Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegungs- und Beweislast im arbeitsgerichtlichen Verfahren um Vergütung von Arbeitsleistungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verlangt eine klagende Partei Arbeitsvergütung für Arbeitsleistungen, hat sie darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass sie Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt. Die klagende Partei genügt ihrer Darlegungslast, indem sie vorträgt, sie habe sich zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgehalten, um Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers zu befolgen.

2. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern. Deshalb hat er im Einzelnen vorzutragen, welche Arbeiten er zugewiesen hat und ob die klagende Partei den Weisungen nachgekommen ist. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden als zugestanden (vgl. BAG 18. April 2012 - 5 AZR 248/11, Rn. 14).

3. Werden in einem Taxi sog. Verfügungszeiten, dh Zeiten von der Übernahme des Fahrzeugs bis zur Abgabe, technisch erfasst, ist es danach zunächst ausreichend, wenn seitens der klagenden Partei diese Zeiten angegeben werden.

4. Die Anforderungen an die Vortragslast des Arbeitgebers richten sich nach der im jeweiligen Streitfall zu verrichtenden Tätigkeit und den konkreten betrieblichen Abläufen.

a) Werden einem Kraftfahrer konkrete Touren vorgegeben, ist es Sache des Arbeitgebers, unter Auswertung der Aufzeichnungen nach § 21a Abs. 7 Satz 1 ArbZG substantiiert darzulegen, an welchen Tagen das Belegschaftsmitglied aus welchen Gründen in geringerem zeitlichen Umfang als von ihm behauptet gearbeitet haben muss (vgl. BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11, Rn. 28; bestätigt durch BAG 21. Dezember 2016 - 5 AZR 362/16, Rn. 23).

b) Gleiches gilt bei einem Taxiunternehmen, welches dem Taxifahrer konkrete Fahrten vorgibt oder das angesichts auswertbarer technischer Aufzeichnungen in der Lage ist, die Tätigkeit der klagenden Partei nachzuvollziehen.

Es ist zu berücksichtigen, dass sich die Kontrolle der Einhaltung der Arbeitszeit bei Taxifahrern wie bei Außendienstmitarbeitern allgemein komplizierter gestaltet.

c) Ein Taxiunternehmen, das sich selbst der Möglichkeit begibt, anhand korrekter (ggf. technischer) Aufzeichnungen im Prozess auf das Vorbringen der klagenden Partei substantiiert zu erwidern, trägt die Last der nicht vorhandenen Möglichkeit, substantiiert zu bestreiten.

d) Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitgeber Weisungen zur Nutzung technischer Aufzeichnungen erteilt, die angesichts ihrer Unbilligkeit nicht befolgt werden müssen, hier die Betätigung einer sog. Totmannstaste innerhalb von 10 Sekunden nach einem alle drei Minuten ertönenden und aufscheinenden Signal.

5. Das gilt selbst dann, wenn die klagende Partei eine Zusammenfassung schriftlich als richtig bestätigt, die anhand einer Auswertung der technischen Aufzeichnungen erstellt worden ist, die Aufzeichnungen für den auswertenden Arbeitgeber aber erkennbar offensichtlich fehlerhaft sind [hier: Standzeiten von nur wenigen Minuten am Tag bei Verfügungszeiten von zT über elf Stunden sowie Pausen und Arbeitszeiten die oft gleichauf liegen, wissend, dass die Arbeitszeiten eines Taxifahrers in erheblichen Umfang aus den für den Taxifahrerberuf typischen Standzeiten bestehen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 7. Februar 2014 - 2 Sa 25/14, Rn. 30) nicht aber aus Pausen iSd. § 4 ArBZG)].

 

Normenkette

GewO § 106; BGB § 315; BDSG 1990 § 32; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 10.08.2017; Aktenzeichen 41 Ca 12115/16)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10. August 2017 - 41 Ca 12115/16 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger in der Zeit von Januar 2015 bis April 2016 den Mindestlohn gezahlt hat.

Der Kläger war von August 2004 jedenfalls bis April 2016 bei der Beklagten, einem Taxiunternehmer aus Berlin, als Taxifahrer beschäftigt. Bis Ende 2014 war der Kläger auf Basis einer Umsatzprovision bei 48 Wochenstunden für die Beklagte tätig. Im Hinblick auf die Einführung des Mindestlohns vereinbarten die Parteien für die Zeit ab dem 1. Januar 2015 ua. Folgendes:

"§ 2 Arbeitszeit/...

(1) Die Lage der täglichen Arbeitszeit und der Pausen richten sich nach den betrieblichen Gepflogenheiten. Die Arbeitszeit umfasst regelmäßig 6 Tage in der Woche laut BAG. ... Es herrscht Direktionsrecht.

§ 3 Vergütung/...

(2) Für seine Tätigkeit erhält der Arbeitnehmer eine Stundenvergütung. Diese beträgt grundsätzlich mindestens 8,50 Euro brutto pro gearbeitete Stunde...

(2) Beispiel Lohnberechnung...

6 Tage a 8 Stunden x 8,50 Euro - 408 Euro brutto.

21 Arbeitstage x 8,00 St. x 8,50 Euro - 1.420 Euro brutto. Bei diesem Beispiel liegt die dazu eingefahrene Einfahrsumme bei 3.396,00 Euro ...

(3) Die Vergütung wird jeweils bis zum ...

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