Rz. 25

An der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Grundrente sind insbesondere vor dem Hintergrund von Art. 3 GG Zweifel angemeldet worden (vgl.: Ruland, Die Verfassungswidrigkeit der Grundrente – Gutachten zur Verfassungsmäßigkeit bzw. -widrigkeit des Entwurfs eines Grundrentengesetzes (BR-Drs. 85/20; BT-Drs. 19/18473), April 2020; das Gutachten ist online abrufbar unter der Adresse: https://www.insm.de/fileadmin/insm-dms/text/kampagne/nachhaltige-rente/Ruland_Gutachten__INSM.pdf; zuletzt abgerufen am 4.3.2024). Die Grundrente führe dazu, dass Versicherte trotz gleicher Beitragsleistung unterschiedlich hohe Renten oder auch Versicherte trotz unterschiedlicher Beitragsleistung gleich hohe Renten erhalten (vgl. auch Ruland, NZS 2019, 881). Soweit der Höchstwert nach Abs. 4 Satz 5 bei 35 Jahren und bei einem versicherten Entgelt im Durchschnitt bei 0,8004 festgesetzt wird und damit den Anspruch auf Grundrentenzuschlag oberhalb dieser Grenze kappt, ist dies nach der hier vertretenen Auffassung nicht zu beanstanden, weil Rentner mit einem Einkommen oberhalb dieses Grenzwerts regelmäßig nicht auf die Grundrente angewiesen sein werden (vgl. auch Komm. unter Rz. 79 ff. – Voller Rentenaufschlag – Höchstwert 0,0667 Entgeltpunkte bei 35 Jahre Grundbewertungszeiten und mehr – nach Satz 5).

 

Rz. 25a

Nach bisheriger Instanzrechtsprechung begegnet das Erfordernis von 33 Jahren an Grundrentenzeiten für den Grundrentenzuschlag nach § 76g Abs. 1 keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 21.9.2023, L 10 R 2463/22); insbesondere liegt kein Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG vor. Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit kommt dem Gesetzgeber für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise ein weiter Gestaltungsspielraum zu (LSG Baden-Württemberg, a. a. O., Rz. 20 unter Bezugnahme auf BVerfG, Urteil v. 7.12.2012, 1 BvL 14/07). Der Gesetzgeber wollte mit dem Grundrentenzuschlag die Ansprüche von langjährig versicherten Rentenberechtigten mit unterdurchschnittlichem Einkommen anheben. Die Anknüpfung an (die zunächst vorgesehenen) 35 Jahre an Grundrentenzeiten entspricht einer üblichen Größe in der Rentenversicherung.

 

Rz. 26

Zu der Bewertung des Verzichts auf eine umfassende Bedürftigkeitsprüfung vgl. bereits oben unter Rz. 9 f. – .

 

Rz. 27

Soweit Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld ausdrücklich von der Berücksichtigung als Grundrentenzeiten nach Abs. 2 Satz 3 ausgenommen sind, begegnet das aufgrund von Erwerbsbiografien unter Umständen bis zu 50 Jahren keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. auch Kommentierung unter Rz. 42 ff. – Negativkatalog nach Satz 3); das stellt keinen unzulässigen Eingriff in das Eigentumsrecht nach Art. 14 GG dar.

 

Rz. 28

Auch die Mindestbewertung des Durchschnittsverdiensts nach Abs. 3 Satz 1 ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; insbesondere stellt die Außerachtlassung solcher niedrig bewerteter Einkommen keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsrecht nach Art. 14 GG dar. Dass derart niedrige Einkommen nicht vom Grundrentenzuschlag profitieren, ist verhältnismäßig unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Intention, wonach so niedrige Arbeitsentgelte häufig lediglich die Bedeutung eines ergänzenden Einkommens hatten, wie dies insbesondere bei "Minijobbern" der Fall ist (BT-Drs. 19/18473 S. 37, BR-Drs. 85/20 S. 34); vgl. auch unter Rz. 48 ff. – Mindestbewertung mit 0,025 Entgeltpunkte nach Satz 1).

 

Rz. 29

Bei der Mindestbewertung der Grundrentenbewertungszeit mit einem individuellen Durchschnittsverdienst von mindestens 0,025 Entgeltpunkte bleibt die Ursache der niedrigen Bewertung ohne Berücksichtigung. Ob die niedrigere Bewertung aus einer Teilzeitbeschäftigung oder einer niedrig entlohnten Vollzeitbeschäftigung resultiert, spielt daher keine Rolle. Andernfalls würde das auch eine indirekte geschlechtsspezifische Benachteiligung i. S. d. § 1 AGG bedeuten und damit ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz i. S. d. Art. 3 GG (vgl. auch unter Rz. 48 ff. – Mindestbewertung mit 0,025 Entgeltpunkte nach Satz 1), da Teilzeitbeschäftigungen aktuell immer noch von einem deutlich höherem Anteil Frauen ausgeübt werden.

 

Rz. 30

Auch der Abschlag in Höhe von 12,5 %, der nach Abs. 4 Satz 6 dadurch erreicht wird, dass der Zuschlag mit dem Faktor 0,875 vervielfältigt wird, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dieser Abschlag dient der Stärkung des Äquivalenzprinzips (so das ausdrückliche gesetzgeberische Motiv, vgl. BT-Drs. 19/18473 S. 37, BR-Drs. 85/20 S. 34). Da der Grundrentenzuschlag allein aus sozialpolitischen Erwägungen eingeführt wurde, der Zuschlag daher nicht auf eigenen Rentenleistungen beruht, stellt der Abschlag von 12,5 % schon keinen Eingriff in das Eigentumsrecht nach Art. 14 GG in Form erwirtschafteter Rentenanwartschaften durch die Beitragszahlung dar (vgl. auch unter Rz. 83 ff. – Berechnung der Höhe des Zuschlags nach Satz 6).

 

Rz. 31

Die verfassung...

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