Entscheidungsstichwort (Thema)
Europäisches Gemeinschaftsrecht und nationales Recht
Leitsatz (amtlich)
Zur Entscheidung der Inzidentfrage, ob eine innerstaatliche Norm des einfachen Rechts mit einer vorrangigen Bestimmung des Europäischen Gemeinschaftsrechts unvereinbar und deshalb im Einzelfall ganz oder teilweise nicht anwendbar ist, sind die jeweils zuständigen Gerichte berufen.
Leitsatz (redaktionell)
1. Es bleibt dahingestellt, ob der EuGH insoweit, als Gerichte der Bundesrepublik Deutschland gemäß EWGV Art. 177 Abs. 3 zur Vorlage an ihn verpflichtet sind, gesetzlicher Richter i.S. von Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG ist.
2. Die deutschen Gerichte haben die Bestimmungen des EWGV selbst anzuwenden und insbesondere die in den Vorabentscheidungen des EuGH enthaltenen Auslegungsergebnisse auf die von ihnen entscheidenden Einzelfälle zu übertragen. Durch die Ratifizierung des EWGV ist in Übereinstimmung mit Art. 24 Abs. 1 GG eine eigenständige Rechtsordnung der EWG entstanden, die in die innerstaatliche Rechtsordnung hineinwirkt und von den deutschen Gerichten anzuwenden ist. Art. 24 Abs. 1 GG besagt, daß die Hoheitsakte der Organe zwischenstaatlicher Einrichtungen, wie z.B. die Urteile des EuGH vom ursprünglich ausschließlichen Hoheitsträger anzuerkennen sind.
Normenkette
EWGV Art. 95 Abs. 1; EWGV Art. 177 Abs. 3; EWGV Art. 97; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2, Art. 24 Abs. 1
Verfahrensgang
Gründe
A. – I.
Die Beschwerdeführerin führte im Jahre 1963 aus einem Mitgliedsland der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Milchpulver ein und wurde hierfür zur Umsatzausgleichsteuer herangezogen.
1. Die Umsatzausgleichsteuer (ab 1. Januar 1968: Einfuhrumsatzsteuer) verfolgt u. a. den Zweck, die Umsatzsteuerbelastung inländischer Waren im Interesse eines geordneten Wettbewerbs auszugleichen. Vor der Einführung des Mehrwertsteuersystems mit Befugnis zum Vorsteuerabzug stand einem genauen Belastungsausgleich der Umstand entgegen, daß sich die Umsatzsteuerbelastung einer bestimmten Warenart nicht genau ermitteln ließ; denn gleichartige inländische Waren verschiedener Hersteller durchliefen infolge unterschiedlicher Produktions- und Vertriebswege nicht nur eine unterschiedliche Zahl umsatzsteuerpflichtiger Phasen, sondern enthielten auch die Umsatzsteuerbelastung ihrer Vorprodukte, Neben- und Hilfsstoffe und der Produktionsmittel, die in ihrer Höhe ebenfalls nicht feststand.
Hieraus ergaben sich rechtliche Schwierigkeiten besonderer Art, sobald der deutsche Steuergesetzgeber bei der Festlegung von Umsatzausgleichsteuersätzen auf völkerrechtliche und gemeinschaftsrechtliche Verpflichtungen zu achten hatte, die jede Diskriminierung eingeführter Waren gegenüber inländischen Erzeugnissen untersagten. In eingeschränktem Umfang wurde eine solche Verpflichtung schon durch das „Gesetz über das Protokoll von Torquay vom 21. April 1951 und den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen” vom 10. August 1951 (BGBl. II S. 173) begründet. Einschneidender wirkte sich der Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft aus. Art. 95 und 97 EWG-Vertrag lauten:
Art. 95 (Diskriminierung)
Die Mitgliedstaaten erheben auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten weder unmittelbar noch mittelbar höhere inländische Abgaben gleich welcher Art, als gleichartige inländische Waren unmittelbar oder
mittelbar zu tragen haben.
Die Mitgliedstaaten erheben auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten keine inländischen Abgaben, die geeignet sind, andere Produktionen mittelbar zu schützen.
Spätestens mit Beginn der zweiten Stufe werden die Mitgliedstaaten die bei Inkrafttreten dieses Vertrages geltenden Bestimmungen aufheben oder berichtigen, die den obengenannten Vorschriften
entgegenstehen.
Art. 97 (System der kumulativen Mehrphasensteuer)
Mitgliedstaaten, welche die Umsatzsteuer nach dem System der kumulativen Mehrphasensteuer erheben, können für inländische Abgaben, die sie von eingeführten Waren erheben, und für Rückvergütungen, die sie für ausgeführte Waren gewähren, unter Wahrung der in den Art. 95 und 96 aufgestellten Grundsätze Durchschnittssätze für Waren oder Gruppen von Waren festlegen.
Entsprechen diese Durchschnittssätze nicht den genannten Grundsätzen, so richtet die Kommission geeignete Richtlinien oder Entscheidungen an den betreffenden Staat.
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (Europäischer Gerichtshof) hat diese Bestimmungen wie folgt ausgelegt:
Art. 95 Abs. 1 EWG-Vertrag erzeugt unmittelbare Wirkungen und begründet individuelle Rechte des Einzelnen, welche die staatlichen Gerichte zu beachten haben.
Nach Art. 95 Abs. 3 ist Abs. 1 auf die bei Inkrafttreten des Vertrages in Geltung gewesenen Rechtsvorschriften erst mit Beginn der zweiten Stufe der Übergangszeit anwendbar.
(Urteil vom 16. Juni 1966, Slg.Bd. XII, S. 257 [268]).
Art. 97 Abs. 1, der anwendbar ist, wenn die Mitgliedstaaten, welche die Umsatzsteuer nach dem System der kumulativen Mehrphasensteuer erheben, von der Erlaubnis tatsächlich Gebrauch machen, die er ihnen erteilt, begründet keine individuellen Rechte des Einzelnen, welche die staatlichen Gerichte zu beachten hätten.
(Urteil vom 3. April 1968, Slg.Bd. XIV, S. 215 [236]).
2. Der Steuersatz der Umsatzausgleichsteuer auf eingeführtes Milchpulver betrug gemäß § 7 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes vom 1. September 1951 (BGBl. I S. 791) – UStG 4 v. H. des Zollwertes der eingeführten Ware. Er wurde durch das Sechzehnte Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes vom 26. März 1965 (BGBl. I S. 156) mit Wirkung vom 1. April 1965 auf 3 v. H. gesenkt, nachdem die Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Dezember 1963 beanstandet hatte, daß der geltende Steuersatz auf die Einfuhr von Milchpulver angesichts der weitgehenden Umsatzsteuerbefreiung der inländischen Milcherzeugung und Milchpulverherstellung entgegen Art. 95 EWGV diskriminierend wirke.
II.
1. Die Beschwerdeführerin führte im Oktober 1963 15 000 kg Vollmilchpulver aus Luxemburg ein. Das Zollamt Nennig erhob neben dem Zoll Umsatzausgleichsteuer nach einem Steuersatz von 4 v. H. des Zollwertes der eingeführten Ware. Die Beschwerdeführerin legte Einspruch ein und machte geltend, die geforderte Umsatzausgleichsteuer verletze u. a. ihre Rechte aus dem in Art. 95 EWG-Vertrag festgelegten Diskriminierungsverbot, weil inländisches Milchpulver seit 1. Februar 1956 und das Vorprodukt Milch seit 1. Juli 1961 von der Umsatzsteuer befreit seien. Den Einspruch wies das Hauptzollamt Saarlouis als unbegründet zurück.
Auf die Berufung der Beschwerdeführerin hob das Finanzgericht des Saarlandes diese Entscheidung und den ihr zugrundeliegenden Steuerbescheid, soweit er die Umsatzausgleichsteuer betraf, auf und verwies die Sache an das Zollamt Nennig zurück, nachdem es zuvor eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 16. Juni 1966) zur Auslegung des Art. 95 EWGV eingeholt hatte. Es führte aus: Der Umsatzausgleichsteuersatz von 4 v. H. für Milchpulver sei kein Durchschnittssatz im Sinne des Art. 97 EWGV. Durch ihn werde die Einfuhr von Milchpulver aus Mitgliedsländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft stärker belastet als gleichartige inländische Erzeugnisse durch die Umsatzsteuer. Deshalb verletze dieser Steuersatz die Rechte der Klägerin aus Art. 95 EWGV. Dem Gericht sei es jedoch versagt, den Steuersatz, soweit er verbotswidrig diskriminierend wirke, als gegenstandslos zu behandeln. Denn im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung und im Interesse der Rechtssicherheit sei es allein Aufgabe des Gesetzgebers, einen mit Art. 95 EWGV zu vereinbarenden Steuersatz festzulegen.
2. a) Das Hauptzollamt Saarlouis legte Revision ein und trug zur Rechtsnatur des Ausgleichsteuersatzes vor: Eingeführtem Milchpulver stünden gleichartige und vergleichbare inländische Waren gegenüber. Der Gesetzgeber habe in § 7 Abs. 7 des Siebzehnten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes vom 23. Dezember 1966 (BGBl. I S. 709) klargestellt, daß die Ausgleichsteuersätze für die Einfuhr solcher Waren, mithin auch der Steuersatz von 4 v. H. für Milchpulver, von jeher Durchschnittssätze im Sinne des Art. 97 EWGV gewesen seien. Diese Vertragsnorm begründe keine individuellen Rechte des Importeurs, welche die staatlichen Gerichte zu beachten hätten. Durchschnittssätze seien von den deutschen Gerichten nicht auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 97, 95 EWGV zu prüfen; hierfür sei gemäß Art. 97 Abs. 2 EWGV ausschließlich die EWG-Kommission zuständig.
