Rz. 425

§ 49 Abs. 2 EStG enthält die gesetzliche Regelung der sog. "isolierenden Betrachtungsweise". Hierbei handelt es sich um die einer Fiktion ähnlichen Regelung zur Begrenzung des der steuerlichen Beurteilung unterliegenden Sachverhalts. Der Sachverhalt wird danach nicht in seiner vollen Komplexität gewürdigt und unter eine steuerliche Vorschrift subsumiert, sondern er wird unter bestimmten Umständen um diejenigen im Ausland verwirklichten Besteuerungsmerkmale verkürzt, bei deren Berücksichtigung keine inländischen Einkünfte vorliegen würden. Unter dem Begriff der "Besteuerungsmerkmale" sind entsprechend dem Zweck der Vorschrift Teile des steuerlich relevanten Sachverhalts zu verstehen.[1] Der steuerlichen Beurteilung ist der um bestimmte ausl. Sachverhaltsteile verkürzte, im Inland verwirklichte Sachverhalt zugrunde zu legen. Der Zweck der isolierenden Betrachtungsweise liegt darin, Einkünfte wegen des bestehenden Inlandsbezugs auch dann als inländische einordnen zu können, wenn sie unter Berücksichtigung auch der im Ausland verwirklichten Tatbestandsmerkmale einer anderen Einkunftsart zuzuordnen wären, für die die im Inland verwirklichten Merkmale zur Qualifizierung als inländische Einkünfte nicht ausreichen. Die Vorschrift erreicht daher im Ergebnis eine Ausdehnung des Begriffs der inländischen Einkünfte mittels der Verkürzung des steuerlich zu beurteilenden Sachverhalts. Die praktische Bedeutung liegt in der Umqualifizierung von gewerblichen, ggf. auch selbstständigen Einkünften, die mangels einer inländischen Betriebsstätte nicht erfasst werden könnten, in eine Einkunftsart, die dem Wesen der Einkünfte, isoliert betrachtet, entspricht, und die nach dem Katalog des § 49 Abs. 1 EStG zu inländischen Einkünften führt. Damit soll vermieden werden, dass Einkünfte, die bei Berücksichtigung des gesamten Sachverhalts gewerblich sind, mangels einer inländischen Betriebsstätte nicht der beschr. Steuerpflicht unterliegen. Stattdessen wird der verkürzte Sachverhalt unter einen anderen Tatbestand des § 49 Abs. 1 EStG subsumiert, z. B. Vermietung und Verpachtung oder Kapitalvermögen, für den ein genügender Inlandsbezug vorliegt. Im Ergebnis wird durch die isolierende Betrachtungsweise der Sachverhalt auf die inländische Einkunftsquelle eingeengt. Dies entspricht dem Objektcharakter der beschr. Steuerpflicht und führt das Territorialitätsprinzip konsequent zu Ende. Die Vorschrift ist systematisch gerechtfertigt, da die Einkünfte ihrem Wesen nach aus dem Inland stammen, also inländische Einkünfte sind, und lediglich die durch eine Subsidiaritätsklausel im nationalen Recht geschaffene Einschränkung beseitigt wird (zur Subsidiarität Rz. 431).

 

Rz. 426

Die Rspr.[2] hatte die isolierende Betrachtungsweise ursprünglich ohne gesetzliche Grundlage aus dem objektsteuerartigen Charakter der beschr. Steuerpflicht (Rz. 7) abgeleitet und daraus die Folgerung gezogen, dass die Zuordnung der Einkünfte zu den einzelnen Tatbeständen des § 49 Abs. 1 EStG nur anhand der Verhältnisse im Inland vorgenommen werden könnte. Nur auf das objektive Wesen der aus dem Inland bezogenen Einkünfte komme es an. Mit § 49 Abs. 2 EStG ist die Rspr. des BFH in das Gesetz aufgenommen worden. Damit wurden Bedenken ausgeräumt, die sich gegen die eine "Sachverhaltsfiktion" enthaltende Rspr. wegen des Fehlens einer gesetzlichen Grundlage richten konnten.[3]

 

Rz. 426a

§ 49 Abs. 2 EStG ist nur im Rahmen des nationalen Rechts anwendbar, wirkt jedoch nicht auf die Qualifizierung der Einkünfte nach DBA ein. Das bedeutet, dass Subsidiaritätsklauseln in DBA, wie Art. 7 Abs. 4 OECD-MA, nicht betroffen sind. Die Einordnung der Einkünfte in eine bestimmte Einkunftsart des DBA erfolgt daher ohne Anwendung des § 49 Abs. 2 EStG. Bei der zweistufigen Prüfung unter Anwendung des DBA ist also einerseits unter Anwendung der isolierenden Betrachtungsweise zu prüfen, ob inländische und damit der beschr. Steuerpflicht unterliegende Einkünfte nach § 49 Abs. 1 EStG vorliegen, und andererseits, jetzt aber ohne Anwendung des § 49 Abs. 2 EStG, ob Deutschland für diese Einkünfte nach dem einschlägigen DBA das Besteuerungsrecht hat. Nur wenn beide Fragen bejaht werden, kommt es zu einer inländischen Besteuerung.

 

Rz. 426b

Die isolierende Betrachtungsweise ist nur bei der ESt und KSt anzuwenden, nicht jedoch bei der GewSt. Der GewSt unterliegt nur der inländische stehende Gewerbebetrieb, setzt also eine inländische Betriebsstätte voraus. Von der Notwendigkeit einer inländischen Betriebsstätte kann gewerbesteuerlich nicht abstrahiert werden. Inländische Einkünfte eines ausl. Unternehmens, die außerhalb einer inländischen Betriebsstätte der GewSt unterliegen, kann es daher nicht geben.

 

Rz. 427

Nach § 49 Abs. 2 EStG sind im Ausland gegebene Besteuerungsmerkmale außer Betracht zu lassen, soweit ihre Berücksichtigung dazu führen würde, dass diese Einkünfte aus der beschr. Steuerpflicht herausfallen würden. Bei der Prüfung ist daher in 2 Schritten vorzugehen: Im ersten Schritt ist der gesamte Sac...

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