Rz. 8

Ab dem Vz 2011 galt rückwirkend ein Werbungskosten-Pauschbetrag von 1.000 EUR für Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit nach dem G. v. 1.11.2011. Der Gesetzgeber versprach sich von der Anhebung des Werbungskosten-Pauschbetrags um 80 EUR eine Vereinfachung für die Steuerbürger und die Finanzverwaltung, weil das Sammeln und Prüfen von Einzelbelegen insoweit entbehrlich wird. Beim Steuerabzug vom Arbeitslohn war der Pauschbetrag von 1.000 EUR auf laufenden Arbeitslohn, der für einen nach dem 30.11.2011 endenden Lohnzahlungszeitraum gezahlt wurde, und auf sonstige Bezüge, die nach dem 30.11.2011 zufließen, erstmals anzuwenden. Dies gilt entsprechend für § 39a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 4, Abs. 3 S. 2 EStG. Eine weitere Anhebung über 1.000 EUR hinaus war danach lange Zeit nicht vorgesehen. Eine Anhebung erfolgte jedoch m. W. v. Vz 2022 auf 1.200 EUR sowie m. W. v. Vz 2023 auf 1.230 EUR. Der Gesetzgeber verfolgt hiermit das Ziel, für viele Arbeitnehmer/innen eine Vereinfachung der Besteuerung zu erreichen. Zudem sollen sie unmittelbar und zeitnah über die LSt steuerlich entlastet werden (§ 39b Abs. 2 S. 5 Nr. 1 EStG).[1]

 

Rz. 8a

Es ist fraglich, ob der Arbeitnehmer-Pauschbetrag angesichts seiner über den Rahmen einer Kleinbetragsregelung hinausgehenden Höhe nicht eine verfassungswidrige Bevorzugung der Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit darstellt. Der Arbeitnehmer kann seine Einkünfte um 1.230 EUR mindern, auch wenn seine Leistungsfähigkeit überhaupt nicht oder erheblich geringer durch Werbungskosten gemindert ist. Allerdings kann der Gesetzgeber durch eine hohe Werbungskostenpauschale der Steuervereinfachung Vorrang vor der Einzelfallgerechtigkeit einräumen und dabei auch berücksichtigen, dass ständige Anpassungen den Vereinfachungszweck gefährden würden.[2] Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag dürfte sich danach noch in den Grenzen der Verfassung halten, doch dürfte für künftige Erhöhungen für einen absehbaren Zeitraum nur dann ein Spielraum vorhanden sein, wenn ein sachlicher Grund vorliegt (z. B. hohe Inflation, wie ab dem Jahr 2022).[3].

Der BFH[4] hält den Arbeitnehmer-Pauschbetrag allerdings insoweit für verfassungswidrig, als nicht berücksichtigt wird, wenn der Arbeitgeber Werbungskosten steuerfrei ersetzt.[5] Der BFH sieht hierin eine verfassungswidrige Begünstigung, da die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch die Leistung des Arbeitgebers nicht gemindert ist. Entsprechendes gilt, soweit Erstattungen von Werbungskosten nach §§ 40ff. EStG pauschaliert versteuert werden.[6] A. A. ist jedoch das BVerfG.[7] Die Einführung eines erhöhten Werbungskosten-Pauschbetrags ist auch insoweit mit dem Gleichheitssatz vereinbar, als der Pauschbetrag mit einem steuerfreien oder pauschal versteuerten Werbungskostenersatz durch den Arbeitgeber – etwa gem. §§ 3 Nr. 16, 40 Abs. 2 S. 2 EStG – zusammentrifft.

 

Rz. 9

Der Werbungskosten-Pauschbetrag für Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit nach § 9a S. 1 Nr. 1 Buchst. a) EStG wird allen Arbeitnehmern i. S. d. § 1 LStDV gewährt, auch für Ehegatten und Kinder im Rahmen eines Ehegatten- oder Kinderarbeitsverhältnisses. Es besteht ein Rechtsanspruch auf den Ansatz des ungekürzten Arbeitnehmer-Pauschbetrags, selbst wenn feststeht, dass keine oder nur geringe Werbungskosten angefallen sind.[8]

Der Werbungskosten-Pauschbetrag bzw. der Arbeitnehmer-Pauschbetrag wird bereits bei der Einbehaltung der LSt berücksichtigt, da er in dem Berechnungsablauf zur Ermittlung der LSt berücksichtigt ist (§ 39b Abs. 2 S. 5 Nr. 1 EStG). Da der Arbeitnehmer auch bei mehreren Arbeitsverhältnissen den Werbungskosten-Pauschbetrag nur einmal erhält, wird bei Steuerklasse VI der Pauschbetrag nicht gewährt.

Werbungskosten, die den Pauschbetrag übersteigen, kann der Arbeitnehmer bei der ESt-Veranlagung oder durch Gewährung eines LSt-Freibetrags als elektronisches LSt-Abzugsmerkmal (ELStAM; § 39a Abs. 1 Nr. 1 EStG) geltend machen. Die Antragsgrenze von 600 EUR (§ 39a Abs. 2 S. 4 EStG) ist zu beachten (§ 39a EStG Rz. 56). Die Grenze von 600 EUR wird bei Ehegatten nicht verdoppelt.

Bei Pauschalierung der LSt nach den §§ 40, 40a oder 40b EStG darf der Werbungskosten-Pauschbetrag nicht abgezogen werden, da die LSt vom "Arbeitslohn" zu erheben ist.

 

Rz. 10

Durch G. v. 5.7.2004[9] wurde mit Wirkung ab Vz 2005 mit § 9a S. 1 Nr. 1 Buchst. b) EStG ein weiterer Pauschbetrag im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit für Versorgungsbezüge eingefügt. Von den Versorgungsbezügen nach § 19 Abs. 2 EStG wird danach, neben dem Versorgungsfreibetrag und dem Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag, ein Werbungskosten-Pauschbetrag von 102 EUR abgezogen.

Damit der Wegfall des vollen Arbeitnehmer-Pauschbetrags nach § 9a S. 1 Nr. 1 Buchst. a) EStG durch das Alterseinkünftegesetz v. 5.7.2004 abgemildert wird, gewährt der Gesetzgeber für die Übergangszeit bis zur nachgelagerten Besteuerung der Renten in voller Höhe einen abschmelzenden Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag (§ 19 Abs. 2 S. 3 EStG), der programmgesteuert berück...

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