Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. Juni 1971 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 13. Mai 1970 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger wegen der Verschlimmerung der Folgen seines Unfalls aus dem Jahre 1930, wofür er unter Zugrundlegung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 25 v.H. abgefunden worden ist, einen Anspruch gegen die Beklagte auf Wiedergewährung von Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. hat.

Der Kläger hatte am 3. April 1930 einen Arbeitsunfall erlitten, der einen Schienbeinkopfbruch verursachte und für dessen Folgen die Beklagte Entschädigung gewährte. Entsprechend dem Bescheid vom 11. November 1942 zahlte sie an den Kläger gemäß § 616 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF mit dessen Zustimmung unter Zugrundelegung einer NdE von 25 v.H. eine Abfindung von 1666,80 DM.

Am 21. Januar 1952 erlitt der Kläger einen weiteren Unfall. Für diesen gewährte die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten eine Dauerrente nach einer MdE von 20 v.H.

Der Antrag des Klägers auf Wiedergewährung der Rente aus dem Unfall von 1930, den dieser im Jahre 1955 gestellt hatte, blieb ohne Erfolg. Die Beklagte lehnte ihn auf Grund der Behandlungsberichte des Kreiskrankenhauses Ebern und eines Gutachtens des Städtischen Krankenhauses Bamberg durch Bescheid vom 12. November 1956 ab, da gegenüber dem Verletzungszustand, der nach einer Rente von 25 v.H. abgefunden worden war, eine Verschlimmerung von mindestens 15 v.H., wie sie § 616 Abs. 3 RVO aF voraussetze, nicht eingetreten sei. Die MdE betrage vielmehr nur 30 v.H.

Die hiergegen erhobene Klage nahm der Kläger zurück, nachdem auch der vom Sozialgericht (SG) gehörte Sachverständige Dr. R. eine höhere MdE wegen der Unfallfolgen als nicht gegeben ansah.

Mit Schreiben vom 15. Juni 1964 stellte der Kläger abermals einen Antrag auf Wiedergewährung der Rente wegen des Unfalls aus dem Jahre 1930. Er bezog sich auf das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz (UVNG) und erwähnte, daß sich die Unfallfolgen verschlimmert hätten und der behandelnde Facharzt für Orthopädie Dr. I. die MdE nunmehr mit über 50 v.H. bewerte. Am 19./22. November 1968 stellte der Kläger einen erneuten Verschlimmerungsantrag.

Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 27. März 1969 die Wiedergewährung von Rente wegen einer wesentlichen Verschlimmerung ab, nachdem der Sachverständige Dr. P. Gutachten vom 1. Oktober 1968 keine wesentliche Verschlimmerung der mit 20 v.H. beurteilten Unfallfolgen feststellen konnte und auch der ärztliche Berater Dr. S. in seiner Stellungnahme vom 12. Februar 1969 die MdE wegen der Folgen des Unfalls aus dem Jahre 1930 nicht höher als 30 v.H. einschätzte.

