Rz. 69

Außerordentliche Einkünfte i. S. v. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG können auf Antrag bis zu einem Betrag von 5 Mio. EUR nach § 34 Abs. 3 S. 1 EStG mit einem ermäßigten Steuersatz besteuert werden, wenn der Stpfl. das 55. Lebensjahr vollendet hat oder wenn er im sozialversicherungsrechtlichen Sinn dauernd berufsunfähig (§ 16 EStG Rz. 256f.) ist. Diese Tarifbegünstigung ist durch das Steuersenkungsergänzungsgesetz v. 19.12.2000[1] mit Wirkung v. 1.1.2001 wieder eingeführt worden Die Versagung dieser Steuervergünstigung für Arbeitnehmer hat der BFH für verfassungsgemäß erachtet.[2] Die Steuervergünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG erfordert, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen entweder veräußert oder in das Privatvermögen überführt werden[3], nicht aber Forderungen einer freiberuflichen Praxis, die keine wesentlichen Betriebsgrundlagen darstellen.[4]

 

Rz. 70

§ 34 Abs. 3 EStG knüpft an den bis Ende 1998 geltenden § 34 Abs. 3 EStG an, weist aber demgegenüber wesentliche Einschränkungen auf. Voraussetzung für den ermäßigten Steuersatz ist nunmehr, dass

  • Gewinne aus Betriebsveräußerungen oder -aufgaben i. S. v. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG gegeben sind;
  • der Stpfl. die Tarifermäßigung bisher noch nicht in Anspruch genommen hat
  • der Stpfl. das 55. Lebensjahr vollendet hat oder im sozialversicherungsrechtlichen Sinn dauernde berufsunfähig ist;
  • er einen Antrag auf Gewährung dieser Tarifvergünstigung gestellt hat.
 

Rz. 71

Mit dem ermäßigten Steuersatz tarifbegünstigt sind nach § 34 Abs. 3 S. 1 EStG nur Veräußerungsgewinne i. S. v. § 34 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. §§ 14, 14a Abs. 1, 16 und 18 Abs. 3 EStG. Gewinne aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften i. S. v. § 17 EStG sind in keinem Vz nach § 34 Abs. 3 EStG begünstigt. Dies folgt aus § 52 Abs. 47 S. 3 EStG a. F. Der ermäßigte Steuersatz von 56 % lt. § 34 Abs. 3 S. 2 EStG soll Gewinnen aus der Veräußerung von Betrieben und Mitunternehmeranteilen vorbehalten bleiben (Rz. 22). Der Freibetrag des § 16 Abs. 4 EStG ist vorrangig auf die nicht tarifbegünstigten Teile des Veräußerungsgewinns anzuwenden.[5]

 

Rz. 72

Der ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG kann nicht in Anspruch genommen werden für die in § 34 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 EStG aufgeführten außerordentlichen Einkünfte.

 

Rz. 73

Die Tarifvergünstigung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 3 EStG ist auf einen Veräußerungsgewinn beschränkt. Ein Stpfl. kann die Vergünstigung nur einmal in seinem Leben und nur für einen Veräußerungs- oder Aufgabegewinn in Anspruch nehmen (§ 34 Abs. 3 S. 4 und 5 EStG). Es gelten somit die gleichen Grundsätze wie für den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG. Die Steuervergünstigung ist auch dann für die Zukunft "verbraucht", wenn das FA sie dem Stpfl. bereits einmal, wenn auch zu Unrecht, gewährt hat.[6]

Etwas anderes gilt nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nur dann, wenn die rechtsirrige Gewährung der Vergünstigung in einem früheren Bescheid für den Stpfl. angesichts der geringen Höhe der Vergünstigung und wegen des Fehlens eines Hinweises des FA nicht erkennbar war.[7]

Ein Antrag auf ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 3 EStG ist zulässig, solange der entsprechende Steuerbescheid nicht formell und materiell bestandskräftig ist. Anschließend ist die "Rücknahme" des Antrags auch nicht mehr im Zusammenhang mit einem geänderten Grundlagenbescheid möglich, um das Wahlrecht in einem späteren Vz neu auszuüben[8].

 

Rz. 74

Erzielt ein Stpfl. mehrere Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe von Betrieben oder Mitunternehmeranteilen, so muss er sich bei seinem Antrag auf Gewährung des ermäßigten Steuersatzes entscheiden, für welchen Gewinn er den ermäßigten Steuersatz beantragen will. Ergeben sich bei mehreren Teilbetrieben teils Veräußerungsgewinne und teils Veräußerungsverluste, so sind diese bei der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes zu saldieren.[9] Es empfiehlt sich, vor einer Veräußerung zu prüfen, ob sich mehrere wirtschaftliche Einheiten zu einer zusammenfassen lassen. So lässt sich ein Betrieb in eine Mitunternehmerschaft nach § 24 UmwStG einbringen. Gestalterisch ungeeignet erscheint jedoch die Zusammenfassung durch Einbringung eines Mitunternehmeranteils in eine andere Mitunternehmerschaft mit der Folge, dass eine doppelstöckige Gesellschaft entsteht. Die Veräußerung des Anteils an der Obergesellschaft und die damit mittelbar verbundene Veräußerung des Anteils an der Untergesellschaft sind 2 Veräußerungsvorgänge.[10]

 

Rz. 75

Zur Berechnung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 3 S. 2 EStG s. R 34.5 Abs. 1 EStR 2012.[11] Für das gesamte zu versteuernde Einkommen einschließlich der stpfl. außerordentlichen Einkünfte zuzüglich von dem Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG unterliegenden Einkünften ist der Steuerbetrag nach der zugrunde zu legenden ESt-Tabelle (Grund- oder Splittingtabelle) zu ermitteln. Ausländische, dem Progressionsvorbehalt unterliegende Einkünfte sind steuersatzerhöhend zu berücksichtigen, indem sie dem verbleibenden, zu versteu...

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