Rz. 15

Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2a kann die Bundesregierung eine Rechtsverordnung erlassen, in der Ausnahmen von der Sonn- und Feiertagsruhe normiert werden, wenn dies zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist. Dabei handelt es sich um das sogenannte Bedürfnisgewerbe. Unterschieden werden kann dabei in Arbeiten, die trotz des Sonntags zulässig sind – beispielsweise medizinische Versorgung – und solche, die gerade für den Sonntag erforderlich sind, also solche, die der Bevölkerung eine individuelle Gestaltung des arbeitsfreien Tages und der seelischen Erhebung ermöglichen sollen.[1]

 

Rz. 16

Ein Bedürfnis i. S. d. Vorschrift liegt noch nicht vor, wenn die Verbraucher ein vorhandenes Warenangebot lediglich begrüßen und nutzen[2], vielmehr ist dies erst dann der Fall, wenn Waren oder Dienstleistungen von einem wesentlichen Teil der Bevölkerung als täglich wichtig in Anspruch genommen werden.[3]

 

Rz. 17

Erforderlich ist die Beschäftigung der Arbeitnehmer zur Erfüllung dieser Bedürfnisse dann, wenn erhebliche Schäden an anderen Rechtsgütern vermieden werden und die Befriedigung lediglich durch Sonn- oder Feiertagsarbeit möglich ist. Hier ist lediglich das Gewicht des spezifischen Sonn- und Feiertagsbedarfs der institutionellen Sonn- und Feiertagsgarantie gegenüberzustellen. Unternehmerische Interessen und Freiheiten sind unbeachtlich bzw. wird ihnen über die übrigen in § 13 enthaltenen Regelungen bereits ausreichend Rechnung getragen.[4] Nicht erforderlich ist die Befriedigung des Bedürfnisses an Sonn- und/oder Feiertagen dann, wenn durch vorausschauende Planung die Wünsche der Bevölkerung nach einer bestimmten Freizeitgestaltung realisiert werden können. Die Sonntagsarbeit dient dabei im Sinne der Verordnungsermächtigung gerade nicht der Vermeidung erheblicher Schäden. Lediglich, wenn die Versorgung für beachtliche Teile der Bevölkerung beeinträchtigt wäre, kann dies einen ausnahmebewilligungsfähigen Schadensabwendungsfall darstellen. Auch besteht keine Ausnahme bei Vertrieb oder Belieferung an die Kundschaft durch Großhandelsbetriebe, insbesondere im Fall von Fehldispositionen. Vielmehr müsste dies im Rahmen von § 13 Abs. 1 Nr. 2a ArbZG ebenfalls einem Bedürfnis der Kundschaft dienen, das gerade an Sonn- und Feiertagen besonders hervortritt. Hier ist immer zu beachten, ob eine Abweichung von § 9 ArbZG über die darin bereits geregelten Fälle hinaus gerechtfertigt ist. Bei Erzeugnissen des täglichen Bedarfs ist eine Befriedigung des täglichen Bedarfs durch Vorratshaltung, insbesondere bei längerer Haltbarkeit und Gefriermöglichkeiten zu berücksichtigen (so beispielsweise von der Rechtsprechung verneint im Fall von Roh- und Speiseeis, sowie alkoholfreien Getränken und Schaumwein).[5]

 

Rz. 18

Erfasst sind von der Ausnahmeregelung nur die Arbeitsbereiche, die unmittelbar der Befriedigung dieses Bedürfnisses dienen, nicht aber Arbeiten, die der Vor- oder Nachbereitung dienen.[6]

 

Rz. 19

 
Praxis-Beispiel

Videotheken und Bibliotheken: nein

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist die Arbeit an Sonn- und Feiertagen in Videotheken und Bibliotheken beispielsweise nicht zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich.[7]

 
Praxis-Beispiel

Freizeitveranstaltungen und Vergnügungseinrichtungen: ja

Dagegen ist bei Freizeitveranstaltungen, wie Kultur- und Sportveranstaltungen oder Vergnügungseinrichtungen, die Arbeit an Sonn- und Feiertagen zur Befriedigung der Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich.

 
Praxis-Beispiel

Unter § 105e GewO a. F. waren als Bedürfnisgewerbe beispielsweise anerkannt:

Blumengeschäfte, Kranzbindereien, Werkstätten für Kraftfahrzeuge, Zeitungsdruckereien, das Fotografengewerbe, Molkereien, Brauereien, Mineralwasserfabriken, Roh- und Speiseeisfabriken, Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerke, Badeanstalten, Abwasserbeseitigungsanlagen.[8]

[1] BVerfG, Urteil v. 1.12.2009, 1 BvR 2857, 2858/07.
[2] Neumann/Biebl, § 13 ArbZG, Rz. 7.
[4] Buschmann/Ulber, § 13 ArbZG, Rz. 5; VGH Hessen, Urteil v. 1.7.2020, 8 C 213/15.N.
[5] Wiebauer, NVwZ 2015, 543, 546; VGH Hessen, Urteil v. 1.7.2020, 8 C 213/15.N.
[6] Baeck/Deutsch, § 13 ArbZG, Rz. 15.
[8] Schliemann, § 13 ArbZG, Rz. 15.

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