Entscheidungsstichwort (Thema)

Bloße Funktions- und Auftragsnachfolge kein Betriebsübergang. Unschädlichkeit der Unterbrechung von drei Tagen im Arbeitsverhältnis für Betriebsübergang

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem Betriebs(teil)übergang ist nach dem Schutzzweck des § 613a BGB die beim Veräußerunternehmen verbrachte Beschäftigungszeit auch dann auf die Beschäftigungszeit beim Erwerberunternehmen anzurechnen, wenn das Veräußererunternehmen das Arbeitsverhältnis wirksam gekündigt hatte und mit dem Erwerberunternehmen in neues Arbeitsverhältnis mit nur einer kurzen Unterbrechung und unter Beibehaltung der bisherigen Tätigkeit begründet worden ist.

2. Dies gilt sowohl für die Dauer der Kündigungsfrist und die Wirksamkeit der Vereinbarung einer Probezeit als auch für die Dauer des Urlaubs.

 

Normenkette

BGB §§ 613a, 622 Abs. 2-3; BUrlG § 5 Abs. 1; BGB § 615 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Cottbus (Entscheidung vom 15.08.2019; Aktenzeichen 6 Ca 590/18)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 15. August 2019 - 6 Ca 590/18 - wird, soweit es durch die teilweise Rücknahme des Zinsanspruchs nicht wirkungslos geworden ist, zurückgewiesen.

Zur Klarstellung wird der Tenor 2. des Urteils des Arbeitsgerichts Cottbus vom 15. August 2019 - 6 Ca 590/18 - wie folgt neu gefasst:

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.625,00 Euro brutto Arbeitsvergütung für Juni 2018 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten auf 687,50 Euro seit dem 1. Juli 2018 und auf 937,50 Euro seit dem 15. August 2019 zu zahlen.

II. Die Kosten der I. Instanz haben die Klägerin zu 13,54 % und der Beklagte zu 86,46 % zu tragen. Die Kosten der Berufung hat der Beklagte zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über den Zeitpunkt der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses, ferner über Ansprüche auf Vergütung für die Zeit vom 14. bis zum 30. Juni 2018 und Vergütung von Überstunden im Mai 2018 sowie Urlaubsabgeltung.

Die Klägerin war seit dem 1. April 2015 bei der sr-c. GmbH beschäftigt und als Verkäuferin in einem Ladengeschäft für Waren der Firma C. Beteiligungsgesellschaft zur Förderung des Beratungshandels mbH & Co KG (im Folgenden: Firma C.) im A 10-Center in Wildau, dem größten Einkaufszentrum in Brandenburg, tätig. Die Entfernung des Einkaufzentrums nach Polen beträgt etwas mehr als 70 km. Die Klägerin spricht fließend Polnisch.

Die Firma C. vertreibt unter ihrem "Marken-Logo" über sogenannte Geschäftsbesorger*innen nach einem einheitlichen Warenpräsentationskonzept Küchenartikel und -gerätschaften verschiedener Markenhersteller zum Teil im höheren Preissegment, darunter der Marke Fissler. Sie ist Hauptmieterin des Ladengeschäfts im A 10-Center sowie Eigentümerin der Ladeneinrichtung und des gesamten zum Verkauf angebotenen Warenbestandes. Die sr-c. GmbH war Geschäftsbesorgerin der Firma C. und beschäftigte neben der Klägerin noch zwei weitere Arbeitnehmer*innen in dem Ladengeschäft.

Zum Jahreswechsel 2017/2018 beendete die sr-c. GmbH ihre Geschäftstätigkeit für die Firma C. in dem Ladengeschäft im A 10-Center und kündigte aus diesem Grund die Arbeitsverhältnisse mit der Klägerin und den beiden anderen Arbeitnehmer*innen zum 31. Dezember 2017. Die Klägerin wehrte sich nicht gegen die Kündigung.

Zum 1. Januar 2018 übernahm der Beklagte auf Provisionsbasis den Verkauf der Waren in dem Ladengeschäft auf der Grundlage eines mit der Firma C. unter dem 30. Mai 2017 abgeschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages. Der Geschäftsbesorgungsvertrag enthält unter anderem auszugsweise folgende Vereinbarung:

"2. Rechtsstellung des GB [gemeint: Geschäftsbesorger]

2.1 ...

2.2 Der GB kann frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen.

2.3. Der GB wird alles unterlassen, was bei Dritten den Eindruck erwecken könnte, er sei berechtigt, die GFB [gemeint: Firma C.] rechtsverbindlich zu vertreten. Der GB hat sicherzustellen, dass bei seinen geschäftlichen Aktivitäten für die GFB, insbesondere im Internet, unzweifelhaft zum Ausdruck kommt, dass er als selbständiger Unternehmer im eigenen Namen auf eigene Rechnung handelt."

Wegen des weiteren Inhalts des Geschäftsbesorgungsvertrages wird auf dessen Ablichtung (Blatt 64 ff. (fortfolgende) der Akten) verwiesen.

Am 4. Januar 2018 schloss der Beklagte mit der Klägerin einen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 4. Januar 2018 bis zum 4. Juli 2018. Seitdem war die Klägerin für den Beklagten als Verkäuferin in dem Ladengeschäft tätig. Die anderen zuvor bei der sr-c. GmbH beschäftigten Arbeitnehmer*innen übernahm der Beklagte nicht.

Als Arbeitszeit vereinbarten die Parteien 30 Stunden wöchentlich verteilt auf sechs Arbeitstage. Die Vergütung betrug ab dem 1. Februar 2018 12,50 Euro brutto pro Stunde. Darüber hinaus war im Arbeitsvertrag vom 4. Januar 2018 auszugsweise Folgendes geregelt:

"§ 2 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

...

...

Vorzeitig kann das Arbeitsverhältnis jederzeit mit der gesetzlich zulässigen Frist gek...

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