Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, welche Anforderungen an eine eigenhändige Namensunterschrift zu stellen sind.

 

Leitsatz (redaktionell)

Mindestanforderungen nach SGG § 151 Abs 1 bei Unterzeichnung der Berufungsschrift:

Mit dem Begriff der Unterzeichnung verbindet der Sprachgebrauch ein Gebilde aus Buchstaben, wobei die Lesbarkeit des Schriftzuges zwar nicht erforderlich ist, jedoch die Mängel nicht so weit gehen dürfen, daß der Schriftzug nicht mehr als solcher angesehen werden kann; es müssen zumindest Buchstaben als solche zu deuten sein, und das Schriftbild muß ein individuelles charakteristisches Merkmal aufweisen.

 

Normenkette

SGG § 151 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03; BGB § 126 Abs. 1 Fassung: 1896-08-18

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. Dezember 1967 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Die Klägerin erstrebt Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlaß des Todes ihres am 7. Juni 1966 nach einem Herzinfarkt verstorbenen Ehemannes.

Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte mit Bescheid vom 26. Oktober 1966 den Antrag auf Hinterbliebenenentschädigung mit der Begründung ab, daß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der landwirtschaftlichen Tätigkeit des Verstorbenen - dem Durchfahren eines Ackers mit einem Handpflug - und dem Herzinfarkt nicht angenommen werden könne.

Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Das Sozialgericht (SG) Speyer hat die Klage mit Urteil vom 28. Juni 1967 abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin durch ihren Prozeßbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 5. August 1967 Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift, die als Briefkopf den vollen Namen und die Berufsbezeichnung des Prozeßbevollmächtigten enthält, weist als Unterschrift einen Schriftzug auf, den das Landessozialgericht (LSG) als "Dr. W. H." gelesen hat; die Berufungsbegründung vom 5. September 1967 ist in gleicher Weise unterzeichnet.

Das LSG hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 8. Dezember 1967 als unzulässig verworfen. Es hat dazu ausgeführt: Nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sei die Berufung beim LSG "schriftlich" oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Dieser Vorschrift sei in Verbindung mit § 126 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nur dann genügt, wenn die Berufungsschrift von dem Beteiligten, seinem gesetzlichen Vertreter oder seinem Prozeßbevollmächtigten eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet sei, soweit die Berufung nicht durch Telegramm eingelegt werde. Diesem Erfordernis entspreche die Berufung der Klägerin nicht; sie sei deshalb nicht formgerecht eingelegt.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Mit der Revision beantragt die Klägerin,

das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 8. Dezember 1967 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückzuweisen.

Sie rügt, das LSG habe § 151 Abs. 1 SGG, § 126 Abs. 1 BGB verkannt. Die schriftlich eingelegte Berufung müsse allerdings unterzeichnet und der durch Namensunterschrift zum Ausdruck gebrachte Wille, ein Rechtsmittel einzulegen, ohne weiteres erkennbar sein. Die Unterschrift unter der Berufungsschrift vom 5. August 1967 genüge indessen diesem Erfordernis. Das LSG nehme zu Unrecht an, die am Ende der Berufungsschrift vorgenommene Unterschrift könne "Dr. W. H." heißen. Der Teil des Namens des Prozeßbevollmächtigten, der seinen akademischen Grad zum Ausdruck bringe, werde vom LSG ohne weiteres erkannt, ebenso  der erste Buchstabe des Familienamens des Prozeßbevollmächtigten (Weiler). Der weitere Namenszug, der die Buchstaben "ei" zum Ausdruck bringe, werde von dem LSG als "." gelesen, lasse sich aber im Zusammenhang mit den letzten Buchstaben "ler" als "ei" erkennen. Das, was als "H." hingestellt werde, sei ohne weiteres als das Ende des Namenszuges des Prozeßbevollmächtigten zu lesen. Der Namenszug sei zwar nicht besonders deutlich geschrieben, lasse sich aber im Zusammenhang mit dem Briefkopf ohne weiteres als Namensunterschrift des Prozeßbevollmächtigten erkennen. Hinzu komme noch, daß mit dem Original der Berufungsschrift auch zwei Durchschriften vorgelegt worden seien, die den Stempel enthielten "gez. Dr. Dr. W".

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin gegen das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 8. Dezember 1967 als unbegründet zurückzuweisen.

Sie meint, die Rüge der Revision greife nicht durch. Die Auslegung des LSG, daß die Unterschrift "Dr. W. H." heißen könne, erscheine noch wohlwollend; die zu deutenden Schriftzeichen könnten genau so gut "Dr. Dr. W. oder "Dr. Dr. Wei" heißen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.

