Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds wegen Interessenkollision bei einer Stellenbesetzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Betriebsratsmitglied ist bei Maßnahmen und Regelungen, die es in seiner Stellung als Arbeitnehmer individuell und unmittelbar betreffen, grundsätzlich von seiner Organtätigkeit ausgeschlossen.

2. Bei mehreren internen Bewerbern auf eine zu besetzende Stelle hat der Betriebsrat bei der Prüfung, ob eine mögliche Benachteiligung von Mitbewerbern im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG gegeben sein könnte, stets deren Interessen und Ansprüche denen des vom Arbeitgeber ausgewählten Bewerbers gegenüber zu stellen. Eine Mitwirkung des mit anderen Bewerbern um die Stelle konkurrierenden Betriebsratsmitglieds an dieser Entscheidung ist deshalb auch dann ausgeschlossen, wenn das Zustimmungsbegehren den vom Arbeitgeber ausgewählten Konkurrenten betrifft. Das Betriebsratsmitglied wäre hier Richter in eigener Sache.

 

Normenkette

BetrVG §§ 99, 25 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Beschluss vom 19.01.2011; Aktenzeichen 32 BV 219/10)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 24.04.2013; Aktenzeichen 7 ABR 82/11)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 19.01.2011 – 32 BV 219/10 – wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung des Arbeitnehmers S. als erteilt gilt.

Die Beteiligte zu 1 (i. F. Arbeitgeberin) ist ein Unternehmen, das Leiterplatten herstellt und ca. 520 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Beteiligte zu 2 (i. F. Betriebsrat) ist der im Betrieb B. der Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat. Die Arbeitgeberin schrieb Anfang 2010 die Stelle eines Supervisors im Bereich Ver- und Entsorgung zur Neubesetzung aus. Auf die interne Stellenausschreibung bewarben sich neben dem Arbeitnehmer S. die Arbeitnehmer G., B. und das Betriebsratsmitglied B.. Am 26.05.2010 beantragte die Arbeitgeberin die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung des Arbeitnehmers S. auf die ausgeschriebene Stelle. Aufgrund von Verzögerungen bei der Umsetzung der geplanten Versetzung kamen die Beteiligten am 16.07.2010 überein, dass der Antrag vom 26.05.2010 als erneut gestellt anzusehen sei und eine Versetzung von Herrn S. zum 01.08.2010 zum Gegenstand habe. Die Arbeitgeberin beantragte daraufhin am 16.07.2010 erneut die Zustimmung des Betriebsrats zur geplanten Versetzung, leitete diesem die Bewerbungsunterlagen aller Kandidaten zu und erteilte ihm Auskunft über die Person der Stellenbewerber. Der Betriebsrat hat unter Mitwirkung des Betriebsratsmitglieds B. nach vorangegangener Beratung in seiner Sitzung am 21.07.2010 den Beschluss gefasst, der beabsichtigten Versetzung von Herrn S. zu widersprechen und teilte dies der Arbeitgeberin mit Schreiben seines Vorsitzenden vom 21.07.2010, das die Arbeitgeberin vor Ablauf des 23.07.2010 erhalten hat, mit. Der Betriebsrat führte im vorgenannten Schreiben unter anderem zur Begründung der Zustimmungsverweigerung aus, dass die weiteren internen Bewerber bei der Auswahl benachteiligt worden seien, dass die Kriterien der Betriebsvereinbarung über innerbetriebliche Stellenausschreibungen nicht beachtet worden seien und dass aufgrund der Regelungen dieser Betriebsvereinbarung die Arbeitnehmer G. und B. die Stelle eher hätten erhalten müssen. Gleiches gelte für Herrn B., der zudem einen Anspruch auf Berücksichtigung bei der Neubesetzung der Stelle habe, weil diesem anlässlich einer früheren Besetzung der Stelle im Jahr 2008 und seiner damaligen Bewerbung in einem Absagegespräch mitgeteilt worden sei, dass er an zweiter Stelle der Auswahl liege. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben des Betriebsrats vom 21.07.2010 vollinhaltlich Bezug genommen (vgl. ArbG-Akte Bl. 123 – 127).

Mit einem am 09.08.2010 beim Arbeitsgericht Stuttgart eingegangenen Schriftsatz begehrte die Arbeitgeberin die Feststellung, dass die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung des Herrn S. als erteilt gelte. Der Betriebsrat hat mit Schriftsatz vom 13.08.2010, eingehend beim Arbeitsgericht Stuttgart am 16.08.2010 ein weiteres Beschlussverfahren eingeleitet und begehrte in diesem, beim Arbeitsgericht Stuttgart unter dem Aktenzeichen 32 BV 286/10 geführten Verfahren, der Arbeitgeberin aufzugeben, die Versetzung von Herrn S. aufzuheben. Das Arbeitsgericht Stuttgart hat die Verfahren mit Beschluss vom 19.01.2011 unter Führung des Az. 32 BV 219/10 verbunden.

Die Arbeitgeberin hat die Ansicht vertreten, die Zustimmung des Betriebsrats gelte als erteilt, weil der Beschluss vom 21.07.2010 aufgrund der Mitwirkung von Herrn B. unwirksam sei. Dieser sei wegen einer bestehenden Interessenkollision zeitweise verhindert im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG gewesen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

festzustellen, dass die am 16.07.2010 beantragte Zustimmung des Antragsgegners zur Versetzung von Herrn S. als erteilt gilt.

Der Betriebsrat hat beantr...

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