Rz. 113

Hat ein Arbeitgeber oder der Zahlungspflichtige die Beiträge nicht bei Fälligkeit entrichtet (vgl. § 23) und sind zusätzlich Säumniszuschläge (§ 24), Zinsen, Geldbußen oder Zwangsgelder (§ 111) erhoben worden, ist es möglicherweise unklar, wie die eingehenden Zahlungen des Arbeitgebers verwendet werden sollen.

 

Rz. 114

Mit § 4 Beitragsverfahrensverordnung (BVV), zuletzt geändert durch Art. 8 der Verordnung v. 30.8.2023 (BGBl. I Nr. 233), ist geregelt, wie bei Beitragsrückständen die Zahlungen aufgeteilt werden, wenn keine eindeutige Anweisung über die Verwendung der Zahlung erfolgt. Schuldet ein Arbeitgeber oder ein sonstiger Zahlungspflichtiger die oben genannten Zahlungen, kann er bei der Zahlung bestimmen, welche Schuld getilgt werden soll (§ 4 Satz 1 BVV). Trifft der Arbeitgeber keine Bestimmung über die Verwendung der Zahlung, hat die Einzugsstelle die Tilgung der Rückstände in folgender Reihenfolge vorzunehmen: Auslagen der Einzugsstelle, Gebühren, insbesondere Mahn- und Vollstreckungsgebühren sowie wie Gebühren zu behandelnde Entgelte für Rücklastschriften, Gesamtsozialversicherungsbeiträge zuzüglich der Zusatzbeiträge nach § 242 SGB V, Säumniszuschläge, Zinsen, Geldbußen oder Zwangsgelder (§ 4 Satz 2 BVV).

 

Rz. 115

Maßgebend für die Festlegung dieser Reihenfolge ist, dass die Einzugsstelle sicher sein muss, nicht mit den Auslagen belastet zu bleiben und die am Gesamtsozialversicherungsbeitrag beteiligten Versicherungsträger im Interesse der Versicherten vorrangig die für sie bestimmten Beiträge erhalten. Bei den von Krankenkassen erhobenen Mahn- und Pfändungsgebühren handelt es sich nach dem Urteil des BGH v. 9.1.2001 (VI ZR 119/00) um Gebühren. Sie dienen nicht dem Ausgleich von der Einzugsstelle entstandenen konkreten Aufwendungen, sondern stellen Entgelt für die Beitreibung einer Geldforderung dar und können deshalb bei einer von der Krankenkasse vorgenommenen Tilgung der Beitragsrückstände nicht mit dem Begriff der Auslagen gleichgestellt werden.

 

Rz. 116

Die Verrechnung der Säumniszuschläge kommt nach den in § 4 BVV genannten Schuldenarten ebenfalls erst dann in Betracht, wenn die davor genannten Schuldenarten vollständig getilgt sind. Nachrangige Schuldenarten wie Mahn- und Pfändungsgebühren sowie Säumniszuschläge können mithin – unabhängig von dem Zeitpunkt ihrer Fälligkeit – erst dann zur Tilgung gelangen, wenn alle vorrangigen Schuldenarten wie Auslagen und Gesamtsozialversicherungsbeiträge vollständig getilgt sind. Das Recht des Zahlungspflichtigen, bei der Zahlung nach § 4 Satz 1 BVV zu bestimmen, welche Schuld getilgt werden soll, bezieht sich nicht nur auf die Art der zu tilgenden Schuld, sondern auch auf den Zeitraum, für den Beiträge geschuldet werden.

 

Rz. 117

Ungeachtet der erwähnten Vorschriften war es umstritten, ob ein Arbeitgeber bestimmen kann, welche Beitragsteile durch Teilzahlungen auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag getilgt werden sollen. Das BSG hat mit Urteil v. 22.2.1996 (12 RK 42/94) bestätigt, dass ein Unternehmen – bei entsprechender Anweisung bei der Zahlung – vorrangig die Arbeitnehmeranteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag tilgen durfte. Diese Möglichkeit ist in § 4 Satz 1 HS 2 BVV nunmehr ausdrücklich normiert. § 4 BVV will grundsätzlich die Tilgung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile an den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen sicherstellen. Ohne eine zumindest konkludente Tilgungsbestimmung des Zahlenden kommt nach dem Urteil des BGH v. 26.6.2001 (VI ZR 111/00) daher die vorrangige Verrechnung einer Zahlung mit den rückständigen Arbeitnehmeranteilen nicht in Betracht. Eine in dieser Richtung wirksame (stillschweigende) Zahlungsbestimmung des Schuldners kann nur angenommen werden, wenn sie greifbar in Erscheinung getreten ist. Daher kann nicht schon deshalb in jeder Teilzahlung des Beitragsschuldners eine stillschweigende Tilgungsbestimmung hinsichtlich der Arbeitnehmeranteile gesehen werden, weil deren Nichtzahlung haftungs- und strafrechtliche Folgen für den GmbH-Geschäftsführer haben könnte. Die maßgebliche Vorschrift des § 4 BVV, die grundsätzlich eine gleichmäßige Tilgung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge sicherstellen will, würde weitgehend ins Leere laufen, wollte man ohne eine entsprechende Willenserklärung des Arbeitgebers gleichsam automatisch von einer vorrangigen Tilgungsbestimmung zugunsten der Arbeitnehmerbeiträge ausgehen. Allerdings steht es dem Arbeitgeber frei, durch eine ausdrückliche oder nach außen greifbar in Erscheinung tretende konkludente Tilgungsbestimmung eine Verrechnung vorrangig mit den aktuell fälligen Arbeitnehmerbeiträgen zu erreichen und so einer Strafbarkeit und Haftung zu entgehen.

 

Rz. 118

Welche Auswirkungen sich ergeben, wenn über die Verwendung der Beitragszahlung keine Angaben gemacht werden, zeigt der folgende Fall: Ein GmbH-Geschäftsführer hatte seine Verantwortlichkeit für die vor seiner Geschäftsführertätigkeit aufgelaufenen Zahlungsrückstände der GmbH in Abrede gestellt und die Auffassung vertreten, die ...

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