II

Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist zulässig und begründet.

Das Urteil des SG gilt nach § 4 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes als am 20. Juli 1967 zugestellt. Die Frist zur Einlegung der Berufung ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG am 21. August 1967 abgelaufen, weil der 20. August 1967 ein Sonntag war. Innerhalb dieser Frist ist am 8. August 1967 die Berufungsschrift vom 5. August 1967 beim LSG eingegangen. Am Ende der Berufungsschrift befindet sich eine unleserliche Unterschrift, die von dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, Rechtsanwalt Dr. Dr. H W, stammt, der auch im vorgedruckten Kopf der Berufungsschrift als Verfasser bezeichnet ist.

Nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung gegen das Urteil des SG - von dem hier nicht in Betracht kommenden Fall der Beurkundung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und dem Fall der telegrafischen Einlegung eines Rechtsmittels abgesehen - beim LSG "schriftlich" einzulegen.

Für die hier zu treffende Entscheidung kann dahinstehen, ob der in der Rechtsprechung und im Schrifttum herrschenden Meinung zu folgen ist, die Berufungsschrift müsse, wenn sie dem Erfordernis der Schriftform entsprechen soll, handschriftlich unterzeichnet sein (so BSG 1, 243; 5, 110; 6, 256; 8, 142; 12, 230; 16, 242; BFH, NJW 1970, 1151; Literaturhinweise bei Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 236 y f.; a. A. OLG Saarbrücken, NJW 1970, 434 und 1051 mit Anmerkung von Vollkommer und Brandenburg). Der Schriftzug des Rechtsanwalts Dr. Dr. W unter der Berufungsschrift vom 5. August 1967 ist nämlich entgegen der Auffassung des LSG als seine Namensunterschrift anzusehen. Mit dem Begriff der Unterzeichnung verbindet der Sprachgebrauch ein Gebilde aus Buchstaben, einen Schriftzug. Die Lesbarkeit des Schriftzuges selbst ist nicht erforderlich. Undeutlichkeiten und sogar Verstümmelungen schaden nicht. Die Mängel dürfen jedoch nicht so weit gehen, daß der "Schriftzug" nicht mehr als solcher angesprochen werden kann, weil seine Entstehung aus der ursprünglichen Schrift in Buchstaben nicht einmal andeutungsweise zu erkennen ist. Es muß ein Mindestmaß an Ähnlichkeit mit dieser Schrift in dem Sinn erhalten geblieben sein, daß ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann, der Unterzeichnende also erkennbar bleibt. Es müssen Buchstaben als solche zu deuten sein, und das Schriftbild muß auch ein individuelles charakteristisches Merkmal aufweisen (BGH, NJW 1959, 734 und Vers-Recht 1964, 846 und 1969, 1095; OLG Nürnberg, NJW 1961, 1777). Das hier zu beurteilende Schriftbild unter der Berufungsschrift vom 5. August 1967 erfüllt gerade noch diese an eine Unterschrift zu stellenden Mindestanforderungen. Der Schriftzug läßt, wenn auch sehr undeutlich, noch Unterschriftszeichen erkennen. Vom LSG selbst wurde der Teil des Namens des Prozeßbevollmächtigten, der seinen akademischen Grad zum Ausdruck bringt, sowie der erste Buchstabe seines Familiennamens ohne weiteres erkannt. Schon hiernach weist der Schriftzug also Eigentümlichkeiten auf, die der Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, Rechtsanwalt Dr. Dr. W, zuzurechnen sind. Es kann auch aus dem letzten Teil des Schriftzuges andeutungsweise das Ende des Familiennamens des Prozeßbevollmächtigten mit "ler" erkannt werden. Der Schriftzug ist ferner für den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin charakteristisch. Er hat, wie das LSG festgestellt hat, weitere Schriftstücke, insbesondere die Berufungsbegründungsschrift vom 5. September 1967, in derselben Weise unterzeichnet. Hinzu kommt, daß der Kopf der Berufungsschrift vorgedruckt den Namen des Verfassers der Berufungsschrift mit Dr. Dr. H W enthält. Nach alledem war für das Berufungsgericht aus dem Schriftzug unter der Berufungsschrift der Namenszug des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin herauszulesen. Die Berufung der Klägerin ist danach formgerecht eingelegt. Das LSG hätte in der Sache selbst entscheiden müssen. Die Revision der Klägerin ist somit begründet. Dem Senat ist eine Sachentscheidung verwehrt, weil die hierzu erforderlichen tatsächlichen Feststellungen fehlen. Das angefochtene Urteil muß daher nach § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1669049

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