Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung selbstständiger Handelsvertreter von angestellten Reisenden

 

Leitsatz (amtlich)

1. Beim Streit über die Arbeitnehmereigenschaft kann im Rahmen der Gesamtwürdigung auch das Ergebnis eines sozialversicherungsrechtlichen Streits berücksichtigt werden.

2. Die Befugnis gewerblicher Handelsvertreter zur Einschaltung Dritter spricht gegen die Stellung als Arbeitnehmer.

 

Normenkette

EStG §§ 15, 19

 

Tatbestand

Streitig ist, ob drei von vierzehn Gebietsvertretern der Klägerin als gewerbliche Handelsvertreter für sie tätig geworden sind oder als Arbeitnehmer, so dass Lohnsteuer einzubehalten war.

Die Klägerin belieferte 1988 bis 1992 Ladengeschäfte des Army and Airforce Exchange Service, die in Deutschland stationierte US-amerikanische Streitkräfte im zivilen Bereich versorgten. Die in den Truppenstandorten unterhaltenen Läden waren nur für Angehörige der Streitkräfte zugänglich. Zu diesem Zwecke beschäftigte die Klägerin 14 Bezirksvertreter, deren Aufgaben darin bestanden, Verkaufsgespräche zu führen, den Markt zu beobachten, die Kunden regelmäßig zu besuchen, zu beraten und zu unterstützen, Geräte zu installieren sowie Verkaufsvorführungen und Seminare durchzuführen.

Die Klägerin verlangte von den Bezirksvertretern die Vorlage eines Gewerbescheins und behandelte sie steuerlich als selbstständige Gewerbetreibende. Der Gebietsvertreter A hat jedoch im Rahmen seiner Tätigkeit Briefpapier der Klägerin benutzt und sich dabei als "Marketing Coordinator" bezeichnet.

Die Verträge der hier streitigen drei Gebietsvertreter liegen in englischer Sprache vor (A: Blatt 58 FGA, B: Blatt 84 und 89, Frau C bzw. C-D Blatt 97). Darüber hinaus befindet sich in der Haftungsakte (Bl. 8 ff.) die freie Übersetzung ("ohne Anspruch auf Richtigkeit") eines weiteren, nicht datierten Vertrages, bei dem der Name des Vertreters gestrichen wurde und der im wesentlichen - mit Ausnahme der Firmenbezeichnung und des Kundenbezirks sowie dem Fehlen einer Wettbewerbsklausel - dem des Gebietsvertreters A entspricht.

Der Vertrag des Gebietsvertreters A enthält im Einzelnen u.a. folgende Regelungen:

Der Vertreter erhält die Alleinvertretung für näher bezeichnete Handelsware (§ 1) in bestimmten Kundenbezirken, die von der Firma geändert werden können. Die Firma ist auch befugt, ein anderes Vertragsgebiet zuzuweisen und behält sich das Recht vor, selbst im Vertragsgebiet tätig zu sein (§ 3). Der Vertreter hat die Pflicht, Weisungen zum Nutzen der Firma auszuführen, den Markt zu beobachten, Kunden regelmäßig zu besuchen und zu beraten, Geräte nach Wünschen der Kunden zu installieren, Verkaufsvorführungen und Seminare durchzuführen usw. (§ 4 Abs. 2). Er hat strenge Vertraulichkeit zu wahren und ist verpflichtet, die Interessen der Firma mit der Gewissenhaftigkeit eines seriösen Geschäftsmanns zu fördern und zu schützen (§ 4 Absätze 3 und 4). Der Vertreter hat die Firma von jedem Abschluss sofort zu unterrichten und Kopien sämtlicher Korrespondenz zur Verfügung zu stellen. Besondere Vereinbarungen bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Firma (§ 5 Abs. 1). Der Vertreter hat einen Marktbericht und seinen Kundenbesuchs-Terminplan vorzulegen (§ 5 Abs. 2). Falls der Vertreter an der Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten durch Unfall oder Krankheit mehr als zwei Tage verhindert ist, hat er die Firma sofort zu benachrichtigen. Die Firma kann eine Anpassung der Vertragsbedingungen verlangen, wenn die Verhinderung mehr als zwei Monate dauert (§ 5 Abs. 4). Der Vertreter hat seine Kunden zu informieren, wenn er durch Unfall oder Krankheit an der Erfüllung seiner Pflichten gehindert ist. Er hat außerdem seine Kunden über jede Stornierung oder Terminplanänderung zu informieren (§ 6 Abs. 2). Kopien der Korrespondenz zwischen Vertreter und seinen Kunden sind der Firma zuzuleiten (§ 6 Abs. 3). Der Vertreter darf ohne schriftliche Zustimmung der Firma kein anderes Unternehmen repräsentieren, das dieselben oder ähnliche Produkte herstellt oder vertreibt (§ 7 Abs. 1). Während der Vertragsdauer ist es dem Vertreter nicht erlaubt, zur Firma in Wettbewerb zu treten oder Wettbewerber indirekt zu begünstigen (§ 7 Abs. 2). Die Firma muss schriftlich benachrichtigt werden, wenn der Vertreter zusätzliche Bindungen zu einem anderen Unternehmen eingeht (§ 7 Abs. 3). Falls zu besorgen ist, dass die Übernahme weiterer Vertretungen durch den Vertreter die Verkäufe beeinträchtigt, kann die Firma eine Änderung oder Beendigung des Vertrages verlangen. Die Firma zahlt dem Vertreter eine Provision/ein Gehalt entsprechend dem Zusatz zum Vertrag, für Vertreter mit Wohnsitz in Deutschland ist die 14-prozentige Mehrwertsteuer enthalten (§ 8 Abs. 1). Die Provision/das Gehalt wird jährlich neu ausgehandelt (§ 8 Abs. 2). Falls der Vertreter seine vertragsgemäßen Pflichten nicht erfüllt, ist die Firma berechtigt, die Zahlungen zu beenden (§ 8 Abs. 3). Ansprüche auf Zahlung der Provision, des Gehaltes und/oder von Kosten verjähren gem. § 9 in sechs Monaten nach Anweisun...

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