Auf die Klage des Klägers hat das SG die Beklagte durch Urteil vom 13. Mai 1970 verurteilt, dem Kläger seit dem 1. Juli 1963 eine Dauerrente nach einer MdE von 30 v.H. bis auf weiteres – unter Beachtung der Vorschrift des § 606 RVO – zu gewähren.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es ist ebenso wie das SG davon ausgegangen, daß die MdE des Klägers wegen der Folgen des Unfalls aus dem Jahre 1930 nunmehr 30 v.H. beträgt. Es meint jedoch, die Voraussetzungen des § 606 RVO iVm § 622 Abs. 1 RVO nF seien nicht gegeben, da die Verschlimmerung der Unfallfolgen wegen des Unfalls aus dem Jahre 1930 nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 2. März 1971 nicht wesentlich sei, d. h. nicht mindestens 10 v.H. betrage. Die unterschiedliche Wortfassung zum Begriff der Verschlimmerung in § 605 RVO nF (wesentliche Verschlimmerung) und § 606 RVO nF (Verschlimmerung) sei nur eine redaktionelle Abweichung, der eine sachliche Bedeutung für den Sinn und die Auslegung der genannten Vorschriften nicht zukomme.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger die zugelassene Revision eingelegt. Seinem Antrag auf Bewilligung des Armenrechts ist durch Beschluß des 7. Senats vom 2. November 1971 entsprochen worden. Daraufhin hat der jetzige Prozeßbevollmächtigte des Klägers mit einem am 19. November 1971 beim BSG eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist beantragt und gleichzeitig Revision eingelegt. Zur Begründung hat er sich im wesentlichen die Ausführungen des Urteils des SG zu eigen gemacht und darauf hingewiesen, daß der hier zur Entscheidung stehende Sachverhalt von dem vom 2. Senat des BSG 1971 entschiedenen Sachverhalt abweiche.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Bayerischen LSG vom 16. Juni 1971 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. März 1969 zu verurteilen, ihm ab 1. Juli 1963 eine Dauerrente nach einer MdE um 30 v.H. bis auf weiteres unter Beachtung der Vorschrift des § 606 RVO zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SozialgerichtsgesetzSGG –).

II

Dem Kläger war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Bayerischen LSG vom 16. Juni 1971 zu gewähren, da er infolge seiner Armut unverschuldet nicht in der Lage gewesen ist, die Revisionsfrist einzuhalten. Diese Behinderung des Klägers, wirksam Revision einzulegen, ist erst weggefallen, nachdem der jetzige Prozeßbevollmächtigte beigeordnet worden ist (vgl. SozR Nr. 22 zu § 67 SGG), der innerhalb der Frist des § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG den Wiedereinsetzungsantrag gestellt und die versäumten Rechtshandlungen nachgeholt hat (§ 67 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Die Revision des Klägers ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Wiedergewährung von Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. unter Beachtung des § 606 RVO. Diese Vorschrift, die gemäß Art. 4 § 16 UNVNG am 1. Juli 1963 in Kraft getreten ist, ist anzuwenden, nachdem die Grundvoraussetzung einer Abfindung nach § 604 RVO (Abfindung bei einer MdE um weniger als 30 v.H.) hier vorliegt. Ihrer Anwendung steht nicht entgegen, daß nach den Feststellungen des LSG die Folgen des Unfalls aus dem Jahre 1930 sich bereits vor dem Inkrafttreten des UVNG verschlimmert haben.

Wie der 2. Senat des BSG in seinem Urteil vom 24. August 1966 (SozR Nr. 1 zu § 605 RVO) und ihm folgend der 5. Senat des BSG durch Urteil vom 31. Juli 1973 – 5 RKnU 29/71 – entschieden haben, ist § 605 Satz 2 RVO nF iVm Art. 4 § 2 UVNG – auch anzuwenden, wenn die Verschlimmerung der Unfallfolgen um 10 v.H. bereits vor dem Inkrafttreten des UVNG eingetreten ist. Der 2. Senat hat dazu unter Bezugnahme auf die bisherige Rechtsprechung des BSG (BSG 23, 139 ff; 24, 88 ff; siehe auch Urteil des erkennenden Senats vom 20. März 1973 in SozR Nr. 5 zu § 551 RVO) ausgeführt: Art. 4 § 2 Abs. 1 UVNG solle als Übergangsregelung im Rahmen der von ihr erfaßten, nach Zweckbestimmung und Bedeutung unterschiedlichen Vorschriften die bisher nach altem Recht durchgeführte rechtliche Beurteilung der Folgen früherer Arbeitsunfälle in das Recht des UVNG überleiten. Der Übergang in dieses neue Recht setze dabei voraus, daß der vor dem 1. Juli 1963 eingetretene Unfall noch in den zeitlichen Geltungsbereich des neuen Rechts hineinwirke (BSG 23, 142; 24, 90). Dieser Auffassung hat sich der erkennende Senat in seinem Urteil vom 20. März 1973 (aaO) grundsätzlich angeschlossen. Der 2. Senat hat weiter ausgeführt, auch im Falle des § 605 Satz 2 RVO nF sei bei natürlicher Betrachtungsweise des Vorgangs einer vielfach gleitenden „Änderung der Verhältnisse” dieser Vorgang nicht ohne weiteres als abgeschlossen, sondern vielmehr als fortlaufend anzusehen, möge auch von Zeit zu Zeit eine bestimmte Stufe dieses Ablaufs feststellbar sein. Er hat weiter darauf hingewiesen, daß § 605 Satz 2 RVO im Verhältnis zu § 616 Abs. 3 Satz 3 RVO aF keine ihrer Art nach völlig neue Leistung gebracht habe.