Dem trat die Beschwerdeführerin mit der Auffassung entgegen, das nationale Gericht müsse auch dann prüfen, ob die auf Einfuhrwaren aus EWG-Mitgliedstaaten erhobene Umsatzausgleichsteuer dem Art. 95 EWGV entspreche, wenn der streitige Steuersatz ein Durchschnittssatz im Sinne von Art. 97 EWGV sei. Im übrigen habe der Begriff des Durchschnittssatzes erstmals durch das Siebzehnte Umsatzsteueränderungsgesetz Eingang in das deutsche Umsatzsteuerrecht gefunden. Schon deshalb könnten die bis Ende 1966 geltenden Ausgleichsteuersätze keine Durchschnittssätze gewesen sein. Zudem sei Art. 97 EWGV nur auf nach Inkrafttreten dieser Vertragsnorm neu festgelegte Steuersätze anwendbar.
b) Vor Eintritt in die mündliche Verhandlung zur Sache lehnte die Beschwerdeführerin Senatspräsident Dr. R … und die Bundesrichter E … und Dr. P … wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Sie trug hierzu vor: Ihr Bevollmächtigter habe Senatspräsident Dr. R … gebeten, ihm die Gerichtsakten zum Zwecke der Akteneinsicht in seine Kanzlei übersenden zu lassen. Senatspräsident Dr. R … habe diesen Antrag ebenso abgelehnt wie zuvor ausnahmslos entsprechende Anträge in anderen Verfahren. Erkläre ein Senatsvorsitzender, daß er das, was in seinem Ermessen stehe, nie gewähre, so handle er nicht ermessensgemäß, sondern ermessenswidrig. Dem Bundesminister für Finanzen seien hingegen die Akten ohne ihre Einwilligung schon zu einem Zeitpunkt zur Einsichtnahme übersandt worden, als er dem Verfahren noch nicht beigetreten war und deshalb noch kein Recht auf Akteneinsicht gehabt habe. Dieses Verhalten lasse besorgen, daß Senatspräsident Dr. R … auch in der Hauptsache nicht unparteiisch urteilen werde.
Alle drei abgelehnten Richter hätten in einem mit dieser Sache zusammenhängenden Nebenverfahren den Streitwert für das Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof gesetzwidrig zu niedrig festgesetzt, wodurch ihr und ihrem Bevollmächtigten ein beträchtlicher finanzieller Nachteil entstanden sei. Diese unrichtige Entscheidung sei weder mit Rechtsunkenntnis noch mit Oberflächlichkeit der an ihr mitwirkenden Richter erklärbar. Es lasse sich der Eindruck nicht ausschließen, daß die Richter zum Nachteil der Betroffenen entscheiden wollten, weil diese sich zuvor „unbeliebt gemacht hätten”. Schon dies rechtfertige ihre Besorgnis, die Richter seien befangen. Hinzu komme, daß sie gegen die vorgenannte Entscheidung Verfassungsbeschwerde eingelegt habe. Sie befürchte, daß die Richter hierüber verärgert und auch deswegen nicht unparteiisch seien.
Bundesrichter E … sei von ihrem Bevollmächtigten in einem früheren Verfahren erfolglos abgelehnt worden. Gegen den das Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschluß sei eine Verfassungsbeschwerde anhängig. Hierüber sei der Richter möglicherweise so verärgert, daß sie Zweifel an seiner Unbefangenheit haben dürfe.
c) Durch einen an demselben Tag verkündeten Beschluß, an dem Bundesrichter K … als vom Präsidenten bestellter zeitweiliger Vertreter (§ 67 GVG i. V. m. § 155 FGO) mitwirkte, weil die Zahl der regelmäßigen Vertreter der Mitglieder des VII. Senats zur Wiederherstellung der Beschlußfähigkeit nicht ausreichte, wies der Senat das Ablehnungsgesuch zurück. Zur Begründung führte er aus:
Die Tatsache, daß Senatspräsident Dr. R … die Übersendung der Akten in die Kanzlei des Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin abgelehnt habe, könne nach der hierfür gegebenen Begründung die Besorgnis der Befangenheit auch dann nicht rechtfertigen, wenn er sein Ermessen unrichtig ausgeübt haben sollte. Die möglicherweise irrige Rechtsansicht der abgelehnten Richter über die Höhe des Streitwertes für das Vorabentscheidungsverfahren sei für die Beschwerdeführerin kein vernünftiger Grund, an der Unparteilichkeit zu zweifeln; der Senat glaube den dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter, daß sie den Streitwert nach ihrer Rechtsüberzeugung festgesetzt hätten. Hinsichtlich einer möglichen unsachlichen Einstellung des Bundesrichters E … habe die Beschwerdeführerin nur Vermutungen vorgebracht.
d) Durch Urteil vom 15. Januar 1969 hob der Bundesfinanzhof das Urteil des Finanzgerichts des Saarlandes auf und setzte die Umsatzausgleichsteuer unter Abänderung der Einspruchsentscheidung und des Steuerbescheides auf 992,80 DM herab. Im übrigen wies er die Revision des Hauptzollamtes zurück und die Klage der Beschwerdeführerin ab.
Unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 11. Juli 1968 (BFH 92, 405) führte er aus:
Die Umsatzausgleichsteuer unterliege der durch Art. 95 ff. EWGV begrenzten Steuerhoheit der Bundesrepublik Deutschland. Ausgleichsteuersätze, welche die Umsatzsteuerbelastung gleichartiger oder vergleichbarer inländischer Waren überstiegen, seien wegen Verstoßes gegen den EWG-Vertrag rechtswidrig. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 3. April 1968 (Rechtssache 28/67; Slg. Bd. XIV, S. 215) könne sich der einzelne auf das Diskriminierungsverbot des Art. 95 EWGV allerdings dann nicht berufen, wenn ein Mitgliedstaat den in Rede stehenden Steuersatz gemäß Art. 97 EWGV als Durchschnittssatz eingeführt habe. Im Hinblick auf die Befugnisse der Kommission nach Art. 97 Abs. 2 EWGV seien in einem solchen Falle die nationalen Gerichte nur befugt festzustellen, ob es sich im Einzelfall um einen Durchschnittssatz handele. Der hier in Rede stehende Steuersatz von 4 v. H. sei indessen nicht als Durchschnittssatz anzusehen; denn er berücksichtige weder die Umsatzsteuervorbelastung vergleichbarer inländischer Waren noch die weitgehende Umsatzsteuerbefreiung der Landwirtschaft im Jahre 1956. Deshalb komme nicht Art. 97, sondern Art. 95 EWGV zur Anwendung.
Verstoße eine nach innerstaatlichem Recht rechtsgültig zustande gekommene Steuernorm gegen Art. 95 EWGV, so sei sie im Umfang ihrer Unvereinbarkeit mit dem vorrangigen Gemeinschaftsrecht unanwendbar. Der Besteuerung der Einfuhr sei deshalb lediglich der mit Art. 95 EWGV zu vereinbarende Teil dieser Norm zugrunde zu legen.
Es stehe zur Überzeugung des Senats fest, daß der zum Zeitpunkt der hier in Rede stehenden Einfuhr geltende Umsatzausgleichsteuersatz für Milchpulver, soweit er 3 v. H. des Zollwertes der Ware überschritt, gegen Art. 95 EWGV verstoße. Im Dezember 1963, kurz nach der Einfuhr des Milchpulvers im vorliegenden Streitfall, habe die Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft den Umsatzausgleichsteuersatz von 4 v. H. für Milchpulver beanstandet und angeregt, ihn auf den von ihr errechneten Steuersatz von 3 v. H. zu ermäßigen. Dieser Anregung habe der deutsche Gesetzgeber durch das Sechzehnte Umsatzsteueränderungsgesetz vom 26. März 1965 mit Wirkung vom 1. April 1965 entsprochen und den Steuersatz von 3 v. H. als Durchschnittssatz im Sinne des Art. 97 EWGV eingeführt. Seit 1963 hätten sich die für die Beurteilung des Ausgleichsteuersatzes für Milchpulver maßgebenden wirtschaftlichen Verhältnisse nicht wesentlich geändert. Im Mai 1965 habe die Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft einen Antrag der Klägerin, von der Bundesrepublik Deutschland die Beseitigung der Umsatzausgleichsteuer für Milchpulver zu verlangen, mit der Begründung abgelehnt, daß die Bundesrepublik den Satz der Umsatzausgleichsteuer für Milchpulver nunmehr der Umsatzsteuerbelastung angepaßt habe, die inländisches Milchpulver mittelbar zu tragen habe.
Bei dieser Sachlage habe der Senat keinen Zweifel, daß der von der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Jahre 1963 errechnete, ab 1. April 1965 als Durchschnittssatz eingeführte Steuersatz von 3 v. H. eine dem Art. 95 EWGV widersprechende Diskriminierung eingeführten Milchpulvers gegenüber inländischen Milchpulvers ausschließe, wenn die hier zu zahlende Ausgleichsteuer nach ihm berechnet werde. Denn damit werde die Klägerin so gestellt, als hätte der Gesetzgeber seine Verpflichtung aus dem EWG-Vertrag schon zur Zeit der Einfuhr erfüllt. Auf die Berechnungen der Klägerin, wonach die bei der Einfuhr auszugleichende Umsatzsteuervorbelastung inländischen Milchpulvers erheblich geringer gewesen sei, brauche der Senat demgegenüber nicht einzugehen.
Eine weitere Herabsetzung der Steuer könne die Klägerin auch unter Berufung auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht verlangen. Da Steuergegenstand, Bemessungsgrundlage und Erhebungsweise sich bei der Umsatzsteuer und bei der Ausgleichsteuer erheblich voneinander unterschieden, da es ferner unmöglich sei, bei allen inländischen Waren die unmittelbare und mittelbare Umsatzsteuerbelastung im einzelnen genau zu ermitteln, und da schließlich mehrere Waren zu Tarifgruppen zusammengefaßt werden müßten, sei die gleiche steuerrechtliche Behandlung jeder einzelnen ausländischen mit der entsprechenden inländischen Ware nicht erreichbar gewesen. Sie sei auch nach Sinn und Zweck der Ausgleichsteuer nicht geboten. Bei der einphasigen Erhebung der Ausgleichsteuer sei nur die Umsatzsteuer für eine Wirtschaftsstufe ausgeglichen und die eingeführte Ware daher in der Regel unterdurchschnittlich belastet worden; nur wenige Einfuhrgüter seien im Ausnahmefall höher belastet gewesen, wenn bei gleichartigen inländischen Waren einzelne Liefervorgänge umsatzsteuerfrei waren. Eine solche begrenzte ungleiche wirtschaftliche Auswirkung eines Steuergesetzes sei als unvermeidbar hinzunehmen; weder Art. 3 Abs. 1 noch Art. 2 Abs. 1 GG noch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit würden hierdurch verletzt.
