[1] [akt.] Da die Erhebung eines Säumniszuschlages nicht in das Ermessen der Einzugsstelle gestellt ist und auch eine Schonfrist nicht eingeräumt wird, bestand die Notwendigkeit, zumindest für gewisse Ausnahmefälle die Möglichkeit für einen Erlass von Säumniszuschlägen zu schaffen. Dies wurde mit § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV erreicht. Danach dürfen Säumniszuschläge erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Ein Erlass ist grundsätzlich nur auf Antrag des Beitragsschuldners möglich. Der Antrag bedarf keiner besonderen Form.

[2] Ein Erlass von Säumniszuschlägen wegen Unbilligkeit kann insbesondere in folgenden Fällen in Betracht kommen:

  1. Unabwendbares Ereignis

    Ist der Zahlungspflichtige durch den Eintritt eines unabwendbaren Ereignisses an einer pünktlichen Beitragszahlung gehindert und war es ihm nicht möglich, einen Vertreter mit der Zahlung zu beauftragen, so kann die Einziehung der erhobenen Säumniszuschläge unbillig sein. Ein unabwendbares Ereignis kann z.B. eine plötzliche Erkrankung oder ein Unfall des Zahlungspflichtigen bzw. des für die Beitragszahlung Verantwortlichen, aber auch eine Naturkatastrophe oder ein Brand sein. Das unabwendbare Ereignis muss ursächlich dafür sein, dass die Zahlung nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages erfolgen konnte.

  2. Bisher pünktlicher Beitragszahler

    Bei einem bisher pünktlichen Beitragszahler kann die Einziehung von Säumniszuschlägen unbillig sein, wenn dem Zahlungspflichtigen ein offenbares Versehen unterlaufen ist, die Beiträge bis zum Ablauf des Fälligkeitstages nicht zu zahlen (z.B. falsche Einschätzung der Überweisungslaufzeit). Als pünktlicher Beitragszahler ist derjenige anzusehen, der in den letzten 12 Monaten die Beiträge nicht mehr als einmal nach Ablauf des Fälligkeitstages . . . gezahlt hat.

  3. Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung

    [1] Die Einziehung von Säumniszuschlägen ist auch dann unbillig, wenn dem Zahlungspflichtigen die rechtzeitige Zahlung der Beiträge wegen Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung nicht möglich war. Da Säumniszuschläge im Fall der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung zunächst nur hinsichtlich ihres Druckmittelcharakters ins Leere gehen, ist es in diesen Fällen jedoch sachgerecht, nur die Hälfte der Säumniszuschläge zu erlassen.

    [2] Als Zahlungsunfähigkeit ist im Grundsatz das auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende dauernde Unvermögen des Schuldners anzusehen, seine sofort zu erfüllenden (d.h. fälligen) Geldschulden noch im Wesentlichen zu begleichen. Ein derartiges dauerndes Unvermögen wird angenommen, wenn feststeht, dass der Schuldner seine wesentlichen und fälligen Verpflichtungen in den nächsten drei bis sechs Monaten nicht wird begleichen können. Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners seine Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, d.h., dass die Passiva die Aktiva übersteigen.

    [3] Die Voraussetzungen der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung müssen, um einen Erlass der Säumniszuschläge zu rechtfertigen, nicht zwingend kumulativ vorliegen. Liegt nur eine dieser beiden Voraussetzungen vor, ist deshalb ein Erlass der Säumniszuschläge nicht ausgeschlossen.

    [4]Die Eröffnung eines [akt.] Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beitragsschuldners hindert nicht die Entstehung von Säumniszuschlägen. Insoweit kann aber ein Teilerlass (Erlass von Säumniszuschlägen zur Hälfte) in Frage kommen, wenn der Säumniszuschlag die Funktion des Druckmittels verliert, z.B., wenn die [akt.] Insolvenzmasse zeitweise oder dauernd unzulänglich ist. In diesen Fällen wird für die Erlassentscheidung eine Erklärung der Masseunzulänglichkeit durch den [akt.] Insolvenzverwalter bei der Einzugsstelle vorliegen müssen. Ein Erlass der Säumniszuschläge in voller Höhe kommt nicht in Betracht. Im Übrigen ist es für die Entscheidung über den Antrag auf Erlass der Säumniszuschläge unbeachtlich, ob die Einzugsstelle die Säumniszuschläge im [akt.] Insolvenzverfahren oder nach dessen Beendigung überhaupt realisieren kann. Für diese Fälle ist die Niederschlagung nach § 76 Abs. 2 [Satz 1] Nr. 2 SGB IV vorgesehen.

  4. Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz

    [1] Nach § 258 AO kann die Vollstreckungsbehörde im Einzelfall die Vollstreckung wegen UnbilIigkeit einstweilen einstellen oder beschränken oder eine bereits durchgeführte Vollstreckungsmaßnahme aufheben. Diese Maßnahmen dienen – ähnlich wie eine Stundung nach [korr.] § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB IV – der vorübergehenden Schonung des Zahlungspflichtigen. Mit dem Vollstreckungsaufschub wird lediglich zeitweise auf die zwangsweise Durchsetzung des Zahlungsanspruchs verzichtet, die Fälligkeit der Beitragsforderung und damit die Entstehung von Säumniszuschlägen durch Zahlungsverzug wird aber nicht berührt. Die Einziehung von Säumniszuschlägen bei Gewährung von Vollstreckungsaufschub ist nicht von vornherein unbillig, wenn die Einzugsstelle bzw. die Vollstreckungsbehörde auf deren Erhebung ausdrücklich hingewiesen hatte. Ausnahmsweise kann aber ein teilweiser Erlass der Säumni...

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