Rz. 31

Der Anscheinsbeweis oder auch prima-facie-Beweis wird als Tatsachenvermutung oder auch als Methode der mittelbaren Beweisführung bezeichnet. Voraussetzung ist stets, dass ein Erfahrungssatz vorhanden ist, der dafür streitet, dass nach der Lebenserfahrung ein typischer Geschehensablauf aufgrund einer bestimmten Ursache zu einer bestimmten Folgewirkung führt. Diese Konstruktion wird in allen Bereichen der Rechtsordnung im Rahmen der Beweiswürdigung eingesetzt. Da es sich um eine Vermutung handelt, ist der Anscheinsbeweis widerlegbar, wenn bestimmte Tatsachen darauf hindeuten, dass der Geschehensablauf im Einzelfall in anderer Weise – quasi atypisch – verlaufen ist.

 

Rz. 32

Die Konstruktion des Anscheinsbeweises ist grundsätzlich auch im sozialgerichtlichen Verfahren als Methode der Beweiswürdigung anerkannt. Die Rechtsprechung des BSG hat deshalb auch bei der Feststellung des Kausalzusammenhangs bei Berufskrankheiten den Anscheinsbeweis nicht ausgeschlossen. Für die als Berufskrankheit anzuerkennenden Meniskusschäden nach Nr. 26 der Anlage zur 5. BKVO v. 26.7.1952 ("Meniskusschäden bei Bergleuten nach mindestens dreijähriger regelmäßiger Tätigkeit Untertage") bzw. nach Nr. 42 der Anlage zur 6. BKVO v. 28.4.1961 ("Meniskusschäden nach mindestens dreijähriger regelmäßiger Tätigkeit Untertage") hat das BSG die Anwendung der Grundsätze über den Anscheinsbeweis befürwortet.

Ein Beweis des ersten Anscheins für das Vorliegen des ursächlichen Zusammenhangs zwischen versicherter Tätigkeit und schädigender Einwirkung war insoweit hiernach gegeben, wenn der Versicherte während seiner Untertagetätigkeit mindestens 3 Jahre regelmäßig irgendeine Tätigkeit in hockender, kniender oder liegender Körperhaltung verrichtet oder in schräger Lage in niedrigen (geringmächtigen) Flözen gearbeitet hat (BSG, Entscheidung v. 21.11.1958, 5 RKn 33/57; BSG, Urteil v. 21.2.1980, 5 RKnU 4/79, und BSG, Entscheidung v. 27.11.196, 5a RKnU 3/85). Diese Rechtsprechung stützte sich nicht allein auf das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale der jeweiligen Berufskrankheit in der Anlage 1 zur BKVO, sondern auf entsprechende gesicherte Erfahrungsgrundsätze, die es rechtfertigten, bei einem typischen Geschehensablauf die Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins anzuwenden.

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