Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer. Arbeitszeitgestaltung. Begriff ‚Arbeitszeit’. Reserve-Feuerwehrmann. Bereitschaft in Form von Rufbereitschaft. Ausübung einer selbständigen beruflichen Tätigkeit während der Bereitschaftszeit. Einschränkungen, die sich aus der Rufbereitschaft ergeben

 

Normenkette

Richtlinie 2003/88/EG Art. 2

 

Beteiligte

Dublin City Council

MG

Dublin City Council

 

Tenor

Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass Bereitschaftszeit, die ein Reserve-Feuerwehrmann in Form von Rufbereitschaft leistet und während deren dieser Arbeitnehmer mit Genehmigung seines Arbeitgebers eine selbständige berufliche Tätigkeit ausübt, aber im Fall eines Notrufs innerhalb einer maximalen Frist von zehn Minuten seine Dienstwache erreichen muss, keine „Arbeitszeit” im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn eine Gesamtbeurteilung aller Umstände des Einzelfalls – insbesondere des Umfangs und der Modalitäten dieser Möglichkeit, eine andere berufliche Tätigkeit auszuüben, sowie des Umstands, dass er nicht verpflichtet ist, an allen von seiner Dienstwache aus durchgeführten Einsätzen teilzunehmen – ergibt, dass die dem Arbeitnehmer während der Bereitschaftszeit auferlegten Einschränkungen nicht von solcher Art sind, dass sie seine Möglichkeit, während der Bereitschaftszeit die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen als Feuerwehrmann nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten, objektiv ganz erheblich beeinträchtigen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Labour Court (Arbeitsgericht, Irland) mit Entscheidung vom 6. Mai 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Mai 2020, in dem Verfahren

MG

gegen

Dublin City Council

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Fünften Kammer, des Präsidenten der Vierten Kammer C. Lycourgos (Berichterstatter) sowie der Richter I. Jarukaitis und M. Ilešič,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von MG, vertreten durch B. O'Brien,
  • des Dublin City Council, vertreten durch E. Hunt als Bevollmächtigten,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck und M. Van Regemorter als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch E. de Moustier und N. Vincent als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman, C. S. Schillemans und H. S. Gijzen als Bevollmächtigte,
  • der finnischen Regierung, zunächst vertreten durch S. Hartikainen und A. Laine, dann durch H. Leppo und A. Laine als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, zunächst vertreten durch D. Recchia, C. Valero und M. Wilderspin, dann durch D. Recchia und C. Valero als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen MG und dem Dublin City Council (Stadtrat von Dublin, Irland) über die Berechnung der Arbeitsstunden, die für Letzteren während Bereitschaftszeiten in Form von Rufbereitschaft geleistet wurden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 89/391/EWG

Rz. 3

Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl. 1989, L 183, S. 1) sieht vor:

„Der Arbeitgeber ist verpflichtet, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer in Bezug auf alle Aspekte, die die Arbeit betreffen, zu sorgen.”

Rz. 4

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 89/391 bestimmt:

„Im Rahmen seiner Verpflichtungen trifft der Arbeitgeber die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer erforderlichen Maßnahmen, einschließlich der Maßnahmen zur Verhütung berufsbedingter Gefahren, zur Information und zur Unterweisung sowie der Bereitstellung einer geeigneten Organisation und der erforderlichen Mittel.

…”

Richtlinie 2003/88

Rz. 5

Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich”) der Richtlinie 2003/88 bestimmt:

„(1) Diese Richtlinie enthält Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung.

(2) Gegenstand dieser Richtlinie sind

  1. die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten, der Mindestjahresurlaub, die Ruhepausen und die wöchentliche Höchstarbeitszeit sowie
  2. bestimmte Aspekte der Nacht- und der Schichtarbeit sow...

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