Das EBRG bildet die in Deutschland maßgebliche Grundlage für die grenzübergreifende Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer, die in europaweit tätigen Unternehmen beschäftigt sind.

Darunter fallen unionsweit tätige Unternehmen[1] mit Sitz in Deutschland sowie unionsweit tätige Unternehmensgruppen, deren herrschendes Unternehmen in Deutschland ansässig ist.[2] Als herrschendes Unternehmen gilt dabei die Konzerneinheit, die auf die anderen Unternehmen über von ihr bestellte Mitglieder in den Unternehmensorganen, die Mehrheit der Stimmrechte oder die Mehrheit des gezeichneten Kapitals beherrschenden Einfluss ausüben kann.[3] Für unionsweit tätige Unternehmen oder Unternehmensgruppen mit Sitz im Ausland gilt das EBRG nur, wenn die zentrale Leitung des Unternehmens oder der Unternehmensgruppe nicht in einem Mitgliedstaat liegt und es eine nachgeordnete Leitung bzw. einen benannten Vertreter in Deutschland gibt.

Die unionsweite Tätigkeit eines Unternehmens oder einer Unternehmensgruppe bemisst sich nach der Anzahl der Arbeitnehmer und nach deren Verteilung zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten. So muss ein unionsweit tätiges Unternehmen mindestens 1.000 Arbeitnehmer in den Mitgliedstaaten haben und davon müssen jeweils mindestens 150 Personen in mindestens 2 Mitgliedstaaten beschäftigt sein.[4] Unionsweit tätige Unternehmensgruppen müssen ebenfalls über mindestens 1.000 Beschäftigte in den Mitgliedstaaten verfügen. Weiterhin müssen ihnen mindestens 2 Unternehmen mit Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten angehören, die jeweils mindestens 150 Arbeitnehmer beschäftigen[5]

Als Mitgliedstaaten i. S. d. Gesetzes über Europäische Betriebsräte gelten nach § 2 Abs. 3 EBRG alle EU-Staaten sowie die anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (derzeit also die EFTA-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen, nicht jedoch die Schweiz). Auf Grundlage des zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich abgeschlossenen Austrittsabkommens vom 17.10.2019 sowie des Handels- und Kooperationsabkommens vom 30.12.2020 finden die Regelungen zum Europäischen Betriebsrat im Verhältnis zum Vereinigten Königreich grundsätzlich keine Anwendung mehr.

Auf Unternehmen in der Rechtsform der SE oder der SCE findet das EBRG hingegen grundsätzlich keine Anwendung[6]

Die Frage, wer Arbeitnehmer i. S. d. EBRG ist, richtet sich nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaates. § 4 EBRG verweist auf § 5 Abs. 1 BetrVG; hiernach sind leitende Angestellte nicht erfasst. Zu den Schwellenwerten sind indes im Entleiherbetrieb tätige Leiharbeitnehmer hinzuzuzählen.

Zur Umsetzung der Richtlinie 2009/38/EG ist zum 18.6.2011 eine Neufassung des EBRG in Kraft getreten. Die Änderungen des Gesetzes sind nicht besonders gravierend, sondern präzisieren und ergänzen überwiegend Vorschriften des bisherigen EBRG. Die bisher allein für den Europäischen Betriebsrat kraft Gesetzes geltende Zuständigkeitsbestimmung steht nun als allgemeine Regelung in § 1 Abs. 2 EBRG. Zudem enthält das Gesetz erstmals eine Definition des Begriffs der "Unterrichtung"[7] und präzisiert die bisherige Definition des Begriffs der "Anhörung".[8]

Hinzu kommen verbesserte Informationsrechte zu den Tatsachen, die Voraussetzung für die Bildung eines Europäischen Betriebsrats sind. Nach der zum 18.6.2011 durchgeführten Gesetzesänderung ist die zentrale Leitung nicht nur zur Erteilung von Auskünften, sondern vielmehr dazu verpflichtet, die für die Aufnahme von Verhandlungen zur Bildung eines Europäischen Betriebsrats erforderlichen Informationen zu erheben und an die Arbeitnehmervertretung weiterzuleiten.[9] Dies umfasst neben der Gesamtzahl der Arbeitnehmer auch ihre Verteilung auf die Mitgliedstaaten. Dies gilt unabhängig davon, ob bereits feststeht, dass es innerhalb einer Unternehmensgruppe ein herrschendes Unternehmen mit Sitz im Inland gibt.[10] Dies hat der EuGH in der Rechtssache "Bofrost" bekräftigt und damit begründet, dass die Unterrichtung notwendige Voraussetzung für die Feststellung des Bestehens eines unionsweit operierendes Unternehmens sei und der Arbeitnehmervertretung daher nicht verweigert werden dürfe.[11]

In der Rechtssache "Kühne & Nagel" hat der EuGH entschieden, dass dann, wenn die zentrale Leitung einer Unternehmensgruppe nicht in einem Mitgliedstaat, sondern außerhalb der Europäischen Union liegt, den Arbeitnehmervertretern gleichwohl ein Auskunftsanspruch gegen die fingierte zentrale Leitung in einem Mitgliedstaat nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 94/45/EG[12] zusteht. Sie können Auskunft über die durchschnittliche Gesamtzahl der Arbeitnehmer sowie ihre Verteilung auf die Mitgliedstaaten, Unternehmen und Betriebe sowie über die Struktur des Unternehmens bzw. der Unternehmensgruppe verlangen. Die fingierte zentrale Leitung kann sich nicht darauf berufen, dass die zentrale Leitung ihr die begehrten Informationen verweigert, sondern muss sich diese ggf. von den anderen, in den Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen beschaffen. Dazu hat d...

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