Die Bundesregierung sei nicht verpflichtet gewesen, Milchpulver durch Aufnahme in die Freiliste 1 (Anlage zu § 2 Abs. 1 der Ausgleichsteuerordnung vom 19. Januar 1962 – BGBl. I S. 35 –) von der Umsatzausgleichsteuer zu befreien. Die der Bundesregierung in § 4 Nr. 1 UStG in der Fassung des Elften Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes vom 16. August 1961 (BGBl. I S. 1330) aus wirtschaftspolitischen Gründen erteilte Ermächtigung, Roh- und Hilfsstoffe, die für die deutsche Erzeugung erforderlich sind und im Inland nicht oder nicht in ausreichender Menge erzeugt werden, von der Umsatzsteuer auszunehmen, habe nicht unmittelbar die Steuerfreiheit begründet und auch keine Verpflichtung des Verordnunggebers enthalten, alle wirtschaftsnotwendigen Roh- und Hilfsstoffe in die Freiliste aufzunehmen. Im übrigen sei Milchpulver als bearbeitetes Erzeugnis weder ein Rohstoff noch ein Hilfsstoff.
Art. III Abs. 2 GATT sei schon deshalb nicht anwendbar, weil bereits das für den engeren Bereich der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft geltende, fast wörtlich übereinstimmende Diskriminierungsverbot des Art. 95 EWGV eingreife. Es könne deshalb dahinstehen, ob Art. III Abs. 2 GATT überhaupt Rechte des einzelnen begründe.
III.
Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen den das Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschluß des Bundesfinanzhofs und gegen das Urteil dieses Gerichts vom 15. Januar 1969. Zur Begründung trägt sie im einzelnen vor:
1. Der Senat habe über das Ablehnungsgesuch unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in fehlerhafter Besetzung entschieden. Nicht der Präsident, sondern das Präsidium des Bundesfinanzhofs hätte die Beschlußfähigkeit des VII. Senats durch die Bestellung eines Vertreters wiederherstellen müssen, zumal keine Notwendigkeit bestanden habe, über das Ablehnungsgesuch noch an demselben Tag zu entscheiden. Mithin sei Bundesrichter K … gesetzwidrig zum zeitweiligen Vertreter bestimmt worden und hätte deshalb an der Entscheidung nicht mitwirken dürfen.
2. Das angefochtene Urteil verletze sie aus mehreren Gründen in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter und in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör:
a) Es hätten Richter mitgewirkt, die sie zu Recht wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt habe; ihr Ablehnungsgesuch sei mit einer unhaltbaren Begründung zurückgewiesen worden. Der Bundesfinanzhof habe verkannt, daß schon der Anschein der Parteilichkeit eines Richters es rechtfertige, seine Befangenheit zu besorgen. Ein solcher Verdacht dränge sich hier aus den im Ablehnungsgesuch genannten Gründen auf. Senatspräsident Dr. R … habe zudem in seiner dienstlichen Äußerung keine vertretbaren Gründe für seine ständig geübte Weigerung mitgeteilt, ihrem Bevollmächtigten die Gerichtsakten zur Einsicht in dessen Büro zu überlassen; dessen Angestellte seien wie Zollbeamte zur Wahrung des Berufsgeheimnisses verpflichtet. Er habe ferner auch nicht rechtfertigen können, weshalb er der Bundeszollverwaltung im vorliegenden Fall gesetzwidrig Akteneinsicht gewährt habe. Der sie und ihren Bevollmächtigten benachteiligende Streitwertbeschluß sei, weil er eine Gesetzesänderung unberücksichtigt gelassen habe, so offensichtlich falsch, daß sie der dienstlichen Äußerung der abgelehnten Richter, sie hätten sich bei dieser Entscheidung ausschließlich an ihrer Rechtsüberzeugung orientiert, nicht glauben könne. Da bei dieser Sachlage das Ablehnungsgesuch hätte Erfolg haben müssen, hätten die abgelehnten Richter unter Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG an dem angefochtenen Urteil mitgewirkt.
b) Das angefochtene Urteil gehe stillschweigend davon aus, daß der Gesetzgeber auch vor Inkrafttreten der Art. 95 und 97 EWGV schon Durchschnittssteuersätze nach Berechnungen über die durchschnittliche Steuerbelastung vergleichbarer inländischer Waren festgelegt habe. Der Bundesfinanzhof habe dabei entweder Berechnungen verwertet, die ihr unbekannt geblieben seien, oder er habe unter Umgehung der Kompetenz des Tatsachengerichts kurzerhand unterstellt, daß solche Berechnungen vorgenommen worden seien. Das Urteil verletze mithin entweder Art. 103 Abs. 1 oder Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
c) Der Bundesfinanzhof habe gegen §§ 76, 118 FGO und damit zugleich auch gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, weil er die Sache nicht an das Finanzgericht zur Durchführung von Ermittlungen über die Höhe der Umsatzsteuerbelastung inländischen Milchpulvers im Jahre 1963 zurückverwiesen, sondern sich mit einem Hinweis auf das Vorgehen der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und die darauf beruhende spätere Senkung des Ausgleichsteuersatzes für Milchpulver begnügt habe. Solche Ermittlungen seien hinsichtlich des nicht unter Art. 97 EWGV fallenden Steuersatzes von 4 v. H. unentbehrlich gewesen, selbst wenn der ab 1. April 1965 geltende Steuersatz von 3 v. H. ein Durchschnittssatz gewesen sein sollte. Der Bundesfinanzhof habe Feststellungen der Kommission ungeprüft übernommen und das Vorbringen der Beschwerdeführerin demgegenüber als unbeachtlich behandelt. Die Folgerungen aus dem Verhalten der Kommission, die nach Erwägungen politischer Opportunität vorgehe, seien zudem auch falsch. Die Kommission sei schon aus Personalmangel nicht in der Lage gewesen, die Steuersätze aller Mitgliedstaaten ständig auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 95, 97 EWGV zu prüfen. Auf Berechnungen des deutschen Gesetzgebers habe der Bundesfinanzhof sich nicht stützen können, da solche Berechnungen in den Gesetzentwürfen der Bundesregierung nicht niedergelegt worden seien.
d) Der Bundesfinanzhof habe in mehrfacher Hinsicht seiner Pflicht zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 177 Abs. 1 und 3 EWGV zuwidergehandelt und auch hierdurch die Beschwerdeführerin ihrem gesetzlichen Richter entzogen.
Diese Rüge erstreckt sich nach den Darlegungen der Beschwerdeführerin u. a. auf folgende Fragen der Auslegung des EWG-Vertrages und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs:
In den zahlreichen Vorabentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung der Art. 95, 97 EWGV sei offen geblieben, welche Folgen bei dem Verstoß eines Steuersatzes gegen Art. 95 EWGV eintreten; in ihnen sei jedenfalls an keiner Stelle von relativer oder teilweiser Ungültigkeit eines solchen Steuersatzes die Rede. Der Bundesfinanzhof habe die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unbefugt dahin ausgelegt, daß er einen mit Art. 95 EWGV nicht zu vereinbarenden Steuersatz selbst dem Gemeinschaftsrecht anpassen dürfe.
Weiterhin gehe der Bundesfinanzhof davon aus, daß es eine Frage des nationalen Rechts der Mitgliedstaaten sei, ob der Gesetzgeber einen Steuersatz als Durchschnittssatz eingeführt habe. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei aber zu entnehmen, daß der Begriff „Durchschnittssatz” ein solcher des EWG-Vertrages sei und seine Auslegung daher dem Europäischen Gerichtshof vorbehalten bleiben müsse. Die Feststellung des Bundesfinanzhofs, Art. 97 Abs. 1 EWGV sei keine Ermächtigung, auf die der nationale Gesetzgeber bei Einführung von Durchschnittssätzen Bezug nehmen müsse, enthalte ebenso eine unzulässige Auslegung des EWG-Vertrages wie die Auffassung, es gehöre nicht zum Wesen eines Durchschnittssatzes, daß er sich auf nachprüfbare Berechnungen über die auszugleichende Umsatzsteuerbelastung gründe. Auch die im angefochtenen Urteil enthaltene Definition des Begriffs des Durchschnittssatzes hätte dem Europäischen Gerichtshof vorbehalten bleiben müssen.
Auf einem Verstoß gegen Art. 177 EWGV beruhe schließlich auch die Annahme des Bundesfinanzhofs, Art. 95 ff. EWGV seien Spezialvorschriften zu Art. 7 und 40 EWGV.
e) Das angefochtene Urteil weiche von Urteilen anderer Senate des Bundesfinanzhofs ab. Der VII. Senat hätte deshalb die Sache gemäß § 11 Abs. 3 FGO dem Großen Senat des Bundesfinanzhofs vorlegen müssen. Durch die willkürliche Unterlassung der gesetzlich gebotenen Vorlage an den Großen Senat werde die Beschwerdeführerin ebenfalls ihrem gesetzlichen Richter entzogen.
Im Urteil vom 5. November 1964 (BStBl. III S. 602) habe der IV. Senat des Bundesfinanzhofs eine Reihe strenger Grundsätze für die Zulässigkeit einer Besteuerung nach Durchschnittssätzen aufgestellt. Hiervon sei der VII. Senat im angefochtenen Urteil abgewichen.
Weiterhin weiche das angefochtene Urteil von dem Gutachten des V. Senats vom 21. Oktober 1954 (BZBl. 1955 S. 48) ab. In dieser Entscheidung seien grundlegende Ausführungen über Sinn und Zweck der Ausgleichsteuer und ihre Abhängigkeit von einem konkreten Belastungsvergleich enthalten. Diese Grundsätze habe der VII. Senat nicht beachtet.
f) Mit einem Schriftsatz vom 27. Oktober 1969 rügt die Beschwerdeführerin ferner, Art. 103 Abs. 1 GG sei auch dadurch verletzt worden, daß die nach Klageerhebung entstandenen, den Streitfall betreffenden Behördenakten entgegen § 71 Abs. 2 FGO nicht vorgelegt worden seien, so daß sie sie nicht habe einsehen können.
g) Mit einem Schriftsatz vom 20. Januar 1971 rügt die Beschwerdeführerin, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sei auch dadurch verletzt worden, daß der Bundesfinanzhof es entgegen § 2 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968 (BGBl. I S. 661) unterlassen habe, den Gemeinsamen Senat anzurufen; der Bundesfinanzhof habe einen Vorrang des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens vor dem innerstaatlichen Recht verneint und sich damit in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gesetzt.
