2.6.1.1 Gefahr der Erkrankung

 

Rz. 79

Zu fordern ist eine konkrete Gefahrenerhöhung im individuellen Einzelfall. Diese muss über die in Abs. 1 Satz 2 genannte Gefahrerhöhung hinausgehen (Ricke, in: KassKomm., § 9 SGB V Rz. 28). Dafür reicht es regelmäßig nicht aus, dass die im Berufskrankheitentatbestand genannten Kriterien erfüllt sind.

 
Praxis-Beispiel
  • Nr. 1101 – Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen
  • Nr. 1303 – Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder durch Styrol
  • Nr. 2108 – Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung
 

Rz. 80

Die Gefahrerhöhung kann aus gesicherten Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft abgeleitet werden, wenn sich daraus Erkenntnisse über Art, Intensität und Dauer sowie sonstigen Rahmenbedingungen der Einwirkungen ergeben, die mit Wahrscheinlichkeit geeignet sind, die im Berufskrankheitentatbestand genannte Erkrankung hervorzurufen. Solche Erkenntnisse sind erst dann gesichert, wenn sie auf epidemiologischen Untersuchungen beruhen, die ihrerseits auf einer hinreichenden Anzahl von Studien basieren. Liegen solche Erkenntnisse vor und sind deren Anforderungen im Einzelfall erfüllt, so ist die Gefahrerhöhung zu bejahen.

2.6.1.2 Kausalität

 

Rz. 81

Festzustellen sind somit die besonderen Gegebenheiten im Einzelfall, nicht bloß die Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppe oder einer sonst wie gearteten Personengruppe.

 
Praxis-Beispiel

Hat ein Krankenpfleger sich eine Hepatitisinfektion zugezogen, so reicht für die Anerkennung der Berufskrankheit nach Nr. 3101 (Infektionskrankheiten) die Zugehörigkeit zur Berufsgruppe der Krankenpfleger nicht aus, dieses Kriterium zu erfüllen. Vielmehr ist weiter zu prüfen, ob er in seinem Arbeitsbereich regelmäßig Kontakt zu infektiösen Körperflüssigkeiten hatte, der Bezug auf die bei ihm aufgetretene Erkrankung ein im Vergleich zur Gesamtbevölkerung erhöhtes Infektionsrisiko begründet. Dies ist z. B. bei einer Tätigkeit in einer Ambulanz für HIV-Patienten, in einer Intensiv- und Operationsabteilung eines Krankenhauses der Fall.

2.6.1.3 Erkrankung an einer solchen Krankheit

 

Rz. 82

Die im Einzelfall bei dem Versicherten festgestellte Erkrankung muss die Merkmale eines Berufskrankheitentatbestands erfüllen. Alle dort aufgeführten Krankheitsmerkmale müssen feststellbar sein. Benennt der Berufskrankheitentatbestand die Erkrankung nicht hinreichend konkret oder benennt er verschiedene Krankheitsbilder (z. B. Erkrankungen durch …), so muss die festgestellte Erkrankung zu den typischen Erscheinungsformen bei der im Einzelfall festgestellten schädigenden Einwirkung am Arbeitsplatz des Versicherten gehören. Dazu müssen die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zum Ursachenzusammenhang herangezogen werden.

2.6.1.4 Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit

 

Rz. 83

Zu prüfen ist, ob konkrete Anhaltspunkte feststellbar sind, die für eine Verursachung sprechen, die nicht im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht. Die Tatsachen, die diese Anhaltspunkte begründen müssen im Vollbeweis nachgewiesen sein. Die nicht versicherte Ursache muss hingegen nur möglicherweise ursächlich sein für die eingetretene Erkrankung. Dies reicht bereits aus, um die Vermutung nach Abs. 2 zu entkräften. Anschließend ist im Rahmen einer Abwägung der versicherten und nicht versicherten Ursachen die individuelle Kausalitätsprüfung durchzuführen. Danach muss die versicherte Einwirkung mit Wahrscheinlichkeit die Erkrankung verursacht haben.

 

Rz. 84

Nicht nur Feststellungen über außerberufliche Einwirkungen (z. B. inhalatives Rauchen in Bezug auf Atemwegserkrankungen und verschiedene Krebserkrankungen) können die o. g. Anhaltspunkte ergeben. Darüber hinaus können festgestellte Vorerkrankungen, Krankheitsanlagen, ein untypischer Krankheitsverlauf (z. B. ungewöhnlich kurze oder ungewöhnlich lange Latenzzeit) oder das Auftreten der Erkrankung lange Zeit nach Aufgabe der Tätigkeit (z. B. Innenohrschwerhörigkeit lange nach Ausscheiden aus einer Tätigkeit mit Einwirkung von gehörschädigendem Lärm am Arbeitsplatz) Indizwirkung haben.

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