Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit des "mobilen Arbeitens" in der Pandemie. Arbeitsmodell "mobiles Arbeiten" nicht mitbestimmungspflichtig. Kein Auskunftsanspruch des Betriebsrats im Rahmen des Unterlassungsanspruchs

 

Leitsatz (redaktionell)

Das Arbeitsmodell "mobiles Arbeiten" ist nicht mitbestimmungspflichtig, da es nur um die Erbringung der Arbeitsleistung geht.

 

Normenkette

ArbGG § 85 Abs. 3; ZPO §§ 935, 940; BetrVG §§ 87, 99, 101, 23 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Darmstadt (Beschluss vom 05.05.2020; Aktenzeichen 3 BVGa 8/20)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 5. Mai 2020 - 3 BVGa 8/20 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

A.

Der Beteiligte zu 1. (im Folgenden: Betriebsrat) und die Beteiligten zu 2. und 3. (im Folgenden: Arbeitgeberinnen) streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens über die Unterlassung der Durchführung des Arbeitsmodells „mobiles Arbeiten“, welches anlässlich der gegenwärtigen Pandemielage eingeführt wurde, um Arbeitnehmer vor Infektionen am Arbeitsplatz zu schützen. Von einer ins Einzelne gehenden Sachdarstellung wird gem. §§ 87 Abs. 2, 64 Abs. 6 ArbGG, 525 ZPO, 13 a Abs. 1 ZPO abgesehen, da gegen diesen Beschluss unzweifelhaft kein Rechtsmittel gegeben ist.

B.

Die zulässige Beschwerde des Betriebsrats hat keinen Erfolg. Die begehrte einstweilige Verfügung kann nicht gem. §§ 85 Abs. 3 S. 2 ArbGG, 935, 940 ZPO erlassen werden, da der notwendige Verfügungsgrund nicht vorliegt. Die Entscheidung beruht gem. §§ 87 Abs. 2, 64 Abs. 6 ArbGG, 525 ZPO, 313 Abs. 3 ZPO in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf folgenden Erwägungen:

I.

Die gemäß § 928 ZPO glaubhaft gemachten Gesamtumstände lassen es bei Abwägung der beiderseitigen Belange gem. §§ 935, 940 ZPO nicht nötig erscheinen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile eine sofortige Regelung zu treffen.

1. Ein Verfügungsgrund im Sinne des § 940 ZPO liegt vor, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Da im Entscheidungsfall sowohl hinsichtlich der Unterlassungsansprüche als auch hinsichtlich des geltend gemachten Auskunftsanspruchs eine Befriedigungsverfügung begehrt wird und wegen der Besonderheiten des Beschlussverfahrens – Ausschluss der vorläufigen Vollstreckbarkeit (§ 85 Abs. 1 S. 1 ArbGG), Ausschluss von Schadensersatzansprüchen (§ 85 Abs. 2 S. 2 ArbGG) – ist eine Interessenabwägung erforderlich.

a) Dabei ist die Eindeutigkeit der Rechtslage von erheblicher Bedeutung (Hess. LAG 15.11.2012 – 5 TaBVGa 257/12 – Rn. 25, zitiert nach juris; Hess. LAG 09.08.2012 – 5 TaBVGa 141/12 – mwN). Die Anforderungen an den Verfügungsgrund können umso geringer sein, je schwerer und offenkundiger sich die bestehende Rechtsverletzung darstellt. Ist der geltend gemachte Verfügungsanspruch zweifelhaft, jedenfalls nicht zweifelsfrei anzunehmen und kommt deswegen im Hauptsacheverfahren eine diesen Anspruch ablehnende Entscheidung in Betracht, so ist im Rahmen der Interessenabwägung für den geltend gemachten Anspruch in der Regel ein Verfügungsgrund abzulehnen (Hess. LAG 15.11.2012 – 5 TaBVGa 257/12 – Rn. 25, zitiert nach juris; LAG Köln 20.05.2009 – 8 TaBVGa 3/09 – Rn. 57, zitiert nach juris).

b) Des Weiteren ist zu berücksichtigen, inwieweit der Arbeitgeber die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats missachtet und durch sein Handeln vollendete Tatsachen schafft, sodass die Besorgnis gerechtfertigt ist, die Verwirklichung des Rechts werde ohne alsbaldige einstweilige Verfügung vereitelt oder wesentlich erschwert. Dies bedeutet aber nicht – wie der Betriebsrat meint -, dass ein Verfügungsgrund schon dann vorliegt, wenn bei einer auf Dauer gerichteten Maßnahme Mitbestimmungsrechte für die verstrichene Zeit nicht mehr ausgeübt werden können. Das durch eine Unterlassungsverfügung zu sichernde Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist kein subjektives absolutes Recht, welches um seiner selbst willen gegeben ist. Zwar ist dem Betriebsrat die Ausübung des Mitbestimmungsrechts aus eigenem Recht und im eigenen Namen zugewiesen. Es handelt sich aber um eine Berechtigung, deren Ausübung dazu dient, zum Schutz der Arbeitnehmer mitgestaltend tätig zu werden. Als gewähltes Kollektivorgan hat der Betriebsrat die Aufgabe, die Interessen der Belegschaft eines Betriebs wahrzunehmen (Hess. LAG 15.11.2012 – 5 TaBVGa 257/12 – Rn. 25, zitiert nach juris). Für die Feststellung eines Verfügungsgrundes kommt es mithin auch, aber nicht in erster Linie – wie der Betriebsrat meint – darauf an, ob dem Betriebsrat die Ausübung seine Mitbestimmungsrechte ganz oder jedenfalls für die Vergangenheit unmöglich gemacht wird. Ausschlaggebend ist letztlich, ob für die Zeit bis zum Inkrafttreten einer mitbestimmten Regelung, der bezweckte notwendige Schutz der Arbeitnehmer gefährdet oder vereitelt wird (Hess. LAG 15.11.2012 – 5 TaBVGa 257/12 – Rn. 25, zitiert nach juris; ErfK – Koch, § 85 Rn. 5).

2.

Die gebotene Abwägung führt zu dem Ergebnis, dass die Interessen des Betriebsrats bzw. die Arbe...

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