Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialpolitik. Rahmenvereinbarung über Elternurlaub. Elternurlaub auf Teilzeitbasis. Entlassung des Arbeitnehmers ohne schwerwiegenden oder ausreichenden Grund. Pauschale Schutzentschädigung wegen der Inanspruchnahme von Elternurlaub. Berechnungsgrundlage für die Entschädigung

 

Normenkette

Richtlinie 96/34/EG

 

Beteiligte

Lyreco Belgium

Lyreco Belgium NV

Sophie Rogiers

 

Tenor

Paragraf 2 Nr. 4 der am 14. Dezember 1995 geschlossenen Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub im Anhang der Richtlinie 96/34/EG des Rates vom 3. Juni 1996 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub in der durch die Richtlinie 97/75/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 geänderten Fassung ist im Licht der mit dieser Rahmenvereinbarung verfolgten Ziele und der Nr. 6 dieses Paragrafen dahin auszulegen, dass er nicht zulässt, dass die pauschale Schutzentschädigung, die einem unbefristet und auf Vollzeitbasis angestellten Arbeitnehmer, der Elternurlaub auf Teilzeitbasis genommen hat, bei einer einseitigen Beendigung seines Vertrags durch den Arbeitgeber ohne schwerwiegenden oder ausreichenden Grund zusteht, auf der Grundlage des gekürzten Gehalts berechnet wird, das dieser Arbeitnehmer zum Zeitpunkt seiner Entlassung bezog.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Arbeidshof te Antwerpen (Belgien) mit Entscheidung vom 10. Dezember 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Dezember 2012, in dem Verfahren

Lyreco Belgium NV

gegen

Sophie Rogiers

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richter C. G. Fernlund und A. Ó Caoimh (Berichterstatter), der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Lyreco Belgium NV, vertreten durch E. Lievens, advocaat,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und L. Van den Broeck als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Gheorghiu und M. van Beek als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Paragrafen 1 und 2 Nr. 4 der am 14. Dezember 1995 geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub (im Folgenden: Rahmenvereinbarung) im Anhang der Richtlinie 96/34/EG des Rates vom 3. Juni 1996 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub (ABl. L 145, S. 4) in der durch die Richtlinie 97/75/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 (ABl. 1998, L 10, S. 24) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 96/34).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Lyreco Belgium NV (im Folgenden: Lyreco) und Frau Rogiers über die Berechnung der pauschalen Schutzentschädigung, die Frau Rogiers wegen ihrer rechtswidrigen Entlassung während eines Elternurlaubs auf Teilzeitbasis zusteht.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Im ersten Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung heißt es:

„Die nachstehende Rahmenvereinbarung stellt ein Engagement von UNICE [Union der europäischen Industrie- und Arbeitgeberverbände], CEEP [Europäischer Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft] und EGB [Europäischer Gewerkschaftsbund] im Hinblick auf Mindestvorschriften für den Elternurlaub und für das Fernbleiben von der Arbeit aus Gründen höherer Gewalt dar, weil sie dies als ein wichtiges Mittel ansehen, Berufs- und Familienleben zu vereinbaren und Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen zu fördern.”

Rz. 4

In den Nrn. 4 bis 6 der Allgemeinen Erwägungen der Rahmenvereinbarung heißt es:

„4. Die [auf der Tagung des Europäischen Rates in Straßburg am 9. Dezember 1989 angenommene] Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer fordert unter Nummer 16 über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen die Entwicklung von Maßnahmen, die es Männern und Frauen ermöglichen, ihren beruflichen und familiären Verpflichtungen gleichermaßen nachzukommen.

5. Die Entschließung des Rates vom 6. Dezember 1994 erkennt an, dass eine effiziente Chancengleichheitspolitik eine globale und integrierte Strategie verlangt, die eine bessere Organisation der Arbeitszeit sowie eine größere Flexibilität ebenso wie eine leichtere Rückkehr ins Berufsleben ermöglicht; in der Entschließung wird die wichtige Rolle berücksichtigt, die den Sozialpartnern in diesem Bereich auch dann zukommt, wenn es darum geht, Männern und Frauen eine Gelegenheit zu bieten, ihre berufliche Verantwortung sowie ihre familiären Verpflichtungen miteinander zu vereinbaren.

6. Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben sollten die Einführung neuer und flexibler Arten der Arbeitsorganisation und der Zeiteinteilung fördern, die den sich ändernden Bedürfnissen der Gesellschaft be...

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