8.1 Allgemeines

 

Rz. 99

Arbeitnehmerüberlassung i. S. d. Legaldefinition des§ 1 Abs. 1 S. 2 AÜG ist gekennzeichnet durch eine spezifische Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen zwischen Verleiher und Entleiher einerseits (dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag) und zwischen Verleiher und Arbeitnehmer andererseits (dem Leiharbeitsvertrag) sowie durch das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Entleiher. Kennzeichnend für die Überlassung von Arbeitnehmern ist, dass der Verleiher dem Entleiher die Befugnis einräumt, das ihm als Arbeitgeber zustehende Weisungsrecht dem Leiharbeitnehmer gegenüber auszuüben.[1] Das AÜG wurde umfassend geändert zum Schutz der Arbeitnehmer m. W. ab 1.4.2017.[2] § 42d Abs. 6 bis 8 EStG ist durch das Steuerbereinigungsgesetz v. 19.12.1985[3] als Reaktion des Gesetzgebers auf die Entscheidung des BFH v. 2.4.1982, VI R 34/79, BStBl II 1982, 502, in das EStG eingefügt worden. In diesem Urteil hatte der BFH nicht an das Arbeitsrecht angeknüpft, das im Fall der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung nach § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher fingiert. Ungeachtet dessen haftete nach Auffassung des BFH für nicht einbehaltene und nicht abgeführte LSt nicht der Entleiher, sondern der illegale Verleiher, der die Leiharbeitnehmer bezahlt und damit das wirtschaftliche Ergebnis des nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksamen Arbeitsverhältnisses mit dem Leiharbeitnehmer eintreten und bestehen lässt (§ 41 Abs. 1 AO). Mit dieser Begründung war einer Steuerhinterziehung im Bereich der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung Tor und Tür geöffnet. Denn eine Inanspruchnahme der Verleiher für nicht einbehaltene und nicht abgeführte LSt ist in vielen Fällen der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung kaum möglich. Die, die Vorteile der Arbeitnehmerüberlassung genießenden, Entleiher hingegen blieben von der Haftung für LSt frei.

 

Rz. 100

Bei seiner Regelung hat es der Gesetzgeber bei der vom BFH in Fällen der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung bejahten Haftung des Verleihers nach § 42d Abs. 1 EStG belassen. Neben ihm haftet jedoch nach § 42d Abs. 6 EStG ebenso bei erlaubter wie bei unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung auch der Entleiher. Wird hingegen der Arbeitslohn vom Entleiher gezahlt, so haftet neben ihm auch der Verleiher nach § 42d Abs. 7 EStG. Die Entleiherhaftung wird damit gerechtfertigt, da der Entleiher die Vorteile der Arbeitnehmerüberlassung genieße, müsse er auch für die Risiken aufgrund nicht einbehaltener und nicht abgeführter LSt einstehen.[4]

 

Rz. 100a

Eine gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung liegt bei Unternehmen als Verleiher vor, die Dritten als Entleiher gewerbsmäßig Arbeitnehmer als Leiharbeitnehmer zur Arbeitsleistung überlassen.[5] Als Arbeitgeber i. S. v. § 38 EStG ist im Falle einer Arbeitnehmerüberlassung derjenige anzusehen, der dem Arbeitnehmer den Arbeitslohn im eigenen Namen und auf eigene Rechnung unmittelbar auszahlt.[6] Im Allgemeinen ist dies der Verleiher.[7] Eine Arbeitnehmerentsendung im Konzern wird nicht als gewerbsmäßige Arbeitnehmerentsendung angesehen (s. auch Rz. 10a).[8]

[1] BAG v. 27.9.2022, 9 AZR 468/21, NZA 2023, 105: Luftfahrt, Wet-Lease als Arbeitnehmerüberlassung; s. aber BAG v. 5.7.2022, 9 AZR 323/21, NZA 2022, 1602: Abgrenzung Arbeitnehmerüberlassung zur Ausführung eines Dienstvertrags.
[2] AÜGuaÄndG 2017 v. 21.2.2017, BGBl I 2017, 258; zuletzt wurde das AÜG bezüglich § 14 AÜG geändert durch G. v. 4.1.2023 m.W. ab 31.1.2023, BGBl I 2023, Nr. 10.
[3] BGBl I 1985, 2436.
[4] BT-Drs. 10/4119.
[5] BMF v. 3.5.2018, V B 2 – S 1300/08/10027, Rz. 158, BStBl I 2018, 643.
[7] Eismann, DStR 2011, 2381.
[8] BFH v. 17.5.2004, VI B 65/01; H 42d.2 "Arbeitnehmerüberlassung im Konzern" LStH 2023; ausführlich zur grenzüberschreitender Arbeitnehmerentsendung im Konzern BMF v. 3.5.2018, V B 2 – S 1300/08/10027, Rz. 128ff., BStBl I 2018, 643.

8.2 Haftung des Verleihers als Arbeitgeber nach § 42d Abs. 1

 

Rz. 101

Der Verleiher ist grundsätzlich im arbeits- und lohnsteuerrechtlichen Sinn der Arbeitgeber der Leiharbeitnehmer mit der Folge, dass er für nicht einbehaltene und nicht abgeführte LSt nach § 42d Abs. 1 EStG haftet. Denn aufgrund eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags verpflichtet sich der Verleiher, dem Entleiher vorübergehend für die Arbeitsleistung einen leistungsfähigen und leistungsbereiten Arbeitnehmer zu verschaffen. Der Verleiher bleibt der Arbeitgeber, der den Arbeitnehmer entlohnt. Der Entleiher übt jedoch für die Zeeit der Überlassung das mit der Arbeitgeberstellung verbundene Direktionsrecht aus. Auch wenn der Verleiher keine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung besitzt, bleibt er – anders als nach Arbeitsrecht (§ 10 Abs. 1 AÜG) – Arbeitgeber im lohnsteuerrechtlichen Sinn, solange er – also nicht der Entleiher – die Arbeitskräfte entlohnt.[1] Denn in Fällen der Arbeitnehmerüberlassung ist derjenige als Arbeitgeber anzusehen, der dem Arbeitnehmer den Lohn im eigenen Namen und für eigene Rechnung auszahlt.[2] Der eine Arbeitnehmerüb...

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