2.1 Ausschluss

 

Rz. 2

Regelmäßig ist es für den Rentenanspruch ohne Bedeutung, auf welcher Ursache die gesundheitliche Beeinträchtigung beruht. Ein Rentenanspruch wird nämlich grundsätzlich nicht ausgeschlossen, wenn die Gesundheitsstörung durch schuldhaftes Verhalten des Berechtigten eingetreten ist. Die Rente soll nur dann ausgeschlossen sein, wenn die sie begründenden Gesundheitsstörungen absichtlich herbeigeführt worden sind (LSG Hessen, Urteil v. 23.8.2019, L 5 R 226/18). Die Weigerung, sich ernsthaft behandeln zu lassen, ist keine absichtliche Herbeiführung einer verminderten Erwerbsfähigkeit. Allerdings ist dann zu prüfen, ob eine mangelnde Mitwirkung mit den Rechtsfolgen gemäß § 60 SGB I vorliegt (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 23.6.2020, L 9 R 1194/19). Dies ist Ausdruck des in der gesetzlichen Rentenversicherung geltenden Solidaritätsprinzips. Vom Ausschluss betroffen sind Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§§ 43, 45 Abs. 1 und 2), Altersrenten für schwerbehinderte Menschen (§ 37), große Witwen- bzw. Witwerrenten (§ 46 Abs. 2, § 243 Abs. 2). Für andere Renten ist die Vorschrift nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar, da sie als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 11.9.2020, L 9 R 1194/19). Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen hat der Rentenversicherungsträger, ohne dass ihm Ermessen eingeräumt ist, die Gewährung einer Rente abzulehnen.

2.2 Absicht

 

Rz. 3

Während es anfänglich (§ 1261 RVO a. F.) für den Ausschluss als ausreichend angesehen wurde, dass der Versicherte sich vorsätzlich invalide gemacht hat, ist später dann in § 1277 Abs. 1 Satz 1 RVO das Tatbestandsmerkmal "absichtlich" eingefügt worden. Absichtlich handelt, wer erstens weiß, dass er durch sein Tun die Erwerbsminderung herbeiführt, und zweitens dies auch will (direkter Vorsatz). Die Herbeiführung einer Erwerbsminderung durch Unterlassen reicht grundsätzlich auch aus. Davon zu unterscheiden ist aber das nicht ausreichende Unterlassen einer Beseitigung der Erwerbsminderung. Nicht erforderlich ist es jedoch, dass der Versicherte nur das Ziel hatte, die Voraussetzungen für den Rentenanspruch zu schaffen. Es muss jedoch als ausreichend angesehen werden, wenn er wusste, Folge seines Handelns werde eine die Rentenleistung auslösende gesundheitliche Beeinträchtigung sein. Es kann jedoch nicht als ausreichend angesehen werden, wenn der Versicherte nur mit der Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit der Minderung der Erwerbsfähigkeit gerechnet hat, selbst wenn er die Erwerbsminderung billigend in Kauf genommen hat (bedingter Vorsatz – dolus eventualis).

 

Rz. 4

Hat ein Versicherter einen Selbstmordversuch begangen, so ist sein Vorsatz auf den Tod, nicht auf die Selbstbeschädigung gerichtet. Die Selbstbeschädigung nimmt er allenfalls im Sinne eines dolus eventualis in Kauf. Es besteht danach i. d. R. ein Rentenanspruch. Ist die gesundheitliche Beeinträchtigung durch Alkohol- oder Drogenabhängigkeit hervorgerufen, so ist § 103 nicht anwendbar. Soweit eine andere Ansicht vertreten wird (BSG, Urteil v. 25.6.1964, 4 RJ 425/63; LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 22.10.2011, L 7 RJ 15/00; Hauck/Haines, SGB VI, § 103 Rz. 5), wird die psychische Situation eines Suchtkranken nicht ausreichend berücksichtigt (so auch LSG Schleswig-Holstein, a. a. O.). Aus den gleichen Gründen kann bei alimentär bedingter Übergewichtigkeit ebenfalls eine absichtliche Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht angenommen werden (a. A. LSG Mainz, Breithaupt 1976, 568). Weigert sich der Versicherte, sich ärztlich behandeln zu lassen, liegt ebenfalls kein Ausschlussgrund gemäß § 103 vor, da die gesundheitliche Beeinträchtigung auf eine zielgerichtete Aktivität des Versicherten beruhen muss. Deshalb reicht auch das absichtliche Unterlassen der möglichen Beseitigung einer nicht absichtlich herbeigeführten Erwerbsminderung nicht aus. Es kommt lediglich eine Versagung oder Entziehung der Rentenleistung gemäß § 66 SGB I (mangelnde Mitwirkung) in Betracht.

2.3 Gesundheitliche Beeinträchtigung

 

Rz. 5

Eine gesundheitliche Beeinträchtigung i. S. v. § 103 ist entweder eine Krankheit oder eine Behinderung. Krankheit ist ein regelwidriger körperlicher, geistiger oder seelischer Zustand, wobei anders als im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung eine Behandlungsbedürftigkeit nicht eingetreten sein muss. Eine Behinderung liegt bei einem Menschen vor, wenn seine körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).

2.4 Rechtsfolgen

 

Rz. 6

Beim Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen besteht der Rentenanspruch nicht. Er ist kraft Gesetzes ausgeschlossen. Der Rentenausschluss ist vom Rentenversicherungsträger von Amts wegen festzustellen. Dabei hat der Rentenversicherungsträger kein Ermessen.

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