Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Zusatzversorgungseinrichtungen. Schutz der Ansprüche auf Leistungen bei Alter. Garantiertes Mindestschutzniveau. Pflicht des ehemaligen Arbeitgebers, eine Kürzung der betrieblichen Altersversorgung auszugleichen. Externe Versorgungseinrichtung. Unmittelbare Wirkung

 

Normenkette

Richtlinie 2008/94/EG Art. 8

 

Beteiligte

Pensions-Sicherungs-Verein

Pensions-Sicherungs-Verein VVaG

Günther Bauer

 

Tenor

1. Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers ist dahin auszulegen, dass er auf eine Situation anwendbar ist, in der ein Arbeitgeber, der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über eine überbetriebliche Einrichtung gewährt, wegen seiner Zahlungsunfähigkeit nicht für den Ausgleich der Verluste einstehen kann, die sich aus der Kürzung der von dieser überbetrieblichen Einrichtung erbrachten Leistungen ergeben, wobei diese Kürzung von der diese Einrichtung überwachenden staatlichen Finanzdienstleistungsaufsicht genehmigt wurde.

2. Art. 8 der Richtlinie 2008/94 ist dahin auszulegen, dass eine wegen der Zahlungsunfähigkeit seiner ehemaligen Arbeitgeberin erfolgte Kürzung der einem ehemaligen Arbeitnehmer gezahlten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung als offensichtlich unverhältnismäßig angesehen wird, obwohl der Betroffene mindestens die Hälfte der sich aus seinen erworbenen Rechten ergebenden Leistungen erhält, wenn dieser ehemalige Arbeitnehmer wegen dieser Kürzung bereits unterhalb der von Eurostat für betreffenden Mitgliedstaat ermittelten Armutsgefährdungsschwelle lebt oder künftig leben müsste.

3. Der eine Mindestschutzpflicht vorsehende Art. 8 der Richtlinie 2008/94 kann unmittelbare Wirkung entfalten, so dass er gegenüber einer privatrechtlichen Einrichtung geltend gemacht werden kann, die vom Staat als Träger der Arbeitgeberinsolvenzsicherung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung bestimmt worden ist, wenn diese Einrichtung in Anbetracht der Aufgabe, mit der sie betraut ist, und der Bedingungen, unter denen sie sie erfüllt, dem Staat gleichgestellt werden kann, sofern sich die Aufgabe der Sicherung, mit der sie betraut ist, tatsächlich auf die Arten von Leistungen bei Alter erstreckt, für die der in Art. 8 dieser Richtlinie vorgesehene Mindestschutz verlangt wird.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesarbeitsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 20. Februar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 5. März 2018, in dem Verfahren

Pensions-Sicherungs-Verein VVaG

gegen

Günther Bauer

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter I. Jarukaitis, E. Juhász (Berichterstatter), M. Ilešič und C. Lycourgos,

Generalanwalt: G. Hogan,

Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • des Pensions-Sicherungs-Vereins VVaG, vertreten durch Rechtsanwalt F. Wortmann,
  • von Herrn Bauer, vertreten durch Rechtsanwältin I. Axler,
  • der deutschen Regierung, zunächst vertreten durch T. Henze und R. Kanitz, dann durch R. Kanitz, als Bevollmächtigte,
  • der luxemburgischen Regierung, vertreten durch D. Holderer und T. Uri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Kinsch, avocat,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch Z. Lavery als Bevollmächtigte im Beistand von J. Coppel, QC,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Kellerbauer und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Mai 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. 2008, L 283, S. 36).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Pensions-Sicherungs-Verein VVaG (im Folgenden: PSV) und Herrn Günther Bauer über den Ausgleich für die Kürzungen der Leistungen einer Pensionskasse.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Im dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/94 heißt es:

„Es sind Bestimmungen notwendig, die die Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen und um ihnen ein Minimum an Schutz zu sichern, insbesondere die Zahlung ihrer nicht erfüllten Ansprüche zu gewährleisten; dabei muss die Notwendigkeit einer ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der [Europäischen Union] berücksichtigt werden. Deshalb sollten die Mitgliedstaaten eine Einrichtung schaffen, die die Befriedigung der nicht erfüllten Arbeitnehmeransprüche garantiert.”

Rz. 4

Nach Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie gilt sie für Ansprüche von Arbeit...

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