Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Entwicklungszusammenarbeit. Direkte Besteuerung. Einkommensteuer. Steuerbefreiung für Arbeitnehmer, die bei aus nationalen Haushaltsmitteln finanzierten Entwicklungshilfeprojekten eingesetzt werden. Unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer, die bei einem aus dem Europäischen Entwicklungsfonds finanzierten Projekt eingesetzt werden. Freier Kapitalverkehr. Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit. Erleichterung der Aufgabe der Europäischen Union. Pflicht zur Förderung der Politik im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Möglichkeit der Geltendmachung

 

Normenkette

EUV Art. 4 Abs. 3; AEUV Art. 210, 208

 

Beteiligte

Finanzamt G

RF

Finanzamt G

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 13.07.2021; Aktenzeichen I R 20/18; BFH/NV 2022, 283)

 

Tenor

Art. 4 Abs. 3 EUV und Art. 208 in Verbindung mit Art. 210 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Steuerpraxis nicht entgegenstehen, wonach die Befreiung des Arbeitslohns, den ein Arbeitnehmer für eine Tätigkeit im Zusammenhang mit der öffentlichen Entwicklungshilfe erzielt, von der Einkommensteuer versagt wird, wenn diese Tätigkeit aus einem Europäischen Entwicklungsfonds finanziert wird, während die Befreiung gewährt wird, wenn eine solche Tätigkeit zu mindestens 75 % durch ein für die Entwicklungszusammenarbeit zuständiges Ministerium oder durch eine dem betreffenden Mitgliedstaat gehörende private Entwicklungshilfegesellschaft finanziert wird.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 13. Juli 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Januar 2022, in dem Verfahren

RF

gegen

Finanzamt G

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan (Berichterstatter) sowie der Richter D. Gratsias, M. Ilešič, I. Jarukaitis und Z. Csehi,

Generalanwältin: L. Medina,

Kanzler: S. Beer, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von RF, vertreten durch Rechtsanwälte B. Ellenrieder, J. Schönfeld und C. Süß,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, R. Kanitz und N. Scheffel als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Giolito, M. Kellerbauer, W. Roels, D. Schaffrin und V. Uher als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 9. Februar 2023

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 45, 56 und 63 AEUV sowie von Art. 4 Abs. 3 EUV und Art. 208 in Verbindung mit Art. 210 AEUV.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen einer natürlichen Person und dem Finanzamt G (Deutschland) wegen dessen Weigerung, die Einkommensteuer auf den Arbeitslohn, den diese in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Person für eine aus dem 7. und dem 9. Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) finanzierte Tätigkeit im Ausland erzielt hat, zu erlassen, während die nationale Steuerregelung vorsieht, dass solche Einkünfte von der Einkommensteuer befreit sind, wenn die Tätigkeit im Wesentlichen aus nationalen Haushaltsmitteln finanziert wird.

Rechtlicher Rahmen

Regelung des 7. und des 9. EEF

Viertes AKP-EWG-Abkommen

Rz. 3

Das am 15. Dezember 1989 in Lomé unterzeichnete Vierte AKP-EWG-Abkommen (ABl. 1991, L 229, S. 3) enthält in seinem dritten Teil („Die Instrumente der AKP-EWG-Zusammenarbeit”) einen Titel III („Zusammenarbeit bei der Entwicklungsfinanzierung”), zu dem Art. 231 des Abkommens gehört, der Folgendes vorsieht:

„Für die Ziele dieses Titels wird als Gesamtbeitrag der Gemeinschaft der Betrag bereitgestellt, der in dem Finanzprotokoll im Anhang zu diesem Abkommen angegeben ist.”

Rz. 4

Art. 233 Abs. 1 dieses Abkommens lautet:

„Die Projekte oder Programme können durch Zuschüsse, durch die Einbringung von Risikokapital aus dem Fonds, durch Darlehen der [Europäischen Investitionsbank (EIB)] aus deren Eigenmitteln oder aber durch Verbindung zweier oder mehrerer dieser Finanzierungsformen finanziert werden.”

Rz. 5

Das Finanzprotokoll im Anhang zum Vierten AKP-EWG-Abkommen bestimmt in Art. 1 Abs. 1, dass sich für die im dritten Teil Titel III des Abkommens genannten Zwecke der Zusammenarbeit bei der Entwicklungsfinanzierung der Gesamtbetrag der Finanzhilfe der Europäischen Gemeinschaft für einen am 1. März 1990 beginnenden Zeitraum von fünf Jahren auf 12 Mrd. ECU beläuft.

Internes Abkommen über die Finanzierung und Verwaltung der Hilfen der Gemeinschaft im Rahmen des Vierten AKP-EWG-Abkommens

Rz. 6

Der erste Erwägungsgrund des Internen Abkommens über die Finanzierung und Verwaltung der Hilfen der Gemeinschaft im Rahmen des Vierten AKP-EWG-Abkommens (ABl. 1991, L 229, S. 288) lautet:

„In dem am 15. Dezember 1989 in Lomé unterzeichneten Vierten AKP-EWG-Abkommen, nachstehend ‚das Abkommen’ genannt, ist der Gesamtbetrag der Hilfe der Gemeinschaft an die AKP-Staaten für den Zeitraum 1990 b...

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