Entscheidungsstichwort (Thema)

Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Verantwortlicher i.S.d. Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Personalakte als Datei i.S.d. Art. 4 Nr. 6 DSGVO. Gesamtschuldnerische Haftung des Arbeitgebers und des Verantwortlichen nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Anspruch auf Entschädigung nach Art. 82 DSGVO. Angemessene Frist für die Auskunftserteilung. Umfang der Auskunftspflicht nach Art. 15 DSGVO

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Arbeitnehmer kann nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO nach Ende des Arbeitsverhältnisses regelmäßig die Löschung (Entfernung) einer Abmahnung aus der Personalakte verlangen.

2. Verantwortlicher im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO kann neben dem Arbeitgeber auch eine Person sein, die sich als "Inhaber" eines Betriebes ausgibt und eigenverantwortliche Entscheidungen über die Verarbeitung von personenbezogenen Daten trifft. Er haftet dann auf Zahlung einer Entschädigung nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO mit dem Arbeitgeber gesamtschuldnerisch.

3. Ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach Art. 82 DSGVO setzt nicht voraus, dass ein Auskunftsanspruch gegenüber dem zur Auskunftserteilung Verpflichteten im Sinne der Rechtsprechung des BAG vom 06.12.2021 - 2 AZR 235/21 - geltend gemacht wurde. Es reicht aus, dass der Verpflichtete erkennen kann, dass der Arbeitnehmer seine Rechte nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO geltend macht.

4. Wird für die Auskunftserteilung eine zu kurze Frist gesetzt, ist das Auskunftsverlangen nicht gegenstandslos, sondern die Frist für die Auskunftserteilung richtet sich nach Art. 12 Abs. 3 DSGVO.

5. Nimmt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen diesem gehörenden USB - Stick mit persönlichen Daten weg und liest diesen aus und sichert die Daten, hat er Auskunft zu erteilen, welche Daten er ausgelesen und gesichert hat. Im Fall der Verletzung dieser Auskunftspflicht haftet er auf Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO.

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Dateisystem i.S.d. Art. 4 Nr. 6 DSGVO ist jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind, unabhängig davon, ob diese Sammlung zentral, dezentral oder nach funktionalen oder geographischen Gesichtspunkten geordnet geführt wird. Eine solche Datei ist auch die Personalakte.

 

Normenkette

DSGVO Art. 4 Nr. 7, Art. 12, 15, 17, 82 Abs. 1; BGB § 241 Abs. 2, § 1004; DSGVO Art. 2 Abs. 1, Art. 3e, 4 Nrn. 1, 6, Art. 26

 

Verfahrensgang

ArbG Villingen-Schwenningen (Entscheidung vom 26.10.2021; Aktenzeichen 7 Ca 59/20)

 

Tenor

  • I.

    Das Urteil des Arbeitsgerichts Villingen - Schwenningen, Kammern Radolfzell, 7 Ca 59/20 vom 26.10.2021 wird auf die Berufung des Klägers teilweise abgeändert.

    1. Die Beklagte Ziffer 1 wird verurteilt, die Abmahnung vom 05.03.2020 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
    2. Die Beklagten zu 1 und 2 werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger € 2.5000,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.10.2021 zu zahlen.
  • II.

    Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen, bezüglich des Berufungsantrags Nr. 3 als unzulässig.

  • III.

    Die Kosten erster Instanz trägt der Kläger zu 65%, die Beklagte zu 1 und zu 2 gesamtschuldnerisch zu 35%.

  • IV.

    Die Kosten der Berufung trägt der Kläger im Verhältnis zur Beklagten zu 1 zu 4/7, zum Beklagten zur 2 zur Hälfte. Die Beklagte zu 1 trägt die Kosten der Berufung zu 3/7, der Beklagte zu 2 Kosten der Berufung aus einem Streitwert von 5.000,00 € zur Hälfte, dies gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 1.

  • V.

    Die Revision wird für beide Parteien bezüglich der Berufungsanträge Nr. 2, 4 und 5 zugelassen und im Übrigen nicht zugelassen.

 

Tatbestand

In der Berufung streiten die Parteien nach einem beendeten Ausbildungsverhältnis noch über die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte, Erteilung von Auskunft über die Arbeitszeiten des Klägers vom 01.09.2016 bis zum 30.03.2020, Erteilung einer Auskunft über personenbezogene Daten sowie Zahlung einer Entschädigung wegen unterbliebener Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO.

Der Kläger stand im Zeitraum vom 01.09.2016 bis 30.03.2020 bei der Beklagten in einem Ausbildungsverhältnis zum Sport- und Gesundheitstrainer sowie zum Sport- und Fitnesskaufmann. Es besteht ein schriftlicher Ausbildungsvertrag, wegen dessen gesamten Inhalts auf Anlage K2.1 (ABl. 18 ff.) verwiesen wird.

Am 05.03.2020 wurde dem Kläger eine Abmahnung erteilt, die von Herrn Dr. S., Bekl. zu 2 und Alleingesellschafter der Beklagten als "Inhaber" unterzeichnet wurde. Wegen des Inhalts der Abmahnung wird auf Anlage K1.1 (ABl. 16, 17) Bezug genommen. Mit E-Mail vom 25.03.2020 wandte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers an die Beklagten und verlangte bis zum 31.03.2020 Rücknahme der "vorsätzlichen und rechtswidrigen Anschuldigung, dass der Kläger sich des Betrugs strafbar gemacht haben solle". Des Weiteren verlangte er u.a. bis zum 03.04.2020 Auskunft über die personenbezogenen Daten des Klägers gem. Art. 15 DSGVO sowie Übermittlung der Personalakte des Klägers (Anl. K 3.2., ABl 25 und...

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