Rz. 108

Ein Entleiher haftet nach § 42d Abs. 6 S. 1 EStG ausnahmsweise nicht in den Fällen einer Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 Abs. 3 AÜG. Hierunter fallen u. a. folgende Sachverhalte: Arbeitgeber desselben Wirtschaftszweigs überlassen untereinander Arbeitnehmer, um Kurzarbeit oder Entlassungen zu vermeiden (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 AÜG). Konzernunternehmen i. S. v. § 18 AktG helfen einander mit Arbeitnehmern aus (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG). Überlässt eine im Ausland ansässige Kapitalgesellschaft von ihr eingestellte Arbeitnehmer ihrer inländischen Tochtergesellschaft gegen Erstattung der Lohnkosten, so ist die inländische Tochtergesellschaft nicht Arbeitgeber i. S. v. § 38 Abs. 1 Nr. 1 EStG und haftet daher nicht nach § 42d Abs. 1 EStG. Sie kann nur unter den Voraussetzungen des § 42 Abs. 6 EStG haften.[1]

 

Rz. 109

Ein Entleiher haftet nach § 42d Abs. 6 S. 2 EStG nicht, wenn der Überlassung eine Erlaubnis nach § 1 AÜG zugrunde liegt oder die Erlaubnis in dieser Zeit nach § 2 Abs. 4 AÜG als fortbestehend gilt, d. h. bis zu zwölf Monaten nach Erlöschen der Erlaubnis für die Abwicklung der erlaubt abgeschlossenen Verträge und soweit er nachweist, dass er den in § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG vorgesehenen Melde- und Mitwirkungspflichten nachgekommen ist.[2] Dadurch soll es dem FA ermöglicht werden, über die Agentur für Arbeit und den Sozialversicherungsträger überprüfen zu lassen, dass keine Steuerverkürzung vorliegt. Zugleich gibt der Entleiher nach Auffassung des Gesetzgebers damit zu erkennen, dass er sich an LSt-Verkürzungen des Verleihers nicht beteiligen will. Die Zweckmäßigkeit dieser Enthaftung des Verleihers ist jedoch schwer nachvollziehbar. Denn die Meldungen weisen keinen Bezug zur Erfüllung der Pflicht zur Einbehaltung und Abführung der LSt auf.

 

Rz. 110

Der Entleiher haftet nach § 42d Abs. 6 S. 3 EStG nicht, wenn er über das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung ohne Verschulden irrte. Der Gesetzgeber wollte damit der Schwierigkeit Rechnung tragen, im Einzelfall zwischen einer Arbeitnehmerüberlassung und einer anderen Form von Fremdpersonaleinsatz zu unterscheiden. Dieser Haftungsausschluss ist sowohl bei erlaubter als auch bei unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung anwendbar. Es schadet leichte Fahrlässigkeit. So muss sich der Entleiher den Vorwurf gefallen lassen, angesichts der zweifelhaften Beurteilung des Vertragsverhältnisses hätte er sich beim FA oder bei der Agentur für Arbeit über die Einordnung als Subunternehmerverhältnis oder als Arbeitnehmerüberlassung erkundigen müssen.

 

Rz. 111

Die Qualifizierung eines Vertrags als Werk- oder Dienstvertrag einerseits oder als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag andererseits ist nicht nach der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses durch die Vertragsparteien, sondern nach dem tatsächlichen Geschäftsinhalt vorzunehmen. Maßgeblich hierfür sind die Vereinbarungen, aber auch die tatsächliche Durchführung bei wertender Gesamtbetrachtung aller Umstände.[3]

 

Rz. 112

Bei einem Dienst- oder Werkvertrag (§ 611 bzw. § 631 BGB) organisiert der Unternehmer die zur Erreichung des wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Arbeiten selbst und bedient sich dabei seiner Arbeitnehmer als Erfüllungsgehilfen. Diese bleiben in seinen Betrieb eingegliedert und unterstehen seinen Weisungen hinsichtlich Inhalt, Zeit und Ort der Arbeit.

 

Rz. 113

Bei einer Arbeitnehmerüberlassung hingegen stehen die Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis zum Verleiher und werden von diesem entlohnt. Sie sind aber in die Betriebsorganisation des Entleihers ähnlich wie dessen Stammarbeitskräfte eingegliedert. Sie unterliegen daher der Weisungsbefugnis des Entleihers. Dieser kann vom Verleiher eine bestimmte Qualifikation der eingesetzten Arbeitskräfte verlangen und bestimmte Mitarbeiter zurückweisen. Der Entleiher vergütet den Verleiher nach Zeiteinheiten, unabhängig vom Ergebnis der von den eingesetzten Arbeitskräften erbrachten Leistungen.

 

Rz. 114

Um von der Haftung nach § 42d Abs. 6 EStG – sowohl im Fall einer erlaubten als auch einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung – freizukommen, muss der Entleiher nachweisen, dass er sich über das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung geirrt hat (§ 42d Abs. 6 S. 3 EStG). Dem Entleiher obliegt die Nachweispflicht. Denn er beruft sich auf eine Ausnahme von der Grundregel der Entleiherhaftung nach § 42d Abs. 6 S. 1 EStG. Leichte Fahrlässigkeit entschuldigt den Entleiher nicht. Er muss sich auch vorhalten lassen, dass er sich bei Zweifeln nicht beim FA oder der Agentur für Arbeit erkundigt hat. Der Entleiher trägt die Feststellungslast, wenn er sich darauf beruft, dass er über das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung ohne Verschulden irrte. Dabei sind im Bereich unzulässiger Arbeitnehmerüberlassung wegen des Verbots des § 1b AÜG strenge Maßstäbe anzulegen. Dies gilt insbesondere, wenn das Überlassungsentgelt deutlich günstiger ist als dasjenige von anderen Anbietern.[4] Ein Irrtum des Entleihers über das Vorhandensein einer Überlassungserlaubnis ist in § 42d Abs. 6 S. 3 EStG nicht als...

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