Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen

Die zunehmende Bedeutung der psychischen Belastungsfaktoren lässt nicht nur Experten des Arbeitsschutzes aufhorchen. Dieses (junge) Handlungsfeld ist im Hinblick auf die Erfassung, Prävention und Gestaltung noch sehr unbestimmt.

Die Präambel der „Gemeinsamen Erklärung Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt“ betont die Bedeutung psychischer Erkrankungen in Bezug auf Leistungsminderung, Arbeitsunfähigkeitstage und Frühverrentungen.

Veränderungen und psychische Belastungen

Veränderungen in den Arbeitsinhalten und Arbeitstätigkeiten rücken kognitive, soziale und emotionale Belastungen zunehmend in den Fokus der Betrachtungen. Veränderungen verursachen jedoch bei vielen Menschen Stress, besonders, wenn sie sich diesen Veränderungen ausgeliefert fühlen und keine individuellen Kontrollmöglichkeiten sehen. Psychische Erkrankungen kann der Arbeitgeber nicht therapieren. Er kann jedoch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens im Sinne der Vorsorge und Früherkennung minimieren.

Psychische Belastungen aufgrund der Corona-Pandemie

Im Jahre 2020 führte die globale Verbreitung des Corona-Virus zu einschneidenden Veränderungen in Bezug auf die psychische Gesundheit. In einer Meta-Analyse konnten Salari et al. (2020) zusammenfassen, dass Angstzustände, Depressionen und weitere psychische Störungen aufgrund der Pandemie in der Weltbevölkerung vermehrt auftraten.

Bezogen auf Deutschland zeigt dieser Trend, dass während der ersten Welle aufgrund von Gegenmaßnahmen für die Population negative psychische gesundheitliche Auswirkungen entstanden. So lag die Ursache laut Peters, Hübner und Katalinic (2021) in der Pandemie selbst und vor allem in der verhängten Quarantäne.

Egal ob Mitarbeitende freiwillig oder unfreiwillig im Homeoffice arbeiten, es kann vielfältige Folgen mit sich bringen. Eine Befragung der AOK ergab, dass eine mögliche Folge von Homeoffice Erschöpfung sein kann (BAuA, 2020, S. 65; Deutsches Ärzteblatt, 2019, S. 436). Als zunehmend schwierig wird die Vereinbarkeit von Arbeit und Freizeit wahrgenommen, bedingt durch das Verschwimmen der Grenzen (Hans-Böckler-Stiftung, 2020).

Veränderungen durch die Corona-Pandemie

Die positiven oder negativen Auswirkungen auf die Gesundheit sind erheblich von der konkreten Arbeit und den digitalen Kompetenzen abhängig. Die deutsche Bevölkerung wird aufgrund psychischen Belastungen Unterstützungsangebote benötigen (Skoda et al., 2021).

Für die Gesundheitswissenschaft und das deutsche Gesundheitssystem ergeben sich aus der Krisensituation neue Chancen Präventionsstrategien zu verbessern und nachhaltige Systeme zum Wohle der Gesundheit der deutschen Bevölkerung zu implementieren (Brakemeier et al., 2020). Neben den allgemeinen Fürsorgepflichten gem. § 241 Abs. 2 BGB hat der Arbeitgeber Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers vor Gefahren zu schützen. Bei Nicht-Einhaltung oder Verletzung der Fürsorgepflicht können Schadensersatzforderungen an den Arbeitgeber gestellt werden.

Auf dieser Grundlage ist es wichtig, die Veränderung der Arbeitsplatzsituation als Folge der Corona-Pandemie im Fokus der Betrachtung zu haben. Die Corona-Krise hat Teams wie Führungskräfte gleichermaßen gefordert und dazu beigetragen „Leadership“ unter den Vorzeichen der Pandemie ständig weiterzuentwickeln.

So hat die Covid-19-Pandemie in Unternehmen ein Umdenken angestoßen und die Idee des New Work als Konzept ermöglicht. Die Pandemie ist insbesondere für die digitale Transformation zum Katalysator geworden. In vielen Firmen wird New Work als das Konzept von neuen Arbeitsweisen in Zeiten von Digitalisierung und Globalisierung vom schönen Theorem zur Wirklichkeit in der Arbeitswelt. Doch eine stark beschleunigte Digitalisierung der Arbeitswelt benötigt auch digital kompetente Führungskräfte.

Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen

Bereits seit 2013 ist die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz gesetzlich vorgeschrieben und explizit im Arbeitsschutzgesetz verankert. Allerdings kristallisiert sich zunehmend heraus, dass viele Unternehmen noch am Anfang einer Lösung dieser Aufgabe stehen.

Die Unsicherheit in Betrieben und der Gesellschaft bezieht sich vor allem auf die Thematisierung und Handhabung psychischer Belastungen. Es herrscht Unsicherheit bezüglich der konkreten Vorgehensweise, der Erfassung, Prävention und der Gestaltung von Handlungsmaßnahmen, was sich schon bei den theoretischen und rechtlichen Grundlagen zeigt. Begriffe wie Stress, Burn-Out, Belastung, Mobbing sind mittlerweile Modeworte geworden, die häufig negativ assoziiert und vor allem falsch interpretiert werden.

Was sich allerdings jetzt schon herauskristallisiert ist, dass es eine deutlich gestiegene Sensibilität für psychische Belastungen bei der Arbeit, sowie eine wachsende Nachfrage von Unternehmen nach Informationen und auch Unterstützung zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen gibt. Alle Personen, die für den Arbeitsschutz verantwortlich sind, müssen sich in den kommenden Jahren mehr mit diesem Thema auseinandersetzen und lernen damit umzugehen.

Die rechtliche Vorgabe als Chance und nicht als Pflicht zu sehen - lohnt sich!