3. Das angefochtene Urteil greife in mehrfacher Beziehung unter Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit der Beschwerdeführerin ein.
a) Die Auffassung des Bundesfinanzhofs, der Steuersatz von 4 v. H. habe zwar mit Art. 95 EWGV nicht im Einklang gestanden, sei aber dennoch nicht nichtig, sondern nur insoweit nicht anwendbar, als er gegen den EWG-Vertrag verstoßen habe, widerspreche den Grundsätzen der Gewaltenteilung und der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Ein rechtswidriges Steuergesetz sei nichtig. Teilnichtigkeit innerhalb eines grammatischen Satzes könne es nicht geben. Steuersätze in verschiedener Höhe gegenüber Mitgliedsländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und anderen Ländern würden im übrigen gegen das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen und gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Es stehe im Ermessen des Gesetzgebers, nicht aber in dem der Gerichte, ob und in welcher Weise ein ungültiges Gesetz durch ein gültiges ersetzt werden solle. Der Bundesfinanzhof habe aus eigener Machtvollkommenheit an die Stelle des nichtigen Steuersatzes von 4 v. H. einen neuen Steuersatz von 3 v. H. gesetzt.
Auch die Ansicht des Bundesfinanzhofs, er sei bei der Feststellung des im Jahre 1963 zulässigen Satzes für die Ausgleichsteuer an einen Entschluß des Gesetzgebers aus dem Jahre 1965 gebunden, verstoße gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Art. 20 und 97 GG, zumal bekannt sei, daß der Gesetzgeber seine Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag möglichst spät und in möglichst geringem Umfang erfüllen wollte.
Die Beschwerdeführerin müsse somit auf der Grundlage eines nicht verfassungsgemäßen Steuersatzes Abgaben entrichten.
b) Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 und 80 GG werde auch dadurch verletzt, daß Milchpulver nicht in die Freiliste 1 aufgenommen worden sei.
Das von der Beschwerdeführerin eingeführte Milchpulver sei im Zeitpunkt der Einfuhr ein Roh- und Hilfsstoff im Sinne von § 4 Nr. 1 UStG a. F. gewesen; seine Einfuhr hätte deshalb steuerfrei sein müssen. Sofern § 4 Nr. 1 UStG a. F. die Bundesregierung nicht verpflichtet haben sollte, in die Freiliste 1 alle einschlägigen Roh- und Hilfsstoffe aufzunehmen, habe schon die Ermächtigung wegen ihrer Unbestimmtheit gegen Art. 80 Abs. 1 GG verstoßen. Die vom Bundesfinanzhof angeführten wirtschaftspolitischen Zielsetzungen hätte der Gesetzgeber festlegen müssen, denn der Verordnunggeber dürfe nicht nach seinem Ermessen im Gesetz selbst nicht zum Ausdruck gebrachte Ziele verfolgen. Werde die Ermächtigung aber verfassungskonform im Sinne einer bindenden Verpflichtung des Verordnunggebers ausgelegt, so sei die als Rechtsverordnung erlassene Freiliste 1 gesetzwidrig gewesen. In beiden Fällen fehle es für die Erhebung von Umsatzausgleichsteuer auf die Einfuhr von Milchpulver an einer der verfassungsmäßigen Ordnung entsprechenden Rechtsgrundlage.
c) Die Beschwerdeführerin werde schließlich auch dadurch in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt, daß der Bundesfinanzhof unter Verstoß gegen Art. 25 GG die durch Art. III Abs. 2 GATT für die Steuerpflichtigen begründeten unmittelbaren Rechte nicht beachtet habe.
Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes, die der im Inland unmittelbar wirksamen Bestimmung des Art. III Abs. 2 GATT widersprächen, seien nach der gemäß Art. 25 GG als Bestandteil des Bundesrechts geltenden allgemeinen Völkerrechtsregel „pacta sunt servanda” ungültig. Zumindest müsse das innerstaatliche Umsatzsteuerrecht völkerrechtskonform ausgelegt werden. Dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen sei regelmäßig durch alle Umsatzsteueränderungsgesetze zuwidergehandelt worden, durch welche die Umsatzsteuer für inländische Waren ermäßigt worden sei, ohne daß in gleichem Umfang auch die Ausgleichsteuer auf eingeführte Waren herabgesetzt wurde.
4. Die Ausgleichsteuer in Höhe von 3 v. H. auf die Einfuhr von Milchpulver verletze Art. 3 Abs. 1 GG.
Die kumulierte Umsatzsteuerbelastung inländischen Milchpulvers habe nach dem vorgelegten Gutachten des Diplom-Kaufmanns Greiffenhagen im Jahre 1963 höchstens noch 1,5 v. H. betragen. Bei einem Ausgleichsteuersatz von 3 v. H. auf eingeführtes Milchpulver sei der Unterschied der Steuerbelastungen inländischen und eingeführten Milchpulvers so groß, daß er mit technischen Schwierigkeiten im Besteuerungsverfahren nicht gerechtfertigt werden könne. Wenn der Bundesfinanzhof darauf abstelle, daß die Ausgleichsteuer für die Mehrzahl aller Waren einphasig nach dem einfachen Steuersatz für nur eine Wirtschaftsstufe erhoben worden sei, so daß diese Waren unterdurchschnittlich belastet gewesen seien, und demgegenüber nur wenige Waren wegen der Steuerfreiheit einzelner Liefervorgänge bei vergleichbaren inländischen Waren überdurchschnittlich belastet gewesen seien, so räume diese Erwägung für den einzelnen Importeur die ungerechtfertigte Belastung nicht aus. Da es zum Zeitpunkt der Einfuhr bereits neun verschiedene Ausgleichsteuersätze gegeben und eine große Zahl von Waren nicht mehr dem früheren Regelsteuersatz von 4 v. H. unterlegen habe, könne die Abweichung vom Grundsatz der individuell gleichmäßigen Besteuerung auch nicht mehr mit der Notwendigkeit einer typisierenden Gesetzgebung oder mit Gründen der Praktikabilität der Verwaltung gerechtfertigt werden.
Der Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG könne auch nicht mit dem Hinweis auf die spätere gesetzliche Festlegung eines Steuersatzes von 3 v. H. ausgeräumt werden, da nicht festgestellt worden sei, daß die Umsatzsteuerbelastung deutschen Milchpulvers zum Einfuhrzeitpunkt im Jahre 1963 mindestens 3 v. H. betragen habe.
5. Insoweit der Umsatzausgleichsteuer keine auszugleichende Umsatzsteuerbelastung gleichartiger inländischer Waren gegenüberstehe, verstoße sie auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Steuergesetze dürften nicht grundlos oder übermäßig in die Rechts- und Vermögenssphäre des Steuerpflichtigen eingreifen. Die Ausgleichsteuer sei eine wirtschaftspolitisch bedingte Ordnungssteuer, keine Fiskalsteuer gewesen. Bestehe, wie im vorliegenden Falle, wegen der für vergleichbare inländische Erzeugnisse geltenden Umsatzsteuerfreiheit kein Ausgleichsbedürfnis, so gehe der mit der Erhebung der Steuer verbundene Eingriff über das Maß des Erforderlichen hinaus. Der vom Bundesfinanzhof zugrundegelegte Steuersatz von 3 v. H. übersteige die auszugleichende Umsatzsteuerbelastung so erheblich, daß er nicht einmal mehr als grobe Angleichung bezeichnet werden könne.
6. Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 1969 rügt die Beschwerdeführerin, daß auch Art. 19 Abs. 4 GG verletzt worden sei. Diese Norm gebiete, daß Durchschnittssätze nur durch ein „verfassungsänderndes Gesetz” festgelegt werden dürften. Andernfalls werde aufgrund der Auslegung des Art. 97 EWGV durch den Europäischen Gerichtshof die richterliche Nachprüfung vereitelt.
IV.
Namens der Bundesregierung hat der Bundesminister der Finanzen zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Er hält sie für unbegründet und die mit Schriftsätzen vom 27. Oktober und 8. Dezember 1969 sowie vom 20. Januar 1971 nachgeschobenen Rügen für verspätet.
B. – I.
1. Die am 26. April 1969 eingegangene Verfassungsbeschwerde ist rechtzeitig erhoben. Die Beschwerdeführerin hat am Tage der Verkündung des Beschlusses über das Ablehnungsgesuch um Zustellung einer vollständigen Beschlußausfertigung gebeten. Dadurch wurde die Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde bis zur Zustellung der Beschlußausfertigung am 27. März 1969 unterbrochen. Das angefochtene Urteil ist nicht verkündet, sondern stattdessen ebenfalls am 27. März 1969 zugestellt worden (§§ 104 Abs. 2, 121 FGO).
2. Die mit Schriftsätzen vom 27. Oktober 1969 und 20. Januar 1971 nachgeschobenen Rügen (vgl. oben A, III unter 2 f) und 2 g)) sind verspätet. Sie ergänzen nicht die Begründung der Verfassungsbeschwerde nachträglich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht, sondern machen nach Fristablauf weitere behauptete Verletzungen der Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und 103 Abs. 1 GG mit neuem Sachvortrag zum Gegenstand des Verfahrens (vgl. BVerfGE 18, 85 [89]). Der Umstand, daß die Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und 103 Abs. 1 GG mit anderer tatsächlicher Begründung rechtzeitig als verletzt gerügt worden sind, ändert hieran nichts.
3. Die Rüge, Art. 103 Abs. 1 oder Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG seien verletzt, weil der Bundesfinanzhof der Beschwerdeführerin unbekannte Berechnungen über Umsatzsteuervorbelastungen verwertet oder solche Berechnungen unter Verstoß gegen §§ 76, 118 FGO unterstellt habe (vgl. oben A, III unter 2 b)), ist unzulässig; die Beschwerdeführerin ist insoweit nicht betroffen.
