Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrags nach Tod des Arbeitnehmers. Annahme einer Abfindungsvereinbarung nach Tod des Arbeitnehmers. Keine Vererbbarkeit des Abfindungsanspruchs bei Vergleichsabschluss nach Tod des Arbeitnehmers

 

Leitsatz (amtlich)

1 Ein Aufhebungsvertrag, in dem sich der Arbeitnehmer zur Aufgabe des Arbeitsplatzes und der Arbeitgeber als Gegenleistung zur Zahlung einer Abfindung verpflichten, kommt ungeachtet des in der Vertragsabschlussphase eingetretenen Todes des Arbeitnehmers auch dann noch zustande, wenn der Arbeitgeber das Angebot des Arbeitnehmers vor dessen Tod bereits erhalten hat, es aber erst nach dem Tod des Arbeitnehmers annimmt. Das gilt auch dann, wenn nach dem Inhalt des Aufhebungsvertrags das Arbeitsverhältnis erst zu einem zukünftigen Zeitpunkt hätte enden sollen.

2 Allerdings verlieren die Erben des Arbeitnehmers infolge dessen Todes den Anspruch auf die vereinbarte Abfindung, weil der Arbeitnehmer bereits zum Zeitpunkt des Zustandekommens des Aufhebungsvertrags die von ihm geschuldete Leistung (Aufgabe des Arbeitsplatzes) nicht mehr erbringen konnte und infolgedessen auch der Anspruch auf die Gegenleistung entfällt.

 

Normenkette

BGB §§ 153, 326 Abs. 1 S. 1, § 275 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Ulm (Entscheidung vom 03.03.2021; Aktenzeichen 3 Ca 293/20)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 03.03.2021 - 3 Ca 293/20 - abgeändert.
  2. Die Klage wird abgewiesen.
  3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
  4. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen im Wege der Erbfolge übergegangenen Abfindungsanspruch aus einem Aufhebungsvertrag.

Der Ehemann der Klägerin, Herr D. K., war ab dem 01.01.2009 bei der Beklagten als Projektleiter in H. tätig, nachdem das am 01.01.2002 mit der T. K. D. N. GmbH begründete Arbeitsverhältnis auf die Beklagte übergegangen war. Herr K. und die Beklagte verhandelten Ende 2019 über ihre Rechtsanwälte einen Aufhebungsvertrag. Der Vertreter der Beklagten übersandte dem Klägervertreter mit E-Mail vom 23.12.2019 eine neue Fassung eines Vertragsentwurfs, der die vom Klägervertreter zuvor gewünschte Regelung aufgenommen hatte: "Des Weiteren bitte ich um Verständnis, dass in Anbetracht der Erkrankung unseres Auftraggebers mit aufgenommen werden sollte, dass der Abfindungsanspruch bereits jetzt entstanden und vererblich ist". Mit Schreiben vom 16.01.2020 versandte der Klägervertreter dem Beklagtenvertreter die von Herrn K. unterzeichneten Exemplare des Aufhebungsvertrages. Am 25.01.2020 verstarb Herr K.. Der Geschäftsführer der Beklagten unterschrieb den Aufhebungsvertrag spätestens am 27.01.2020; das Original ging dem Klägervertreter am 31.01.2020 zu. Der Aufhebungsvertrag enthält folgende für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebende Bestimmungen:

"1. Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren hiermit, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis krankheitsbedingt und auf Veranlassung des Arbeitgebers mit Ablauf des 30.06.2020 enden wird.

2. Der Arbeitgeber bezahlt an den Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes eine einmalige Abfindung im Sinne der §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 34.500,00 € brutto, zur Zahlung fällig am 30.06.2020. Der Anspruch auf die Abfindung ist bereits mit Abschluss der vorliegenden Vereinbarung entstanden und damit vererblich.

3. Bis zum 30.06.2020 wird das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgewickelt, wobei die Parteien nach derzeitigem Stand davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer aufgrund durchgehender Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum 01.01. - 30.06.2020 keinen Vergütungsanspruch haben wird. Sollte der Arbeitgeber für diesen Zeitraum wider Erwarten Vergütung (Urlaubsansprüche ausgenommen) bezahlen müssen, so reduziert sich die Abfindung gemäß Ziff. 2 um diejenige Bruttovergütung, die für den Zeitraum 01.01. - 30.06.2020 geschuldet ist. Außen vor bleiben etwaige Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers, die - ohne auf die Abfindung angerechnet zu werden - entweder in Natur gewährt werden oder mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Form einer Urlaubsabgeltung zur Auszahlung gebracht werden."

Das Amtsgericht B. eröffnete im Testamentsverfahren von Herrn K. am 13.02.2020 den am 29.10.2013 beurkundeten notariellen Erbvertrag zwischen Herrn K. und der Klägerin, nach dessen § 2 der zuerst sterbende Ehegatte den überlebenden Ehegatten zu seinem unbeschränkten und unbeschwerten Alleinerben einsetzt.

Mit ihrer am 12.08.2020 beim Arbeitsgericht Ulm eingegangenen Klage fordert die Klägerin die unter Ziff. 2 des Aufhebungsvertrags ihres Ehegatten mit der Beklagten vereinbarte Abfindung. Mit Schriftsatz vom 22.01.2021 erklärte die Beklagte gemäß § 326 Abs. 5 BGB und § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB ihren Rücktritt vom streitbefangenen Aufhebungsvertrag.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Tod von Herrn K. auf die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages keine Auswirkungen habe.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, an die Klä...

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