Rz. 164

Als Möglichkeiten der Immobiliarvollstreckung kommen neben der Eintragung einer Sicherungshypothek sowohl die Zwangsversteigerung als auch die Zwangsverwaltung in Betracht. Mit Anordnung der Zwangsverwaltung bzw. -versteigerung wird bei dem Grundbuchamt ein Zwangsverwaltungs- bzw. Zwangsversteigerungsvermerk eingetragen (sog. Beschlagnahme, §§ 20, 21 ZVG). Die Beschlagnahme im Rahmen der Zwangsversteigerung umfasst nicht Miet- und Pachtforderungen. Folge: Solange nur die Zwangsversteigerung durch einen (Grundpfandrechts-) Gläubiger beantragt wurde, wird das bessere Pfandrecht bei bereits zuvor gepfändeten Miet- und Pachteinnahmen durch einen anderen Gläubiger nicht beeinträchtigt.

 

Rz. 165

Nach §§ 148, 21 Abs. 2 ZVG, § 1123 Abs. 1 BGB erstreckt sich nur die Zwangsverwaltung auch auf die Miet- und Pachtzinsforderungen, und zwar auch auf solche, die bis zu einem Jahr rückständig sind, soweit die Forderung fällig ist (§ 1123 Abs. 2 Satz 1 BGB). Ist die Miete bzw. Pacht im Voraus zu entrichten, erstreckt sich die Befreiung nicht auf die Miete oder Pacht für eine spätere Zeit als den zurzeit der Beschlagnahme laufenden Kalendermonat. Erfolgt die Beschlagnahme nach dem 15. des Monats, erstreckt sich die Befreiung auch auf die Miete oder Pacht für den folgenden Kalendermonat (§ 1123 Abs. 2 Satz 2 BGB). Wenn der Schuldner also über die Miete bzw. Pacht im Voraus verfügt hat, z. B. durch Abtretung, bleibt diese Verfügung dem Gläubiger gegenüber zunächst wirksam (§ 1124 Abs. 1 BGB). Dieselbe Wirkung tritt bei einer Pfändung ein. Sie wird einer rechtsgeschäftlichen Verfügung gleichgestellt. Unwirksam ist die Verfügung (Pfändung) aber, soweit sie sich auf die Miete oder Pacht für eine spätere Zeit als den zurzeit der Beschlagnahme laufenden Kalendermonat bezieht; erfolgt die Beschlagnahme nach dem 15., ist die Verfügung wirksam, als sie sich auf die Miete oder Pacht für den folgenden Kalendermonat bezieht (§ 1124 Abs. 2 BGB).

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 1

Im Eigentum des Schuldners S. steht ein Einfamilienhaus, das er an seinen Mieter M. vermietet. Am 16.10. wird die Zwangsverwaltung über das Grundstück angeordnet. M. hat am 1.10. den gesamten Mietzins für die Monate Oktober, November und Dezember an den S. entrichtet.

Lösung: Die Mietzinsen für Oktober und November hat der M. befreiend an den S. geleistet. Die Miete für Dezember muss er erneut an den Zwangsverwalter entrichten.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 2

Gläubiger G. pfändet die Mieten des Schuldners S. Am 14.10. wird die Zwangsverwaltung über das Grundstück angeordnet.

Lösung: Die Mietzinsen für Oktober kann der M. befreiend an den S. leisten. Die Miete ab November muss er an den Zwangsverwalter leisten.

 

Rz. 166

Pfändet ein Gläubiger wegen einer persönlichen Forderung die Miet- bzw. Pachtansprüche (Goebel, Vollstreckung effektiv 2002, 115) des Schuldners als Vermieter, nachdem die Zwangsverwaltung angeordnet wurde, ist dies ein Verstoß gegen die Beschlagnahmewirkung nach §§ 148, 21 Abs. 2 ZVG, § 865 ZPO. Die Pfändung ist im Hinblick auf die Zwangsverwaltung relativ unwirksam. Etwas anders gilt nur für die mehr als seit einem Jahr rückständigen Miet-, Pachtforderungen. Sie können auch nach Anordnung der Zwangsverwaltung durch einen persönlichen Gläubiger gepfändet werden, da sich hierauf der Hypothekenhaftungsverband nicht erstreckt.

 

Rz. 167

Eine Pfändung vor der Zwangsverwaltungsbeschlagnahme berührt dagegen das Pfandrecht des persönlichen Gläubigers zunächst so lange nicht, wie die zeitliche Beschränkung des § 1124 Abs. 2 BGB nicht greift. Erst danach wird das Pfandrecht des persönlichen Gläubigers durch die Beschlagnahmewirkung im Rahmen der Zwangsverwaltung verdrängt. Ab diesem Zeitpunkt gebühren die Miet- und Pachtzinsforderungen nur noch dem Zwangsverwalter für die Dauer des Verfahrens. Dies hat zur Folge, dass die Pfändungswirkungen des persönlichen Gläubigers wieder aufleben, wenn das Zwangsverwaltungsverfahren beendet ist und die Beschlagnahmewirkungen damit wegfallen. Betreibt allerdings ein dinglicher Gläubiger die Zwangsverwaltung in das Grundstück und wird daher die Beschlagnahme ausgesprochen, kann dieser die vorrangige Mietzinspfändung des persönlichen oder dinglichen Gläubigers zerstören. Denn mit der Beschlagnahme in der Zwangsverwaltung werden die Pfändungsgläubiger durch den Zwangsverwaltungsgläubiger verdrängt (§ 1147 BGB); die gleiche Wirkung tritt ein, wenn ein Gläubiger aufgrund seines dinglichen Titels mittels Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zugreift. Dieser verdrängt stets den persönlichen Gläubiger.

 

Rz. 168

Da sich die Befriedigung des dinglichen Gläubigers auch auf den Hypothekenhaftungsverband erstreckt, also auf die Miet- und Pachtzinsansprüche (vgl. § 1147 BGB), kann dieser auch aufgrund des dinglichen Anspruchs diese wirksam pfänden. Auch wenn diese Wirkungen einem persönlichen Gläubiger gegenüber nachrangig eintreten, geht der dingliche Gläubiger dem persönlichen Gläubiger im Range vor (§ 865 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

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