Rz. 9

Durch die Regelung in Abs. 4 sind bestandskräftige nicht begünstigende Verwaltungsakte, die deshalb rechtswidrig sind, weil sie auf einer Norm beruhen, die in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Rentenversicherungsträger ausgelegt worden ist, nicht uneingeschränkt für die Vergangenheit (also bis zum Zeitpunkt der Rentenbewilligung) zurückzunehmen. Entsprechendes gilt klarstellend für Verwaltungsakte, die auf einer Norm beruhen, die für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist. In den genannten Fällen ist der unanfechtbar gewordene Verwaltungsakte mit Wirkung für die Zeit ab dem Beginn des Kalendermonats nach Wirksamwerden der Entscheidung des BVerfG oder dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Mit der Formulierung "Bestehen der ständigen Rechtsprechung" wird deutlich, dass es für die Annahme einer ständigen Rechtsprechung nicht auf die Entscheidung ankommt, in welcher die ggf. erst später verfestigte Rechtsprechung ihren Ursprung gefunden hat, sondern auf den Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung, ab der eine Rechtsfrage als abschließend geklärt angesehen werden muss (BSG, Urteil v. 29.6.2000, B 11 AL 99/99 R, und Urteil v. 21.6.2011, B 4 AS 118/10 R). Die Bestimmung des entsprechenden Zeitpunktes wird in der Praxis vielfach Schwierigkeiten bereiten.

 

Rz. 10

Mit der Regelung wird in Anlehnung an § 330 Abs. 1 SGB III auch für den durch die Gewährung langfristiger Leistungen gekennzeichneten Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung in dem in Abs. 4 eng beschriebenen Konstellationen teilweise von § 44 Abs. 1 SGB X abgewichen. Sie stärkt das Interesse der Solidargemeinschaft der Versicherten an Rechtssicherheit und der Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit der Rentenversicherung gegenüber dem Interesse der Einzelnen an einer möglichst langen Nachzahlungsfrist. Für Verwaltungsakte, deren Rechtswidrigkeit allein aus einem sich als unrichtig erweisenden Sachverhalt folgt, verbleibt es bei der Anwendbarkeit von § 44 Abs. 1 SGB X (vgl. dazu auch BSG, Urteil v. 20.10.2010, B 13 R 90/09 R). Soweit Verwaltungsakte nicht von der Neuregelung erfasst sind, ist über deren Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. § 44 Abs. 2 bis 4 SGB X bleiben insoweit unberührt, d. h. die Nachzahlungsbeschränkung des § 44 Abs. 4 SGB X (4 Jahre) gilt immer auch in den Fällen des § 100 Abs. 4.

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