Diese Erwägungen sprechen dafür, § 606 RVO ebenfalls dann anzuwenden, wenn nicht nur der Arbeitsunfall sich vor dem 1. Juli 1963 ereignet hat, sondern auch der Verletzte nach der Abfindung durch eine Verschlimmerung der Folgen des Unfalls bereits vor diesem Zeitpunkt Schwerverletzter geworden ist (ebenso Krasney, BG 1965, 407, 411; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl. Stand Juli 1972, § 606 Anm. 10; a.M. Noell/Breitbach, Landwirtschaftliche Unfallversicherung, § 606 Anm. – ohne Begründung –). S. 606 RVO nF enthält auch gegenüber § 616 Abs. 3 Sätze 2 und 3 RVO aF keine völlig neue Regelung, sondern lediglich eine Modifizierung, die dahin geht, daß dann, wenn der Verletzte durch eine Verschlimmerung der Folgen des Arbeitsunfalls, für den er nach § 604 RVO nF (Abfindung bei einer MdE unter 30 v.H.) abgefunden worden ist, Schwerverletzter wird, auf seinen Antrag hin der Anspruch auf Verletztenrente in vollem Umfang wieder aufleben soll.

Das LSG ist nun der Auffassung, die Frage der Verschlimmerung in § 606 RVO nF sei nicht nach § 605 Satz 2 RVO nF zu beurteilen, sondern nach § 622 Abs. 1 RVO nF, weshalb nach der geläuterten Rechtsprechung des BSG eine Verschlimmerung nur dann angenommen werden könne, wenn sich der Grad der NdE um mehr als 5 v.H. erhöhe. Die unterschiedliche Wortfassung in § 605 RVO nF, der von einer wesentlichen Verschlimmerung spricht, und in § 606 RVO nF, der lediglich den Begriff der Verschlimmerung enthalte, sei nur redaktioneller Natur. Diese Auffassung teilt der Senat nicht.