Rechtsgrundlage der Ausgleichsteuererhebung im Streitfall ist § 7 Abs. 4 UStG. Den dort festgelegten Steuersatz von 4 v. H. hat der Bundesfinanzhof zugunsten der Beschwerdeführerin nicht als Durchschnittssatz im Sinne des Art. 97 EWGV und des § 7 Abs. 7 UStG angesehen, sondern am Maßstab des Art. 95 EWGV geprüft. Lediglich im Rahmen einer rechtsgeschichtlichen Darstellung sieht er früher festgelegte Durchschnittssteuersätze für andere Waren deshalb als ordnungsgemäß ermittelt an, weil diesen Steuersätzen, wie z. B. ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (BTDrucks. III/2402 S. 11 f.), Berechnungen über die Umsatzsteuerbelastung entsprechender inländischer Waren zugrunde lagen. Durch Feststellungen zu Steuersätzen, die auf ihre Einfuhr nicht angewandt worden sind, kann die Beschwerdeführerin jedoch nicht in ihren nach § 90 Abs. 1 BVerfGG geschützten Rechten verletzt sein.
II.
Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie nicht begründet.
1. Die Beschwerdeführerin ist nicht dadurch ihrem gesetzlichen Richter entzogen worden, daß Bundesrichter K … als vom Präsidenten des Bundesfinanzhofs bestellter zeitweiliger Vertreter (§§ 155 FGO, 67 GVG) an der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch mitgewirkt hat.
a) § 67 GVG ist mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar. Zwar haben die Regelungen, die den gesetzlichen Richter bestimmen, im voraus und generell so eindeutig wie möglich festzulegen, welche Richter zur Entscheidung des Einzelfalls berufen sind und wer im Verhinderungsfall an ihre Stelle tritt. Es läßt sich jedoch nicht ausschließen, daß auch die durch Geschäftsverteilungsplan bestellten regelmäßigen Vertreter ihrerseits vorübergehend verhindert sind oder ihre Zahl in einem Einzelfall nicht ausreicht, die Beschlußfähigkeit des Spruchkörpers wiederherzustellen. In einem solchen Falle kann der in richterlicher Unabhängigkeit handelnde Gerichtspräsident gemäß § 67 GVG ad hoc und ad personam im Interesse reibungsloser Geschäftsabwicklung einen zeitweiligen Vertreter bestimmen. Diese gesetzliche Bestimmung, die unvermeidlichen Fällen Rechnung trägt, in denen eine generell-abstrakte Regelung im voraus nicht möglich ist, ist mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar (vgl. auch BVerfGE 17, 294 [300]; 25, 336 [346 ff.]).
b) Die Bestellung des Bundesrichters K … zum zeitweiligen Vertreter war durch § 67 GVG gerechtfertigt. Die erst im Verhandlungstermin erklärte Ablehnung von drei Senatsmitgliedern hatte eine nur kurzfristige, auf das Ablehnungsverfahren oder den Rechtsstreit im ganzen bezogene, also auf einen Einzelfall beschränkte Verhinderung mehrerer Mitglieder des zuständigen Spruchkörpers zur Folge, die ohne eine Anordnung des Gerichtspräsidenten nach § 67 GVG zur Beschlußunfähigkeit des Senats geführt hätte. Es ist gerade der Sinn dieser Vorschrift, die Folgen solcher nicht vorhersehbarer und nur vorübergehender Verhinderungen durch eine Sofortmaßnahme des Gerichtspräsidenten zu beheben. Mithin ist die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch in der richtigen Besetzung des Senats und deshalb vom gesetzlichen Richter erlassen worden.
2. a) Die Rüge, das angefochtene Urteil verletze Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, weil das gegen drei der mitwirkenden Richter eingereichte Ablehnungsgesuch mit offensichtlich fehlerhafter Begründung zurückgewiesen worden sei, ist unbegründet.
Die Entscheidung eines Gerichts, an der zuvor erfolglos abgelehnte Richter mitwirken, verletzt den Anspruch auf den gesetzlichen Richter nicht schon dann, wenn das Ablehnungsgesuch infolge fehlerhafter Anwendung einfachen Rechts zurückgewiesen worden sein sollte, sondern erst, wenn diese Zurückweisung auf willkürlichen Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 29, 45 [48 f.] mit weiteren Nachweisen).
Daran fehlt es hier. Der das Ablehnungsgesuch zurückweisende Beschluß geht davon aus, daß frühere, möglicherweise gesetzwidrige oder ermessensfehlerhafte Entscheidungen des abgelehnten Richters zum Nachteil des Ablehnenden die Besorgnis der Befangenheit nur dann rechtfertigen, wenn zugleich Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, daß der Richter gegenüber der betroffenen Partei voreingenommen ist. Diese Auslegung des Begriffs „Besorgnis der Befangenheit” ist mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG offensichtlich vereinbar. Sie gewährleistet, daß der nach Gesetz und Geschäftsverteilungsplan an sich zuständige Richter nicht ohne triftigen Grund in einem Einzelfall von der Mitwirkung an der Entscheidung ausgeschlossen wird.
Anhaltspunkte für eine parteiische Einstellung der abgelehnten Richter hat der Bundesfinanzhof unter Berücksichtigung ihrer dienstlichen Äußerungen nicht festgestellt und dementsprechend verneint, daß die Beschwerdeführerin vernünftige Gründe habe, an der Unbefangenheit dieser Richter ernstlich zu zweifeln. Diese Würdigung ist jedenfalls frei von Willkür und deshalb unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden.
b) Der Anspruch der Beschwerdeführerin auf ihren gesetzlichen Richter ist auch nicht dadurch verletzt worden, daß es der Bundesfinanzhof unterlassen hat, die Streitsache an die Tatsacheninstanz zur Beweisaufnahme über die Frage zurückzuverweisen, wie hoch die Umsatzsteuerbelastung inländischen Milchpulvers im Zeitpunkt der Einfuhr gewesen sei.
Es ist zwar denkbar, daß eine Partei ihrem gesetzlichen Richter dadurch entzogen wird, daß ein an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebundenes (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) Revisionsgericht den Sachverhalt selbst erforscht oder eine nach dem Stand des Verfahrens gebotene Zurückverweisung an das Tatsachengericht zwecks weiterer Sachaufklärung (vgl. § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO) unterläßt (vgl. BVerfGE 3, 255 [256]; 3, 359 [363 f.]). Die in einer Sachaufklärung durch das Revisionsgericht bzw. einer Verhinderung der Sachaufklärung durch das Tatsachengericht enthaltene Verkennung der dem Revisionsgericht gezogenen Grenzen kann jedoch, wie jede Maßnahme oder Entscheidung eines Gerichts, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann verletzen, wenn sie von willkürlichen Erwägungen bestimmt ist (vgl. BVerfGE 29, 45 [48] mit weiteren Nachweisen).
Für eine solche Annahme bietet das angefochtene Urteil jedoch keine Anhaltspunkte; denn der Bundesfinanzhof konnte nach dem feststehenden Sachverhalt, ohne willkürlich zu handeln, davon ausgehen, daß die Besteuerung der Einfuhr der Beschwerdeführerin nach einem Ausgleichsteuersatz von 3 v. H., wie er später, mit Wirkung vom 1. April 1965, gesetzlich festgelegt worden war, eine dem EWG-Vertrag widersprechende Diskriminierung dieser Einfuhr ausschloß. Dies ergibt sich aus folgendem:
Mit Schreiben vom 19. Dezember 1963, also kurz nach der Einfuhr im Streitfall, beanstandete der Generaldirektor für Wettbewerb der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, daß der geltende Ausgleichsteuersatz von 4 v. H. die Einfuhr von Milchpulver aus Mitgliedsländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft verbotswidrig diskriminiere und regte an, ihn auf 3 v. H. zu ermäßigen. In diesem Schreiben heißt es:
Die von meiner Dienststelle durchgeführten Berechnungen haben ergeben, daß in der Regel für 1 kg Vollmilchpulver 8,9 kg Vollmilch mit einem Fettgehalt von 3 % verarbeitet werden müssen. Bei einem Erzeugerpreis von 0,24 DM für 1 l Vollmilch ergeben sich 2,13 DM Rohstoffkosten, für die nach den von dem Institut für Betriebswirtschaft in Braunschweig-Völkenrode vorgelegten, leicht berichtigten Berechnungen die Umsatzsteuervorbelastung mit 2,7 bis 2,8 % = 0,059 DM anzunehmen ist. Schätzt man im übrigen die mit Umsatzsteuer vorbelasteten Herstellungskosten auf 50% der Spanne zwischen Rohstoffkosten und Verkaufspreis, das sind bei einem Herstellerverkaufspreis von 2,81 DM pro kg 0,34 DM pro kg, und setzt man deren Umsatzsteuervorbelastung mit 6% = 0,02 DM an, so ergibt dies eine Gesamtbelastung an Umsatzsteuer von 0,08 DM = 2,86 %. Legt man hingegen für die nicht näher untersuchten, umsatzsteuerbelasteten Kosten den bisher stets von der Bundesregierung angewendeten Pauschalsatz von 8 % zugrunde, so ergibt sich eine Gesamtbelastung von 3,1 %. … Ich halte nach den vorstehenden Berechnungen eine Herabsetzung des Ausgleichsteuersatzes von 4 % auf 3 % für gerechtfertigt (vgl. EuR 1967, 139).
Dieser Anregung entsprach der deutsche Gesetzgeber durch das Sechzehnte Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes vom 26. März 1965 erst mit Wirkung vom 1. April 1965. Zuvor war eine Gesetzesinitiative der Bundesregierung, mit der diese Ermäßigung des Ausgleichsteuersatzes schon im Jahre 1961 in Kraft gesetzt werden sollte, am Widerstand der gesetzgebenden Körperschaften gescheitert (vgl. BTDrucks. III/2402 S. 11 f.; III/2906 S. 6; IV/2577 S. 8).
Eine Bitte der Beschwerdeführerin, von der Bundesrepublik Deutschland die völlige Beseitigung der Umsatzausgleichsteuer auf Milchpulver ab 1. Januar 1962 zu verlangen, beschied der Generaldirektor für Wettbewerb der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ablehnend. In seinem Antwortschreiben an die Beschwerdeführerin vom 14. Mai 1965 ist ausgeführt:
Mit der Verkündung des Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes vom 26. März 1965 am 31. März 1965, durch das u. a. mit Wirkung vom 1. April 1965 der Satz der Umsatzausgleichsteuer für Milchpulver von 4 v. H. auf 3 v. H. herabgesetzt worden ist, hat die Bundesrepublik Deutschland die von der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft insoweit festgestellte und gerügte Verletzung des Art. 95 Abs. 1 EWGV beseitigt.
