rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbilligter Erwerb neuer Aktien der Arbeitgeberin als Arbeitslohn des Vorstandsmitglieds einer AG. Bekanntgabe eines unwirksam öffentlich zugestellten, eines im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen betreffenden Steuerbescheids durch Akteneinsicht des inländischen Bevollmächtigten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird unter Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechts der Aktionäre eine Kapitalerhöhung einer AG durch Ausgabe neuer Aktien beschlossen, so kann im Falle der Zeichnung von neuen Aktien durch ein Vorstandsmitglied der AG diesem der geldwerte Vorteil aus einem verbilligten Erwerb der neuen Aktien nicht vor dem Zeitpunkt der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung im Handelsregister zufließen, weil erst mit der Eintragung die Kapitalerhöhung wirksam wird und die durch die Aktien verkörperten Mitgliedschaftsrechte entstehen. Der Tag der Eintragung ist dann auch der Bewertungsstichtag für die Frage, in welchem Umfang ein verbilligter Erwerb vorliegt (vgl. BFH, Urteil v. 29.7.2010, VI R 30/07, BStBl 2011 II S. 68).

2. Vor Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung im Handelsregister erwirbt der Zeichnende weder die neuen Anteilsrechte noch ein diesen gleichstehendes Anwartschaftsrecht. Denn der Zeichnungsvertrag verpflichtet in erster Linie den Zeichnenden zur Erbringung der vorgesehenen Einlage. Bis zur Eintragung im Handelsregister steht nicht nur der Erwerb der Mitgliedschaft, sondern auch der Übernahmevertrag unter dem Vorbehalt des Wirksamwerdens der Kapitalerhöhung durch die Eintragung. Die bloße Erwartung des Zeichnenden, mit Eintragung der Durchführung Aktionär zu werden, stellt kein handelbares und geldwertes Anwartschaftsrecht dar.

3. Im Falle einer wegen Verstoßes gegen Formvorschriften unwirksamen öffentlichen Zustellung eines einen im Ausland Ansässigen betreffenden Steuerbescheids kann der Zustellungsmangel auch geheilt werden, indem der Bescheid dem inländischen Bevollmächtigten des Adressaten durch Akteneinsicht tatsächlich zur Kenntnis gelangt. Insoweit ist es unerheblich, ob sich das Original oder die Kopie des Bescheides in der Akte befindet.

 

Normenkette

EStG § 8 Abs. 2 S. 1, § 11 Abs. 1 S. 4, § 17 Abs. 1, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 38a Abs. 1 S. 3; AktG §§ 185, 189, 191 S. 1, § 203 Abs. 1 S. 1, § 202; AO § 122 Abs. 1 S. 3, Abs. 5, § 124 Abs. 1 S. 1; VwZG § 7 Abs. 1 S. 1, §§ 8-9, 10 Abs. 1, 2 S. 1

 

Tenor

Der geänderte Bescheid über Einkommensteuer für 2005 vom 12.12.2011 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 11.12.2018 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. von 110 v. H. des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. von 110 v. H. des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger im Zusammenhang mit dem Erwerb neuer Aktien seiner Arbeitgeberin im Veranlagungszeitraum 2005 einen geldwerten Vorteil als Arbeitslohn zu versteuern hat.

Der Kläger war im Streitjahr als Vorstandsmitglied bei der … (X AG) angestellt.

Mit Dienstvertrag vom …2005 wurde zwischen dem Kläger und der X AG für die Zeit vom …2005 bis zum …2008 ein den vorherigen Vertrag vom …2003 ersetzender Anstellungsvertrag geschlossen. § 4 dieses Vertrages enthält neben Regelungen zum Jahresgehalt folgende Vereinbarung:

„(3) Herr … erhält neben seines unter (1) angeführten Jahresgehaltes ein Aktienoptionplan, der in einer gesonderten Vereinbarung geregelt wird.”

Der Vorstand der X AG wurde durch Beschluss der Hauptversammlung vom …2005 ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrates das Grundkapital bis zum …2010 einmalig oder mehrmals gegen Bar- oder Sacheinlagen um … Euro auf … Euro zu erhöhen (Genehmigtes Kapital 2005).

Am …12.2005 beschloss der Vorstand der X AG vorbehaltlich der Zustimmung des Aufsichtsrats Folgendes:

  1. „Das Grundkapital der Gesellschaft wird von EUR … um EUR … auf EUR … gegen Bareinlagen durch Ausgabe von … neuen, auf den Inhaber lautenden Stammaktien (Stückaktien) mit einem rechnerischen Anteil am Grundkapital von EUR 1,00 je Aktie erhöht.
  2. neue Aktien werden zum Ausgabebetrag von EUR 1,50 je Aktie, somit zum Gesamtausgabebetrag von EUR … ausgegeben, und sind ab dem 1.1.2005 gewinnberechtigt.
  3. Das gesetzliche Bezugsrecht der Aktionäre wird ausgeschlossen.
  4. Die gesamten Kosten der Kapitalerhöhung trägt die Gesellschaft.”

Ebenfalls am …12.2005 erteilte der Aufsichtsrat der X AG dem Beschluss des Vorstandes seine Zustimmung.

Mit nicht datiertem Zeichnungsschein der X AG gab der Kläger eine Zeichnungs- und Übernahmeerklärung über „… neue [X AG]-Inhaberaktien mit Gewinnbezugsrecht ab dem 1.1.2005 im Nennbetrag von EUR 1, gegen Bareinlage in Höhe von EUR …” ab.

Die Erklärung enthielt fol...

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