Der Ausgangspunkt des LSG, daß sich die Frage, ob eine Verschlimmerung vorliegt, nicht nach § 605 Satz 2 RVO nF ist beurteilt, ist zwar zutreffend, denn § 606 RVO nF ist die speziellere Vorschrift zu § 605 RVO nF, weil hier der Sonderfall geregelt wird, daß der Verletzte wegen einer Rente nach einer MdE um weniger als 30 v.H. abgefunden worden ist (§ 604 RVO nF) und durch die Verschlimmerung der Folgen des Arbeitsunfalls, weswegen er nach dieser Vorschrift abgefunden wurde, oder durch die Folgen eines anderen Arbeitsunfalls Schwerverletzter wird (ebenso Lauterbach aaO § 605 Anm. 7 d). Jedoch ist nichts dafür ersichtlich, daß der bereits erwähnte unterschiedliche Wortlaut des § 605 Satz 1 RVO nF und der des § 606 Satz 1 RVO nF auf einem Redaktionsversehen beruht. Der Senat ist vielmehr der Ansicht, daß die Unterscheidung zwischen einer Verschlimmerung, die „wesentlich” ist, in § 605 Satz 1 RVO nF und einer bloßen „Verschlimmerung” in § 606 Satz 1 RVO nF vom Gesetzgeber mit Rücksicht darauf, daß durch die Verschlimmerung die Schwerverletzteneigenschaft erlangt wird, bewußt geschaffen worden ist. Die Gründe für diesen unterschiedlichen Wortlaut der beiden Vorschriften sind bei näherer Betrachtung durchaus einleuchtend; darüber hinaus war die verschiedenartige Regelung aus der Sicht des Gesetzgebers auch sinnvoll. § 606 Satz 1 RVO regelt im Gegensatz zu § 605 RVO nur den Fall, in dem der Verletzte durch eine nachträgliche Änderung Schwerverletzter wird. Hier sollte nicht der in § 605 Satz 2 RVO festgelegte Grundsatz gelten, wonach eine „wesentliche” Verschlimmerung nur dann vorliegt, wenn durch sie die Erwerbsfähigkeit des Verletzten um mindestens 10 v.H. weiter gemindert wird. Dies entsprechend einer seit Jahrzehnten geltenden Rechtsübung, die dahin ging, von dem Grundsatz, daß Rechtsmittelinstanzen in der Regel nicht um 5 v.H. von der Schätzung abweichen dürfen, dann ausnahmsweise abzuweichen, wenn davon die Gewährung der Rente abhing (vgl. Urteil des RVA vom 2. Juni 1938 in EuM 43, 117, 118). Schon zuvor, nämlich mit Urteil vom 10. Februar 1928, hatte das RVA betont, daß in Ausnahmefällen die Abänderung der Rentenfeststellung um nur 5 v.H. zugelassen worden sei, wenn eine solche Abweichung „durch die Lage der Verhältnisse besonders gerechtfertigt war” (EuM 22, 220, 221). Ebenso wurde bereits in der Rekurs-Entscheidung Nr. 2147 vom 13. Oktober 1905 (AN 1906, 420) ausgesprochen, daß von dem obengenannten Grundsatz Ausnahmen zulässig seien, insbesondere, wenn anderenfalls eine „offenbare Unbilligkeit nach der einen oder anderen Seite” eintreten würde. Dieser Auffassung ist auch der 2. Senat des BSG in mehreren früheren Entscheidungen gefolgt, indem er ebenfalls die Ansicht vertrat, daß die NdE-Erhöhung um 5 v.H. zulässig sei, wenn davon die Gewährung der Rente abhängt (vgl. z. B. Urteil vom 29.11.1956 in SozR Nr. 3 zu § 559 a RVO aF und SozR Nrn. 8 und 13 zu § 608 RVO aF). In Rechtsprechung und Literatur ist als ein solcher Ausnahmefall auch der Fall angenommen worden, in dem von der Bewertung der MdE dieSchwerverletzteneigenschaft abhängt (vgl. Entscheidung des Bayer. LVA vom 11. Mai 1951 in Breithaupt 1951, 1243 und SozR Nr. 13 zu § 608 RVO aF As 8 Rs.). Der Gesetzgeber konnte sonach bei Schaffung des § 606 Satz 1 RVO davon ausgehen, daß zur Erreichung der Schwerverletzteneigenschaft eine „wesentliche” Verschlimmerung, d. h. eine Erhöhung der seitherigen MdE um wenigstens 10 v.H. – wie es in § 605 Satz 2 RVO ausdrücklich heißt –,nicht erforderlich ist, daß vielmehr – weil es sich hier um einen der seit Jahrzehnten als zulässig angesehenen Ausnahmefälle handelt – bereits eine MdE-Erhöhung um 5 v.H. ausreicht. Um dies deutlich zu machen, spricht § 606 Satz 1 RVO nur von einer bloßen Verschlimmerung und nicht – wie wenige Zeilen davor – von einer „wesentlichen” Verschlimmerung. Diese Regelung entsprach somit der ständigen, insbesondere auch der 1963 herrschenden Rechtsprechung (siehe dazu auch das Urteil des 2. Senats in BSG 32, 245, 247, das im übrigen einen anderen Sachverhalt betraf); sie war auch im Rahmen des Leistungsrechts der UV sinnvoll. Denn die Erlangung der Schwerverletzteneigenschaft mit den damit verbundenen wesentlichen Vorteilen (z. B. §§ 582, 583, 607 RVO) stellte durchaus einen sachlichen Grund für die mehrfach erwähnte Unterscheidung in § 605 Sätze 1 und 2 RVO nF und § 606 Satz 1 RVO nF dar, der eine Ausnahme von der Regel rechtfertige.

