Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzungsverfahren. Zulässigkeit. Art. 49 EG. Freier Dienstleistungsverkehr. Entsendung von Arbeitnehmern. Beschränkungen. Beiträge an die nationale Urlaubskasse. Übersetzung von Unterlagen. Anmeldung des Einsatzorts der entsandten Arbeitnehmer

 

Beteiligte

Kommission / Deutschland

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

Bundesrepublik Deutschland

 

Tenor

1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen, dass sie eine Bestimmung wie § 3 Abs. 2 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes vom 26. Februar 1996 erlassen hat, nach der ausländische Zeitarbeitsunternehmen nicht nur die Überlassung eines Arbeitnehmers an einen Entleiher in Deutschland, sondern auch jede Änderung seines Einsatzorts anmelden müssen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt zwei Drittel der Kosten. Die Bundesrepublik Deutschland trägt ein Drittel der Kosten.

4. Die Französische Republik trägt ihre eigenen Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 29. November 2004,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa, G. Braun und H. Kreppel als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch W.-D. Plessing, M. Lumma und C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt T. Lübbig,

Beklagte,

unterstützt durch:

Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues und O. Christmann als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter R. Schintgen, A. Tizzano (Berichterstatter), M. Ilešič und E. Levits,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2006,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Dezember 2006

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen hat, dass sie Rechtsvorschriften erlassen hat, nach denen

  • ausländische Unternehmen selbst dann verpflichtet sind, für ihre entsandten Arbeitnehmer Beiträge an die deutsche Urlaubskasse abzuführen, wenn sie nach den Rechtsvorschriften des Niederlassungsstaats ihres Arbeitgebers einen im Wesentlichen vergleichbaren Schutz genießen (§ 1 Abs. 3 des Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen vom 26. Februar 1996 [BGBl. I S. 227, im Folgenden: Arbeitnehmer-Entsendegesetz oder AEntG]);
  • ausländische Unternehmen verpflichtet sind, den Arbeitsvertrag oder die nach dem Recht des Wohnsitzlands des Arbeitnehmers im Rahmen der Richtlinie 91/533/EWG des Rates vom 14. Oktober 1991 über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen (ABl. L 288, S. 32) erforderlichen Unterlagen, die Lohnabrechnungen, die Arbeitszeitnachweise, die Nachweise über erfolgte Lohnzahlungen sowie alle sonstigen Unterlagen, die von den deutschen Behörden verlangt werden, ins Deutsche übersetzen zu lassen (§ 2 AEntG);
  • ausländische Zeitarbeitsunternehmen verpflichtet sind, eine Anmeldung nicht nur vor jeder Überlassung eines Arbeitnehmers an einen Entleiher in Deutschland vorzunehmen, sondern auch vor jeder Beschäftigung auf einer Baustelle durch den Entleiher (§ 3 Abs. 2 AEntG).

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

EG-Vertrag

2 Art. 49 EG bestimmt:

„Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.

…”

Richtlinie 96/71/EG

3 Nach ihrem Art. 1 Abs. 1 gilt die Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. 1997, L 18, S. 1) „für Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat, die im Rahmen der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Arbeitnehmer … in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden”.

4 Art. 3 („Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen”) dieser Richtlinie bestimmt:

„(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass unabhängig von dem auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anwendbaren Recht die in Artikel 1 Absatz 1 genannten Unternehmen den in ihr Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmern bezüglich der nachstehenden Aspekte die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen garantieren, die in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Arbeitsleistung erbracht wird,

  • durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften und/oder
  • durch für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge o...

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