Rz. 124

Unter § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG fallen nur die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte . Damit ist grundsätzlich der arbeitstägliche Weg von der Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte und zurück gemeint, die der Stpfl. entweder arbeitstäglich durchführt oder doch durchführen könnte.[1] Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte liegen daher nur vor, wenn die Wohnung in einer solchen räumlichen Nähe zur ersten Tätigkeitsstätte liegt, dass der Stpfl. unter Berücksichtigung des benutzten Beförderungsmittels, des erforderlichen Zeitaufwands und der mit der Fahrt verbundenen Strapazen in der Lage ist, arbeitstäglich diese Strecke zurückzulegen und ihm dann noch so viel Zeit verbleibt, dass er an dem Arbeitsort an demselben Tag seiner Beschäftigung nachgehen kann.[2] Hierbei handelt es sich nicht um eine Angemessenheitsprüfung, wie der BFH[3] einmal angenommen hatte, sondern um die auf tatsächlichem Gebiet liegende Frage, ob es sich um Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte für jeden Arbeitstag handelt.[4]

Auch bei einer sehr großen Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sind danach noch Werbungskosten anzuerkennen, wenn die Wege tatsächlich arbeitstäglich zurückgelegt werden.[5] Die Entfernungspauschale gilt gem. § 9 Abs. 1 Nr. 4 S. 3 EStG nicht für Flugstrecken. Der Umstand, dass der Gesetzgeber Flugstrecken nicht in die Entfernungspauschale einbezogen hat, ist verfassungsrechtlich nicht bedenklich. Der Gesetzgeber konnte Flugstrecken aus verkehrs- und umweltpolitischen Gründen anders regeln als die Benutzung anderer Verkehrsmittel. Es liegt auch kein normatives Vollzugsdefizit vor. Die Berücksichtigung der Flugstrecken mit den tatsächlichen Kosten genügt dem objektiven Nettoprinzip und stellt eine folgerichtige Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dar.[6]

"Arbeitstag" i. d. S. ist nicht unbedingt der Kalendertag, sondern die zusammenhängende Arbeitszeit, die der Stpfl. an seinem Tätigkeitsort ableistet, bevor er sich wieder in seine Wohnung begeben kann.[7] Eine weite Entfernung schadet daher nicht, wenn der Dienst des Arbeitnehmers nicht täglich mit Freizeit wechselt, sondern einen Block von mehreren Tagen bildet.[8]

Liegen danach keine Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte vor, weil die Wohnung zu weit von der ersten Tätigkeitsstätte entfernt liegt, sind die Fahrtaufwendungen nach den Grundsätzen der Familienheimfahrten (Rz. 213ff.) zu beurteilen.

 

Rz. 125

Liegen Wohnung und erste Tätigkeitsstätte in einem solchen räumlichen Verhältnis zueinander, dass danach arbeitstäglich der Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte/Tätigkeitsstätte zurückgelegt werden kann, ist es für die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG ohne Bedeutung, ob auch an jedem Arbeitstag dieser Weg tatsächlich zurückgelegt wird. Hat der Stpfl. z. B. mehrere Wohnungen (Rz. 119), können die Wege von jeder Wohnung unter § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG fallen, auch wenn tatsächlich die Wege von einer dieser Wohnungen nur verhältnismäßig selten zurückgelegt wurden.[9] Es ist allerdings zu beachten, dass Wege von und zu der von der ersten Tätigkeitsstätte weiter entfernt liegenden Wohnung nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 S. 6 EStG nur dann berücksichtigt werden, wenn sich dort der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers befindet und sie nicht nur gelegentlich aufgesucht wird.

 

Rz. 126

Tritt der Stpfl. dagegen den Weg zu der ersten Tätigkeitsstätte nicht von der Wohnung, sondern von einer anderen Tätigkeitsstätte aus an, handelt es sich nicht mehr um Wege zwischen Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte.

Für die dazwischen liegenden Wege von einer Tätigkeitsstätte zur anderen gelten die Einschränkungen des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG nicht[10]; diese Wege sind als Auswärtstätigkeit abzurechnen (Rz. 265 "Dienstreise"). Die Einschränkungen des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG gelten allerdings nur für die Wege zwischen privater und beruflicher Sphäre, nicht für Wege innerhalb der beruflichen Sphäre. Erfolgt der abendliche Weg von einer anderen Tätigkeitsstätte aus als der Hinweg, ist jeweils der halbe Pauschbetrag für die Entfernung des ersten Hin- und des letzten Rückwegs anzusetzen.

Mit diesen Grundsätzen stimmt auch der BFH nicht überein.[11] In diesem Fall hatte ein Stpfl. eine Betriebsstätte als Freiberufler und an einem anderen Ort eine ständige Arbeitsstätte als Arbeitnehmer. Der BFH ließ die Kosten für die Fahrten zwischen Betriebsstätte und Arbeitsstätte nur beschränkt nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG zum Abzug zu und begründete dies damit, dass der Stpfl. bei diesen Fahrten nicht innerhalb des betrieblichen oder beruflichen Bereichs verbleibe, sondern gerade aus dem betrieblichen in den beruflichen Bereich überwechsle oder umgekehrt. Diese Begründung kann die Entscheidung aber nicht tragen. § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist eine Ausnahmeregelung, die nur den Abzug der Kosten für Wege zwischen der Privat- und der Berufssphäre (oder Betriebssphäre) einschränkt, nicht jedoch für Wege zwischen Be...

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