Entscheidungsstichwort (Thema)

Werkstudent. Versicherungsfreiheit. Versicherungspflicht. Studiendauer. Erscheinungsbild

 

Leitsatz (amtlich)

1. Steht fest, daß die Beschäftigung eines Studenten neben dem Studium und diesem nach Zweck und Dauer untergeordnet ausgeübt wird, ist sie versicherungsfrei.

2. Das „Werkstudentenprivileg” gilt unabhängig von der Dauer des Studiums zeitlich unbeschränkt, solange das Studium das „Erscheinungsbild” prägt (Anschluß an: BSGE 71, 144 ff).

 

Normenkette

RVO § 165 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 172 Abs. 1 Nr. 5, § 1227 Abs. 1 Nr. 1, § 1228 Abs. 1 Nr. 3; AFG §§ 102, 169 Nr. 6

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 16.02.1995; Aktenzeichen S 9 Kr 678/90)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. Februar 1995 sowie die Bescheide der Beklagten vom 30. August 1988, 14. Februar 1989 und 8. Dezember 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Februar 1990 aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die der Klägerin und dem Beigeladenen zu 2) entstandenen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Nachentrichtung von Beiträgen zur Krankenversicherung und Rentenversicherung für den Beigeladenen zu 2) in Höhe von 11.223,37 DM.

Die Klägerin mit Sitz in … betreibt ein Kaufhaus in … Aufgrund einer Betriebsprüfung für den Zeitraum Januar bis März 1984 und Mai 1984 bis Januar 1988 forderte die Beklagte mit Bescheid vom 30. August 1988 die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 33.214,70 DM, unter anderem für die Teilzeitbeschäftigung des Beigeladenen zu 2) als Auffüller im Zeitraum von April 1985 bis Januar 1988.

Hiergegen legte die Klägerin nach Zahlung eines Teilbetrages von 21.396,37 DM am 26. September 1988 Widerspruch ein, soweit Sozialversicherungsbeiträge für vier Studenten, darunter der Beigeladene zu 2), in Höhe von insgesamt 11.818,33 DM geltend gemacht wurden. Die betreffenden Beschäftigten seien nach den vorgelegten Immatrikulationsbescheinigungen ordentliche Studierende, die versicherungsfrei seien. Die wöchentliche Arbeitszeit habe bei ihnen im Regelfall unter 20 Stunden gelegen. Eine Versicherungspflicht ergebe sich – entgegen der Begründung im angefochtenen Bescheid – nicht daraus, daß es sich um „Langzeitstudenten” handele.

Mit Änderungsbescheid vom 14. Februar 1989 minderte die Beklagte ihre Forderung um einen Betrag in Höhe von 317,90 DM ohne Anerkennung einer Rechtspflicht für eine nur kurzzeitig ausgeübte Beschäftigung zweier Studenten. Im übrigen verwies sie darauf, daß nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur solche Studenten versicherungsfrei blieben, deren Zeit und Arbeitskraft überwiegend durch das Studium in Anspruch genommen werde. Die Immatrikulation gebe allein noch keinen Aufschluß darüber, ob der Betreffende nach seinen gesamten Lebensumständen ernsthaft mit dem Willen eines Abschlusses studiere. Die Gesamtumstände ließen bei den betreffenden Personen erkennen, daß sie nicht mehr als ordentliche Studierende anzusehen seien. Anläßlich der Betriebsprüfung sei unter anderem festgestellt worden, daß für die von studentischen Vermittlungsdiensten vermittelten Personen überwiegend keine ordnungsgemäßen Aufzeichnungen vorgelegen hätten. Anhand der vorliegenden Unterlagen sei eine versicherungsrechtliche Beurteilung der Beschäftigungsverhältnisse kaum möglich gewesen. Dies sei Anlaß für ein ausführliches Informationsgespräch über Aufzeichnungspflichten, Führung von Lohnunterlagen und deren Inhalt gewesen, wobei die Beschäftigung sogenannter „Langzeitstudenten” den Schwerpunkt gebildet habe. Der Beigeladene zu 2) sei bereits bei der im April 1985 erfolgten Betriebsprüfung mit damals 33 Hochschul- bzw. 24 Fachsemestern als „Langzeitstudent” Gegenstand der Besprechung gewesen.

Die Klägerin hielt ihren Widerspruch aufrecht und verwies darauf, daß Versicherungsfreiheit in jedem Fall bestehe, wenn die wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr als 20 Stunden betrage.

Nach Durchführung weiterer Ermittlungen berichtigte die Beklagte mit weiterem Änderungsbescheid vom 8. Dezember 1989 ihre Forderung nochmals um 277,06 DM. Die noch verbliebene Beitragsforderung hinsichtlich des Beigeladenen zu 2) (Krankenversicherung – 4.674,88 DM und Rentenversicherung – 6.548,49 DM) sei aber berechtigt, da nicht mehr davon ausgegangen werden könne, daß dieser sein Studium ernsthaft und mit dem Ziel eines Abschlusses betreibe. Die Anmeldung des Beigeladenen zu 2) zu einer Ersatzkasse ab 1. Februar 1988 belege im übrigen, daß die Klägerin diesen Arbeitnehmer ebenfalls nicht mehr als Werkstudent ansehe.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 1990 zurück.

Am 23. Februar 1990 hat die Klägerin beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben und sich weiterhin gegen die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für ...

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