Was ist Stress?

Beschäftigte sind in den letzten Jahren zunehmend Stress ausgesetzt. Der Begriff "Stress" stammt ursprünglich u. a. aus der Materialforschung. Im Englischen bedeutet "stress" Druck, Gewicht, Belastung oder auch Anspannung und Verzerrung von Metallen oder Glas. Dieser Begriff wurde bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts auf den Menschen übertragen. Aus der Sicht des Belastungs-Beanspruchungs-Modells entsprechen die Stressoren den Belastungsfaktoren und die Stressreaktion den Beanspruchungsfolgen. Beide Modelle korrespondieren daher gut, auch wenn sie unterschiedliche Aspekte stärker betonen.

Der Begriff der Stressreaktion ist in der Norm DIN EN ISO 10075-1 folgendermaßen definiert:

"Zustand im Menschen, der durch erhöhte psychische (einschließlich beider, kognitiver und emotionaler Komponenten) und/oder physische Aktivierung gekennzeichnet ist, die aus seiner negativen Beurteilung der auf diese Person einwirkenden psychischen Belastung als Bedrohung seiner Ziele und/oder Werte resultiert" (DIN EN ISO 10075-1: 2018-01 Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Arbeitsbelastung –Teil 1 Allgemeine Aspekte und Konzepte und Begriffe).

"Wie funktioniert Stress?" Zur Beantwortung dieser Frage ist es sinnvoll, Stress als einen Prozess zu verstehen. Das unten dargestellte Modell unterscheidet zwischen dem "Stressor" (Belastungsfaktor, vgl. Abb. 1) als ein bestimmtes Umweltereignis (stressauslösende Bedingung oder "Belastung" wie vorher definiert) und den "Stressreaktionen" als Prozesse, die bei der betroffenen Person ablaufen. Diese Stressreaktionen können auf drei unterschiedlichen Ebenen auftreten (siehe Abb. Seite 23) und dabei sowohl eine Beeinträchtigung der Gesundheit als auch eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit für die Betroffenen darstellen.

Allgemein können Stressoren in folgende Kategorien eingeteilt werden:

  • Stressoren, die sich aus der Organisation ergeben (unklare oder widersprüchliche Anweisungen, mangelnde Mitwirkungsmöglichkeit …)
  • Individuelle Stressoren (Versagensängste, familiäre Probleme …)
  • Soziale Stressoren (Konkurrenz, mangelnde Anerkennung …)
  • Leistungsstressoren (Über-/Unterforderung, enge Zeit- und Terminvorgaben …)
  • Physikalische Stressoren (Lärm, Hitze …)
  • Körperliche Stressoren (Verletzungen, Hunger …)
Fallbeispiel

Abbildung kann aus Gründen des Urheberrechts nicht dargestellt werden.

Nachdem Nicola D. (35 Jahre) ihre Tochter Jennifer zur Kita gebracht hat, hastet sie durch den Berufsverkehr zur Arbeit. Ein Blick zur Uhr – Herzrasen. Die Sitzung ist für 8 Uhr angesetzt. Schon jetzt hat sie den vorwurfsvollen Blick ihres Chefs vor Augen. Schließlich kann man von einer Referentin für Personalentwicklung doch erwarten, dass sie pünktlich und gut vorbereitet ist; eben mit gutem Beispiel voran geht.

Aber die vielen unbearbeiteten Akten auf ihrem Schreibtisch ... die viele Post ... dauernd neue E-mails ... wichtige Besprechungen ... und jetzt auch noch die zusätzliche Verantwortung für die Personalauswahl. "Da können Sie ihre Fähigkeiten mal richtig unter Beweis stellen und sich Ihre ersten Sporen verdienen", hatte ihr Chef gesagt. Die Erwartungen sind eben hoch an eine neue junge und gut ausgebildete Mitarbeiterin.

"Das schaffe ich schon", hatte sie immer wieder zu sich selbst gesagt. Aber vor ein paar Tagen bat sie dann doch einen ihrer Kollegen um Unterstützung; der winkte grinsend ab: "Hier muss schon jeder selber seinen Mann stehen". Manchmal glaubt sie, dem Druck nicht mehr Stand halten zu können. Dabei war sie doch fest davon überzeugt, dass gerade sie es schaffen würde, Familie, Haushalt und Beruf unter einen Hut zu bringen, als alleinerziehende Mutter trotzdem erfolgreich in ihrem Job zu sein. Als sie nach einem langen und anstrengenden Tag endlich zu Hause ist, bringt sie ihre Tochter ins Bett – Zeit für Familie bleibt nicht mehr viel.

Auch sie selbst ist am Ende, völlig erschöpft. Aber einschlafen kann sie auch heute wieder nicht. Ihr Herz rast und dieser furchtbare Pfeifton im linken Ohr macht sie noch ganz verrückt. Ihr Arzt hatte ihr schon vor einigen Monaten geraten, kürzer zu treten. – Vielleicht ist der Preis, den sie zahlt, doch zu hoch ... ?

Generell ist zu beachten, dass Stress auch ein individuelles Phänomen ist. Die gleiche Situation kann von der einen Person als Stressor empfunden werden und Stressreaktionen auslösen, während eine andere Person die Situation neutral oder sogar als motivierend empfindet.

Richtig ist sicher, dass sich alle Beschäftigten um ihre Gesundheit im Sinne der Eigenverantwortung kümmern müssen. In Unternehmen wird jedoch oftmals der Umgang mit Stress vollständig auf die Beschäftigten verlagert – nach dem Motto: "Wer gestresst ist, muss halt an sich arbeiten!. Diese Sicht greift jedoch zu kurz, da eine Beurteilung und Gestaltung der Arbeitsbedingungen an erster Stelle stehen muss. Für ein ganzheitliches Stressmanagement sollen zunächst die Möglichkeiten der Verhältnisprävention zur Verhütung und Reduzierung von arbeitsbedingtem Stress aus...

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