…
Ihrer Auffassung, daß die von der Bundesrepublik Deutschland erhobene Umsatzausgleichsteuer auf Milchpulver vollen Umfangs gegen Art. 95 des EWG-Vertrags verstoße und die Kommission deren völlige Beseitigung fordern müsse, vermag sich die Kommission nicht anzuschließen. Nach Auffassung der Kommission hat die Bundesrepublik Deutschland den Satz der Umsatzausgleichsteuer für Milchpulver nunmehr der Umsatzsteuerbelastung angepaßt, die inländisches Milchpulver mittelbar zu tragen hat. Die Kommission sieht deshalb für ein weiteres Tätigwerden keinen Anlaß. … (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1. März 1966; Rechtssache 48/65; Slg. Bd. XII, 27 [31]).
Hiernach war es jedenfalls nicht willkürlich, daß der Bundesfinanzhof den durch Art. 95 EWGV gewährleisteten individuellen Rechtsschutz gegen einen überhöhten Ausgleichsteuersatz dadurch verwirklicht hat, daß er den ab 1. April 1965 gesetzlich festgelegten Steuersatz von 3 v. H. als Maßstab sachgerechter Besteuerung auch der im Jahre 1963 vorgenommenen Einfuhr im Streitfalle zugrunde legte. Hierfür boten die im Jahre 1963 vorgenommenen und vom Bundesfinanzhof als zuverlässig angesehenen Berechnungen der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft konkrete und hinreichend sichere Anhaltspunkte. Ein Ausgleichsteuersatz, der individuell, auf den Einzelfall bezogen, die Umsatzsteuerbelastung der entsprechenden inländischen Ware rechnerisch genau ausgeglichen hätte, war, wovon auch Art. 97 EWGV ausgeht, bei dem im Jahre 1963 noch geltenden System der kumulativen Allphasenumsatzsteuer schon deshalb nicht denkbar, weil die Umsatzsteuerbelastung der entsprechenden inländischen Ware systembedingt stets in gewissem Umfang variabel sein mußte. Auch die von der Beschwerdeführerin geforderten Ermittlungen über die genaue Höhe der Umsatzsteuerbelastung hätten daher zwangsläufig nur zu einem Durchschnittswert führen können. Einen solchen Durchschnittswert hatte aber die Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft schon im Jahre 1963 nach Art. 97 Abs. 2 EWGV errechnet. Indem der Bundesfinanzhof den sich daraus ergebenden, vom Gesetzgeber aber erst ab 1. April 1965 als Durchschnittssatz festgelegten Ausgleichsteuersatz der Besteuerung im Streitfall zugrunde legte, gewährte er der Beschwerdeführerin nicht weniger Rechte, als ihr bei rechtzeitigem Tätigwerden des Gesetzgebers zugestanden hätten.
Im übrigen hat der Europäische Gerichtshof durch Urteil vom 28. April 1971 (Rechtssache 4/69) eine von der Beschwerdeführerin gegen die Kommission der Europäischen Gemeinschaften erhobene Schadensersatzklage wegen Nichteinschreitens gegen den – angeblich überhöhten – Ausgleichsteuersatz für Milchpulver zurückgewiesen, weil nicht erwiesen sei, daß ein Durchschnittssteuersatz von 3 v. H. für Vollmilchpulver die von der Kommission zu überwachenden Schranken des Art. 95 EWGV überschritten habe.
Das angefochtene Urteil beruht auch nicht auf eigenen Tatsachenfeststellungen des Revisionsgerichts, sondern lediglich auf Schlußfolgerungen aus dem den Parteien bekannten Vorgehen der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Der Bundesfinanzhof hat mithin keine ausschließlich dem Tatsachengericht zustehenden Befugnisse an sich gezogen. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist auch insoweit nicht verletzt.
Die in diesem Zusammenhang nachträglich erhobene Rüge (vgl. oben A, III unter 6.), der Bundesfinanzhof habe die Rechtmäßigkeit einer Besteuerung in Höhe von 3 v. H. nicht hinreichend geprüft und dadurch Art. 19 Abs. 4 GG verletzt, ist zwar rechtzeitig erhoben (vgl. BVerfGE 27, 297 [304 f.]), aber ersichtlich unbegründet. Die Urteilsgründe ergeben eindeutig, daß sich der Bundesfinanzhof in Würdigung des unstreitigen Prozeßstoffes die Überzeugung verschafft hat, daß ein Steuersatz von 3 v. H. die Einfuhr im Streitfalle nicht diskriminiere. Schon deshalb kann Art. 19 Abs. 4 GG offensichtlich nicht verletzt sein.
c) Der Bundesfinanzhof hat die Beschwerdeführerin auch nicht dadurch ihrem gesetzlichen Richter entzogen, daß er keine weitere Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs eingeholt hat.
Die Auslegung des EWG-Vertrages sowie die Prüfung der Gültigkeit und die Auslegung von Handlungen eines Organs der Gemeinschaft, zu denen auch die Urteile des Europäischen Gerichtshofs gehören (vgl. Art. 4 Abs. 1 EWGV), ist dem Europäischen Gerichtshof vorbehalten (Art. 177 Abs. 1 Buchst. a und b in Verbindung mit Abs. 3 EWGV). Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob der Europäische Gerichtshof insoweit, als Gerichte der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 177 Abs. 3 EWGV zur Vorlage an ihn verpflichtet sind, gesetzlicher Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist; der Bundesfinanzhof hat eine erneute Anrufung des Europäischen Gerichtshofs jedenfalls nicht willkürlich unterlassen (vgl. BVerfGE 29, 198 [207] mit weiteren Nachweisen).
In seinen Urteilen vom 3. und 4. April 1968 (Rechtssachen 28 und 34/67; Slg. Bd. XIV, 215 [233] und 363 [373]) hat der Europäische Gerichtshof dargelegt, es sei Sache des nationalen Gerichts, nach seinem eigenen Recht darüber zu entscheiden, ob eine Abgabe, die nur über einen bestimmten Betrag hinaus mit Art. 95 Abs. 1 EWGV unvereinbar ist, insgesamt rechtswidrig sei oder nur insoweit, als sie jenen Betrag übersteige. Der Bundesfinanzhof durfte sich danach für befugt halten, über die Rechtsfolgen der teilweisen Unvereinbarkeit des Steuersatzes von 4 v. H. mit Art. 95 EWGV selbst ohne vorherige Anrufung des Europäischen Gerichtshofs zu entscheiden. Denn die deutschen Gerichte haben die Bestimmungen des EWG-Vertrages selbst anzuwenden und insbesondere die in den Vorabentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs enthaltenen Auslegungsergebnisse auf die von ihnen zu entscheidenden Einzelfälle zu übertragen.
Soweit die Beschwerdeführerin ferner rügt, der Bundesfinanzhof habe zahlreiche Fragen der Auslegung des Art. 97 EWGV entgegen Art. 177 Abs. 3 EWGV selbst entschieden, ist ihr entgegenzuhalten, daß der Bundesfinanzhof den auf ihre Einfuhr angewandten Steuersatz von 4 v. H. gerade nicht als Durchschnittssatz nach Art. 97 EWGV angesehen, sondern ihn am Maßstab des Art. 95 EWGV geprüft und auf 3 v. H. ermäßigt hat. Ein die Beschwerdeführerin belastender Verstoß gegen Art. 177 EWGV kommt hier demnach nur insoweit in Betracht, als der Bundesfinanzhof die Rechtmäßigkeit einer Ausgleichsteuer auf das eingeführte Milchpulver in Höhe von 3 v. H. des Zollwerts auch mit der Erwägung begründet hat, der Gesetzgeber habe später, d. h. mit Wirkung vom 1. April 1965, einen Steuersatz dieser Höhe, gestützt auf die Berechnungen der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, als ordnungsgemäß ermittelten Durchschnittssatz im Sinne des Art. 97 EWGV festgelegt. Jedoch hat der Bundesfinanzhof auch hinsichtlich der in diesem Zusammenhang erforderlichen Darlegungen zur Tragweite des Art. 97 EWGV und zu den formellen und materiellen Voraussetzungen für die Festlegung von Durchschnittssätzen eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht willkürlich unterlassen. Denn zur Begriffsbestimmung des Wortes „Durchschnittssätze” in Art. 97 EWGV hatte der Europäische Gerichtshof ausgeführt, es sei Sache der Mitgliedstaaten, Durchschnittssätze festzulegen; in den Staaten, die von der in Art. 97 EWGV eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht haben, hätten als „Durchschnittssätze” die von diesen Staaten als solche eingeführten Sätze zu gelten (vgl. Urteile vom 3. und 4. April 1968; Rechtssachen 28 und 25/67; Slg. Bd. XIV, 215 [235] und 311 [328 f.]). Hiernach konnte sich der Bundesfinanzhof für berechtigt ansehen, nach deutschem Steuerrecht selbst zu entscheiden, welche gesetzlichen Steuersätze ordnungsgemäße, dem Art. 97 EWGV entsprechende Durchschnittssätze waren. Diese Auffassung des Bundesfinanzhofs ist im übrigen dadurch nachträglich bestätigt worden, daß der Europäische Gerichtshof in einem späteren Urteil vom 24. Juni 1969 (Rechtssache 29/68; Slg. Bd. XV, 165 [184]) ausdrücklich klargestellt hat, es sei – vom Gemeinschaftsrecht her gesehen – eine vom staatlichen Gericht nach seinem nationalen Recht zu prüfende Frage, ob im Einzelfall von der in Art. 97 EWGV vorgesehenen Befugnis tatsächlich Gebrauch gemacht worden ist.
Soweit das angefochtene Urteil in anderen Teilen seiner Begründung beiläufig zum Inhalt von Normen des EWG-Vertrages und ihrem Verhältnis zueinander Stellung nimmt, kommt eine willkürliche Verletzung der Vorlagepflicht schon deshalb nicht in Betracht, weil insoweit eine Auslegung des EWG-Vertrages nach der verfassungsgerichtlich nicht zu überprüfenden Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs für die zu treffende Entscheidung nicht erheblich war.
