Der Arbeitgeber gerät nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (§ 297 BGB). Rechtsprechung und Lehre unterscheiden diese Einschränkung nach Leistungswille und Leistungsvermögen.

Fehlt dem Arbeitnehmer der Wille, die geschuldete Arbeit zu erbringen, so kann er nicht seinerseits vom Arbeitgeber Entgelt nach den Regeln des Annahmeverzugs fordern. Fehlender Leistungswille schließt ein (ernsthaftes) Leistungsangebot des Arbeitnehmers aus. Vom Arbeitnehmer wird allerdings nicht verlangt, dass er sich während des einmal begründeten Annahmeverzugs des Arbeitgebers ständig abrufbereit hält. Sofern dem Arbeitnehmer möglich ist, alsbald die Arbeit wieder aufzunehmen, fehlt es weder an der Leistungsbereitschaft noch am Leistungswillen, wenn der Arbeitnehmer

  • sich im Ausland aufhält,
  • ein Studium aufnimmt,
  • sich eine andere wirtschaftliche Existenz aufbaut oder
  • bei einem anderen Arbeitgeber arbeitet.

In den letztgenannten Fällen hat sich der Arbeitnehmer aber nach Maßgabe des § 615 Satz 2 BGB bzw. § 11 KSchG den anderen Verdienst auf den Annahmeverzugslohn anrechnen zu lassen.

Der Leistungswille fehlt dem Arbeitnehmer jedoch, wenn der Arbeitgeber nach § 618 Abs. 1 BGB i. V. m. § 106 Satz 2 GewO z. B. eine "Corona-Testpflicht" verhältnismäßig und billigem Ermessen entsprechend angeordnet hatte und der Arbeitnehmer sich weigerte, einer solchen Testpflicht nachzukommen.[1]

Häufiger als der Leistungswille wird das Leistungsvermögen des Arbeitnehmers infrage stehen. Der Arbeitnehmer ist nicht zur Arbeitsleistung fähig, wenn etwa Alkoholgenuss, Führerscheinentzug oder gesetzliche oder behördliche Beschäftigungsverbote den Einsatz des Arbeitnehmers unmöglich machen. In Annahmeverzug kann der Arbeitgeber dann nicht geraten. Hinsichtlich etwaiger Beschäftigungsverbote legt die Rechtsprechung strenge Maßstäbe an: aus der Regelung muss sich eindeutig ergeben, dass ein Beschäftigungsverbot gewollt ist.[2]

Im Falle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit kann der Arbeitnehmer die geschuldete Leistung nicht erbringen und folglich kann kein Annahmeverzug des Arbeitgebers entstehen oder weiter fortbestehen. Der Arbeitnehmer erhält dann aber Entgeltfortzahlung nach Maßgabe der §§ 3 ff. EFZG. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber das Ende der Arbeitsunfähigkeit anzeigen muss, um Annahmeverzug begründen zu können. Im ungekündigten Arbeitsverhältnis und auch während des Laufs der Kündigungsfrist wird dies regelmäßig der Fall sein, da ohnehin erst ein Angebot der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer den Annahmeverzug des Arbeitgebers begründet. Bei Zeitablauf eines befristeten Arbeitsverhältnisses, fristloser Kündigung und im Übrigen nach Ablauf der Kündigungsfrist hält die Rechtsprechung hingegen eine Anzeige des Arbeitnehmers, wieder genesen zu sein, für überflüssig.[3]

Ist der Arbeitnehmer nur eingeschränkt leistungsfähig, schließt dies einen Annahmeverzug nicht per se aus. Kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer z. B. vertragsgemäß eine leidensgerechte Arbeit zuweisen, kann Annahmeverzug grundsätzlich eintreten.[4]

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