Daß diese unterschiedliche Regelung – im Gegensatz zu § 605 Satz 2 RVO – bewußt getroffen wurde, wird auch dadurch erhärtet, daß hinsichtlich des Begriffs der Verschlimmerung in § 606 RVO nicht auf § 605 Satz 2 RVO verwiesen worden ist, was nahegelegen hätte, wenn man die Begriffe in beiden Bestimmungen gleich hätte definiert wissen wollen.

Aus der speziellen Stellung im Gesetz und aus dem besonderen Charakter dieser Vorschrift ergibt sich weiter, daß § 622 Abs. 1 RVO nF, auf den sich BSG 32, 245 bezieht und der – andere als § 606 Satz 1 RVO – ebenfalls von einer „wesentlichen” Änderung spricht, nicht anwendbar ist, zumal es sich in § 606 RVO nF auch nicht um eine neue Feststellung der Leistung i. S. des § 622 Abs. 1 RVO nF handelt, sondern um die Frage, ob der Anspruch auf Verletztenrente wieder aufleben soll, weil es in solchen Fällen gerechtfertigt erscheint, die Rechtslage wieder herzustellen, die ohne die Abfindung bestehen würde, um so den Verletzten – entsprechend einem sozialpolitischen Anliegen des Gesetzgebers – in den vollen Genuß der Schwerverletztenleistungen kommen zu lassen (siehe Begründung zum Entwurf eines UVNG, BT-Drucks. IV/120 S. 60 zu §§ 601 bis 603 am Ende).

Nach den Feststellungen des LSG haben sich die Folgen des Arbeitsunfalls des Klägers aus dem Jahre 1930, für die er nach § 616 Abs. 2 RVO aF (= § 604 RVO nF) abgefunden worden ist, so verschlimmert, daß nunmehr eine MdE von 30 v.H. besteht. Zusammen mit den Folgen des Arbeitsunfalls aus dem Jahre 1952 (MdE 20 v.H.) begründet die beim Kläger bestehende Gesamt-MdE die Schwerverletzteneigenschaft des Klägers, denn als Schwerverletzter gilt nach § 583 Abs. 1 RVO auch ein Verletzter, der mehrere Verletztenrenten aus der Unfallversicherung bezieht, deren Hundertsätze zusammen die Zahl 50 erreichen (Lauterbach aaO § 606 Anm. 5 c).

Nach alledem ist die Rente des Klägers aus Anlaß des Arbeitsunfalls vom 3. April 1930 wegen der inzwischen eingetretenen Verschlimmerung auf seinen Antrag wieder aufgelebt, so daß ihm das SG zu Recht ab 1. Juli 1963 eine Dauerrente nach einer MdE von 30 v.H. bis auf weiteres – unter Beachtung der Vorschrift des § 606 RVO – zugesprochen hat.

Das angefochtene Urteil des LSG mußte daher aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Unterschriften

Dr. Maisch, Dr. Zimmer, Schroeder-Printzen

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 11.01.1974 durch Hanisch Reg.Hauptsekretär als Urk.Beamter der Gesch.Stelle

 

Fundstellen

BSGE, 271

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