Nach alledem läßt das dem angefochtenen Urteil zugrundeliegende Verständnis von Vorschriften des EWG-Vertrages, insbesondere des Art. 177 EWGV, Willkür jedenfalls nicht erkennen.
d) Der VII. Senat des Bundesfinanzhofs hat die Beschwerdeführerin schließlich auch nicht dadurch ihrem gesetzlichen Richter entzogen, daß er es unterlassen hat, den Großen Senat des Bundesfinanzhofs anzurufen.
Allerdings ist Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auch dann verletzt, wenn ein Senat eines obersten Bundesgerichts die vor einer Abweichung von einer Entscheidung eines anderen Senats oder des Großen Senats gesetzlich (vgl. § 11 Abs. 3 FGO) geforderte Vorlage an den Großen Senat dieses Gerichts willkürlich unterläßt (BVerfGE 19, 38 [43] mit weiteren Nachweisen). Das angefochtene Urteil weicht jedoch von den von der Beschwerdeführerin bezeichneten Entscheidungen des IV. und V. Senats des Bundesfinanzhofs keinesfalls in einer solchen Weise ab, daß die Pflicht, den Großen Senat anzurufen, klar auf der Hand lag und die Unterlassung der Vorlage als willkürlich bezeichnet werden müßte.
Das Urteil vom 5. November 1964 – IV 11/64 S – (BStBl. III S. 602) hat keinerlei Sachbezug zu den im vorliegenden Verfahren zu entscheidenden Rechtsfragen. Der IV. Senat hatte über das Fortgelten der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft vom 2. Juni 1949 (WiGBl. S. 95) zu entscheiden. Nach dieser Verordnung wurde der der Einkommensteuer unterliegende Gewinn einer Gruppe von Landwirten nach durchschnittlichen Werten ermittelt, die aus den Grundstückseinheitswerten abgeleitet wurden; hingegen wurden in ihr keine Durchschnittssätze für die Höhe der zu erhebenden Steuer festgelegt.
Das gemäß § 63 AO a. F. vom V. Senat erstattete Gutachten vom 21. Oktober 1954 – V zD 2/54 S – (BStBl. 1955 III S. 57) gehört zwar gemäß § 184 Abs. 2 Nr. 5 FGO in Verbindung mit § 64 AO a. F. zu den Entscheidungen, von denen ohne Anrufung des Großen Senats nicht abgewichen werden darf. Ihm kann aber nicht, wie die Beschwerdeführerin meint, der Rechtsgrundsatz entnommen werden, daß bei jeder einzelnen Ware Ausgleichsteuer nur genau in der Höhe erhoben werden dürfe, in der eine gleichartige inländische Ware der Umsatzsteuer unterliegt. Das Gutachten hat lediglich für ganz bestimmte Fallgestaltungen, in denen eine Ware bereits einmal mit Umsatzsteuer oder Umsatzausgleichsteuer belastet worden war, eine erneute Belastung mit Ausgleichsteuer als zweckwidrig und deshalb unzulässig bezeichnet, ohne damit die generelle Steuerpflicht für alle Einfuhren nach § 1 Nr. 3 UStG anzutasten oder die zulässige Höhe der Ausgleichsteuer an einen in jedem Einzelfall vorzunehmenden Vergleich mit der Belastung der entsprechenden inländischen Ware zu knüpfen.
3. a) Die von der Beschwerdeführerin erhobene Rüge, sie sei ohne eine der verfassungsmäßigen Ordnung entsprechende Rechtsgrundlage zur Zahlung von Ausgleichsteuer verurteilt worden, weil der Bundesfinanzhof unter Verletzung des Grundsatzes der Gewaltenteilung anstelle des Gesetzgebers selbst über die zulässige Höhe des Steuersatzes entschieden habe, ist unbegründet. Die im angefochtenen Urteil vorgenommene Ermäßigung der Ausgleichsteuer (vgl. § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO) steht mit Art. 20 Abs. 2 und 3 GG im Einklang: Der Bundesfinanzhof hat hierdurch nicht das durch Art. 2 Abs. 1 GG als Ausfluß der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit geschützte Recht der Beschwerdeführerin verletzt, nur aufgrund einer formell und inhaltlich mit der Verfassung im Einklang stehenden Rechtsgrundlage zu einer Abgabe herangezogen zu werden (vgl. BVerfGE 9, 3 [11]; 19, 206 [215 f.]; 21, 1 [3]; 27, 375 [384]). Das Urteil ist weder aufgrund einer ungültigen Norm ergangen noch beruht es auf einer Überschreitung der Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung (vgl. hierzu BVerfGE 7, 111 [119]; 18, 224 [236]; 19, 166 [174 ff.]). Der Bundesfinanzhof hat vielmehr nur die notwendigen Folgerungen daraus gezogen, daß der gesetzliche Steuersatz von 4 v. H. nach seiner Auffassung wegen Verletzung des vorrangigen Art. 95 EWGV teilweise, nämlich in Höhe von 1 v. H., nicht angewendet werden durfte.
Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, daß der Bundesfinanzhof dem Art. 95 EWGV auf der Grundlage der gemäß Art. 177 EWGV eingeholten Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 16. Juni 1966 den Vorrang vor entgegenstehendem deutschen Steuerrecht eingeräumt hat, bestehen nicht. Denn durch die Ratifizierung des EWG-Vertrages (vgl. Art. 1 des Gesetzes vom 27. Juli 1957 – BGBl. II S. 753 –) ist in Übereinstimmung mit Art. 24 Abs. 1 GG eine eigenständige Rechtsordnung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft entstanden, die in die innerstaatliche Rechtsordnung hineinwirkt und von den deutschen Gerichten anzuwenden ist (vgl. BVerfGE 22, 293 [296]). Die im Rahmen seiner Kompetenz nach Art. 177 EWGV ergangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung des Art. 95 EWGV war für den Bundesfinanzhof verbindlich. Art. 24 Abs. 1 GG besagt bei sachgerechter Auslegung nicht nur, daß die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen überhaupt zulässig ist, sondern auch, daß die Hoheitsakte ihrer Organe, wie hier das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, vom ursprünglich ausschließlichen Hoheitsträger anzuerkennen sind.
Von dieser Rechtslage ausgehend müssen seit dem Inkrafttreten des Gemeinsamen Markts die deutschen Gerichte auch solche Rechtsvorschriften anwenden, die zwar einer eigenständigen außerstaatlichen Hoheitsgewalt zuzurechnen sind, aber dennoch aufgrund ihrer Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof im innerstaatlichen Raum unmittelbare Wirkung entfalten und entgegenstehendes nationales Recht überlagern und verdrängen; denn nur so können die den Bürgern des Gemeinsamen Markts eingeräumten subjektiven Rechte verwirklicht werden.
Nach der Regelung, die das Verhältnis zwischen Gesetzgebung und Rechtsprechung im Grundgesetz gefunden hat, gehört es zu den Aufgaben der rechtsprechenden Gewalt, jede im Einzelfall anzuwendende Norm zuvor auf ihre Gültigkeit zu prüfen (vgl. BVerfGE 1, 184 [197]). Steht eine Vorschrift im Widerspruch zu einer höherrangigen Bestimmung, so darf sie das Gericht auf den von ihm zu entscheidenden Fall nicht anwenden. Dies gilt nur insoweit nicht, als die Verwerfungskompetenz bei Unvereinbarkeit formellen nachkonstitutionellen Rechts mit dem Grundgesetz gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten ist. Zur Entscheidung der Frage, ob eine innerstaatliche Norm des einfachen Rechts mit einer vorrangigen Bestimmung des Europäischen Gemeinschaftsrechts unvereinbar ist und ob ihr deshalb die Geltung versagt werden muß, ist das Bundesverfassungsgericht nicht zuständig; die Lösung dieses Normenkonflikts ist daher der umfassenden Prüfungs- und Verwerfungskompetenz der zuständigen Gerichte überlassen.
Im Rahmen dieser Kompetenz durfte der Bundesfinanzhof dem auf den Streitfall anzuwendenden § 7 Abs. 4 UStG die Gültigkeit für eine Einfuhr aus einem Mitgliedsland der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft insoweit aberkennen, als diese Norm nach seiner Überzeugung Art. 95 EWGV widersprach. Damit vollzog er lediglich diejenige auf den Einzelfall bezogene Korrektur des innerstaatlichen Rechts, die erforderlich war, um der unmittelbaren Wirkung des Art. 95 EWGV für den einzelnen Bürger und dem Vorrang dieser Norm vor entgegenstehendem nationalen Recht Geltung zu verschaffen.
Diese Kompetenz hat der Bundesfinanzhof nicht überschritten: Mit der Ermäßigung des rechnerisch teilbaren Ausgleichsteuersatzes von 4 v. H. auf 3 v. H. hat er sich streng an den Berechnungen der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und an der vom Gesetzgeber daraufhin im Sechzehnten Umsatzsteueränderungsgesetz für einen späteren Zeitraum getroffenen Entscheidung orientiert. Dies schließt die Annahme aus, er habe sich an die Stelle des Gesetzgebers gesetzt und eine diesem vorbehaltene Entscheidung nach eigenem Ermessen vorweggenommen (vgl. hierzu BVerfGE 2, 380 [406]; 4, 219 [233 f.]; 13, 318 [328]; 21, 1 [4]). Ein Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz oder andere verfassungsrechtliche Prinzipien liegt mithin nicht vor.
b) Die Rüge der Beschwerdeführerin, ihr Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG sei auch dadurch verletzt, daß das angefochtene Urteil die Einfuhr von Milchpulver mangels Aufnahme dieser Ware in die Freiliste 1 nicht von der Ausgleichsteuer freigestellt habe, ist unbegründet. Der Bundesfinanzhof hat in willkürfreier und im übrigen (vgl. BVerfGE 13, 318 [325]; 18, 85 [95 f.]) verfassungsgerichtlich nicht zu überprüfender Weise festgestellt, Milchpulver gehöre, weil es selbst Gegenstand einer Herstellung sei, nicht zu den Roh- und Hilfsstoffen; es erfülle deshalb schon die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiung von der Umsatzausgleichsteuer nicht. Abgesehen davon verletzt aber auch die das angefochtene Urteil als weiterer Entscheidungsgrund tragende Auslegung des § 4 Nr. 1 UStG a. F. aus den vom Bundesfinanzhof hierzu dargelegten Erwägungen offensichtlich nicht das Grundgesetz.
§ 4 UStG in der zur Zeit der Einfuhr geltenden Fassung lautete:
Von den unter § 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:
1. Die Einfuhr von Roh- und Hilfsstoffen, die für die deutsche Erzeugung erforderlich sind und im Inland nicht oder in nicht ausreichender Menge erzeugt werden. Die Bundesregierung bestimmt diese Gegenstände (Freiliste 1);
…
2. ff. …
Diese Vorschrift, die nach Ansicht des Bundesfinanzhofs die Bundesregierung ermächtigte, aus den Gegenständen, welche die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung erfüllten, diejenigen auszuwählen, bei denen sie aus wirtschaftspolitischen Gründen eine solche Befreiung für erforderlich hielt, war auch in dieser Auslegung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG). Soweit die Bundesregierung innerhalb des im Gesetz vorgegebenen Rahmens entscheiden durfte, ob die Einfuhr eines bestimmten Stoffes ausgleichsteuerfrei sein sollte, hatte sie wirtschaftspolitische Ermessensentscheidungen nach unter Umständen schnell wechselnden Zweckmäßigkeitserwägungen zu treffen. Ein solches Maß an Gestaltungsfreiheit darf dem Verordnunggeber eingeräumt werden, sofern die gesetzliche Ermächtigung, wie hier, mit hinreichender Deutlichkeit erkennen läßt, innerhalb welcher Grenzen ihm diese Freiheit zustehen soll (vgl. BVerfGE 26, 16 [30]; 29, 198 [211]). Die Beschwerdeführerin bringt zu Unrecht vor, der Bundesfinanzhof hätte § 4 Nr. 1 UStG a. F. verfassungskonform so auslegen müssen, daß auch der von ihr vorgenommenen Einfuhr die Steuerfreiheit zugute gekommen wäre. Dafür, daß der Verordnunggeber Milchpulver – selbst wenn es als Roh- oder Hilfsstoff im Sinne des § 4 Nr. 1 UStG a. F. anzusehen wäre – aus sachwidrigen, dem wohlverstandenen Sinn der erteilten Ermächtigung zuwiderlaufenden Gründen nicht in die Freiliste 1 aufgenommen und hierdurch eine vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung über die Grenzen seiner Ermächtigung hinaus korrigiert hätte (vgl. BVerfGE 13, 248 [255]; 16, 332 [339]), fehlt jeglicher Anhaltspunkt.
c) Die Rüge der Beschwerdeführerin, das angefochtene Urteil verletze ihr Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG auch deshalb, weil der Bundesfinanzhof im Widerspruch zu Art. 25 GG die unmittelbar geltende und anspruchsbegründend wirkende Bestimmung des Art. III Abs. 2 des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) nicht beachtet und dadurch gegen die allgemeine Völkerrechtsregel „pacta sunt servanda” verstoßen habe, ist ebenfalls unbegründet.
Der in Teil II des Abkommens vom 30. Oktober 1947 (BGBl. II 1951 Anl. Bd. I S. 8) enthaltene Art. III Abs. 2 GATT lautet:
Die aus dem Gebiet irgendeines Vertragspartners in das Gebiet irgendeines anderen Vertragspartners eingeführten Erzeugnisse sollen weder direkt noch indirekt mit irgendwie gearteten Steuern oder anderen inneren Abgaben belastet werden, welche höher sind als diejenigen, die die gleichartigen Erzeugnisse einheimischen Ursprungs direkt oder indirekt belasten ….
Mit der Verfassungsbeschwerde könnte die Beschwerdeführerin nur geltend machen, daß die der Steuererhebung zugrundeliegende Bestimmung des Umsatzsteuergesetzes mit einer durch Art. 25 GG in das Bundesrecht inkorporierten allgemeinen Regel des Völkerrechts, d. h. mit einem universell geltenden Völkergewohnheitsrechtssatz oder anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsatz (vgl. BVerfGE 15, 25 [32 f.]; 16, 27 [33]; 23, 288 [317]), nicht im Einklang stand und von ihr verdrängt wurde (vgl. BVerfGE 6, 389 [440]; 18, 441 [451]; 23, 288 [300]). Art. III Abs. 2 GATT ist aber als einzelne Bestimmung eines völkerrechtlichen Abkommens keine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG; er gilt in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Rang eines einfachen Gesetzes (vgl. BVerfGE 6, 309 [363]), nachdem der Gesetzgeber dem Vertragswerk gemäß Art. 59 Abs. 2 GG zugestimmt hat. Die Auslegung dieser Norm durch den Bundesfinanzhof ist deshalb vom Bundesverfassungsgericht nur darauf zu prüfen, ob sie die Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts oder anderer verfassungsrechtlicher Grundsätze verkennt (BVerfGE 18, 441 [450]).
Die im angefochtenen Urteil vertretene Rechtsauffassung, es könne dahingestellt bleiben, ob Art. III Abs. 2 GATT überhaupt unmittelbar anwendbar sei, weil jedenfalls bereits das für den engeren Bereich der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bestehende Diskriminierungsverbot des Art. 95 EWGV im Streitfall durchgreife, ist offensichtlich nicht willkürlich und verletzt auch sonst nicht das Grundgesetz. Nach seinem Wortlaut könnte Art. III Abs. 2 GATT der Beschwerdeführerin nicht mehr Rechte einräumen als Art. 95 EWGV. Die sich aus dieser Norm des EWG- Vertrages ergebenden subjektiven Rechte hat der Bundesfinanzhof der Beschwerdeführerin aber dadurch verschafft, daß er die Umsatzausgleichsteuer in dem Umfang senkte, wie es nach seiner verfassungsgerichtlich nicht zu prüfenden Auffassung durch Art. 95 EWGV geboten war. Bei dieser Rechtslage kann die Beschwerdeführerin auch unter Berufung auf den Grundsatz „pacta sunt servanda”, der allerdings als allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG anzusehen ist, nicht geltend machen, die unterbliebene Anwendung des Art. III Abs. 2 GATT zu ihren Gunsten verletze Art. 25 GG. Der allgemeine Rechtsgrundsatz „pacta sunt servanda”, selbst wenn sich der einzelne Bürger auf ihn überhaupt im Sinne eines subjektiven Rechts gegenüber seinem Staat sollte berufen können, verwandelt die einzelnen Normen völkerrechtlicher Verträge nicht ihrerseits ebenfalls in allgemeine Regeln des Völkerrechts mit Vorrang vor innerstaatlichem Recht (vgl. BVerfGE 6, 309 [363]). Er hätte deshalb auch den Bundesfinanzhof nicht gezwungen, die innerstaatliches Recht gewordene Vertragsbestimmung des Art. III Abs. 2 GATT so auszulegen, daß sich aus ihr unmittelbare Rechte der Beschwerdeführerin ergeben hätten.
4. Die Rüge der Beschwerdeführerin, die Besteuerung der Einfuhr von Milchpulver verstoße auch bei Zugrundelegung eines Steuersatzes von 3 v. H. noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil sie die auszugleichende Umsatzsteuervorbelastung inländischen Milchpulvers übersteige, ist ebenfalls nicht berechtigt.
Im System der kumulativen Allphasenumsatzsteuer war die genaue Umsatzsteuervorbelastung inländischen Milchpulvers wie aller anderen Waren angesichts unterschiedlicher Produktionsverläufe rechnerisch nicht genau festzulegen. Der Bundesfinanzhof durfte deshalb wie der Gesetzgeber auf einen Ausgleichsteuersatz abstellen, der der durchschnittlichen Umsatzsteuerbelastung der inländischen Ware entsprach. Art. 3 Abs. 1 GG fordert nicht, daß für jede der im Deutschen Zolltarif in über 1000 Hauptpositionen mit zahlreichen Unterpositionen aufgezählten Einfuhrwaren ein besonderer, der Umsatzsteuerbelastung der entsprechenden inländischen Ware rechnerisch genau angepaßter Ausgleichsteuersatz bestimmt wurde. Um die Abwicklung des Massenvorgangs der Einfuhren nicht mit fast unlösbaren Schwierigkeiten und unverhältnismäßigem Aufwand bei der Festsetzung der Ausgleichsteuer zu belasten, mußte der Gesetzgeber vielmehr im Hinblick auf die Bedürfnisse einer effektiven und sparsamen Verwaltung zwangsläufig unter Verzicht auf eine perfektionistische Durchführung des die Ausgleichsteuer tragenden Grundgedankens typisierende und generalisierende Steuersätze, auch für größere Gruppen von Waren, bilden. Hierdurch verletzte er Art. 3 Abs. 1 GG nicht, sofern die Betroffenen im allgemeinen gleich behandelt wurden und die Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit ihr in einzelnen Fällen verbundenen, geringfügig ungleichen steuerlichen Belastung standen (vgl. BVerfGE 9, 20 [31 f.]; 13, 331 [341]; 21, 12 [27]).
Hiernach steht auch das angefochtene Urteil mit Art. 3 Abs. 1 GG im Einklang. Der Bundesfinanzhof hat festgestellt, daß ein Ausgleichsteuersatz von 3 v. H. die eingeführte Ware nicht mehr diskriminiert; dies ist nach den im Ausgangsverfahren getroffenen, verfassungsgerichtlich nicht zu prüfenden tatsächlichen Feststellungen ersichtlich nicht willkürlich. Eine trotz der Herabsetzung der Ausgleichsteuer etwa noch verbleibende geringfügige Mehrbelastung der Beschwerdeführerin im Vergleich zur Umsatzsteuerbelastung inländischen Milchpulvers könnte, wie dargelegt, als unvermeidliche Folge zulässiger Typisierung und Generalisierung ihr Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht berühren.
5. Aus den soeben dargelegten Gründen verletzt das angefochtene Urteil auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht. Die Belastung der Einfuhr mit einer Steuer in Höhe von 3 v. H. des Zollwerts steht weder außer Verhältnis zu dem mit der Besteuerung erstrebten Zweck, die Steuerbelastungen in- und ausländischer Waren einander anzugleichen und den Wettbewerb zwischen ihnen zu erleichtern, noch hat sie für die Beschwerdeführerin eine übermäßige Belastung ihres Vermögens zur Folge.
III.
Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
Fundstellen
Haufe-Index 1692442 |
BVerfGE, 145 |